Noch heißer als die Förderung der energetischen Sanierung wird im neuen Mietrecht wohl nur die Kappung der Mieterhöhungen diskutiert. Im LTO-Interview erklärt Thomas Hannemann, wo die Länder die Mehrkosten für die Mieter tatsächlich begrenzen können. Die SPD-Forderung, die Miete auch bei Neuvermietungen zu beschränken, hält er nicht nur rechtlich für fragwürdig.
LTO: Ein Punkt, den der Gesetzgeber mit der Mietrechtsreform aufgegriffen hat, sind Mieterhöhungen. Nach einer energetischen Sanierung können Vermieter in Zukunft wie bisher die Miete erhöhen. Die Reform begrenzt Mieterhöhungen aber auch.
Hannemann: Bislang können Vermieter den Mieter auf Zustimmung zu einer Mieterhöhung bis zur ortsüblichen Vergleichsmiete in Anspruch nehmen, wenn die Miete in den letzten 15 Monaten unverändert geblieben ist. Allerdings darf die Erhöhung dabei 20 Prozent innerhalb der letzten drei Jahre nicht übersteigen.
In letzter Minute des Gesetzgebungsverfahrens gab es dazu nun eine Neuregelung. Hintergrund ist die durchaus berechtigte Feststellung, dass in Ballungsgebieten, also in Großstädten, die Nachfrage nach bezahlbarem Wohnraum erheblich höher ist als das Angebot. Die Mieten steigen also.
Der Gesetzgeber hat sich deshalb entschieden, die Erhöhung von Bestandsmieten weiter zu deckeln. Die Vorschrift des § 558 Abs. 3 BGB ist erweitert worden. Danach können die Bundesländer jetzt durch Rechtsverordnung für fünf Jahre Gemeinden oder Teile von Gemeinden festlegen, in denen die Miete innerhalb von drei Jahren nur um maximal 15 Prozent, statt wie bislang um 20 Prozent, erhöht werden darf.
Das heißt aber nicht, dass der Vermieter die Miete alle drei Jahre um 20 beziehungsweise künftig um 15 Prozent erhöhen darf. Das wird manchmal falsch verstanden.
"Gekappte Mieterhöhungen nur bei beengtem Wohnungsmarkt"
LTO: Denken Sie, dass die Länder von der Ermächtigung Gebrauch machen werden? Welche werden dies wohl als erstes tun?
Hannemann: Ich denke, ja. Ob auch in nennenswertem Umfang, muss man abwarten. Ich kann mir vor allem vorstellen, dass die Länder solche Verordnungen für Großstädte und Universitätsorte erlassen werden, wo es eine hohe Wohnungsnachfrage gibt, aber nicht flächendeckend.
Die Länder dürfen eine solche Verordnung auch nicht ungeprüft erlassen. Vorher müssen sie ermitteln, ob es wirklich einen beengten Wohnungsmarkt gibt. Nach § 558 Abs. 3 BGB neue Fassung muss in den Gebieten die Versorgung der Bevölkerung mit Mietwohnraum zu angemessenen Bedingungen zumindest besonders gefährdet sein.
LTO: Wie lässt sich das denn feststellen?
Hannemann: Da muss man nach Indizien suchen. Dafür kann man etwa nachfragen, ob die Mieten bei Abschluss neuer Verträge nennenswert ansteigen. Wenn Vermieter da die Möglichkeit haben, aufzuschlagen, spricht das für einen beengten Mietmarkt. Öffentliche Transferleistungen können weitere Hinweise geben. Steigen etwa die Leistungen für Mieten in dem jeweiligen Gebiet? Außerdem: Wie ist es mit Leerstand, können Vermieter praktisch nahtlos weitervermieten? Man kann auch bei den Studentenwerken nachfragen, ob es Wartelisten gibt für bezahlbare Wohnungen, oder sich bei den Interessenvereinen nach deren Erfahrungen erkundigen. Gibt es eine Zunahme wohnungsloser Personen? Wie sind die behördlichen Bedarfsprognosen etc.
LTO: Wie kann man sich gegen eine Mieterhöhung wehren, wenn man als Mieter den Eindruck hat, sie ist zu hoch ausgefallen?
Hannemann: Der Vermieter muss die Erhöhung ja begründen, der Mieter ihr zustimmen. Der Vermieter muss also darlegen, wie er auf die Vergleichsmiete kommt, indem er sich auf einen Mietspiegel beruft, ein Gutachten beifügt oder drei Vergleichsmieten angibt. So kann der Mieter die Erhöhung überprüfen. Ist er der Ansicht, sie sei zu hoch ausgefallen, kann er seine Zustimmung verweigern. Der Vermieter muss ihn dann innerhalb von drei Monaten auf Zustimmung verklagen.
LTO: Sie hatten vorhin angedeutet, dass die Änderung zur Mieterhöhung erst in letzter Minute in die Reform reingekommen ist. Warum und auf wessen Betreiben?
Hannemann: Soweit ich weiß, hat das die CSU im Rechtsausschuss angestoßen. Der Ausschuss hat dann eine entsprechende Empfehlung an den Bundestag weitergegeben. Dort ist die Reform dann mit dieser Ergänzung verabschiedet worden.
2/2: "Kappung bei Neuvermietungen wäre verfassungsrechtlich problematisch"
LTO: Der Gesetzgeber hat sich dagegen entschieden, die Höhe der Miete auch bei Abschluss neuer Verträge zu begrenzen, wie es zum Beispiel die SPD fordert. Warum?
Hannemann: Eine solche Regelung wäre ja schon verfassungsrechtlich problematisch. Einem Vermieter zu sagen, er darf eine Miete nicht verlangen, die der Mieter vielleicht sogar bereit wäre zu zahlen, greift in die Eigentumsfreiheit ein. Das wäre eine Art Zwangssystem, das nicht zu einer freien Marktwirtschaft passt.
Bei Bestandsmietverhältnissen, wenn der Mieter also schon eine Wohnung hat, halte ich diesen Eingriff in die Eigentumsfreiheit für begründbar. Dann soll der Vermieter die Miete nicht exorbitant nach oben schießen lassen können. Aber bei einer Neuvermietung? Darf man einen Eigentümer wirklich gesetzlich daran hindern, bestimmte Erträge mit der zulässigen Vermietung seines Eigentums zu erzielen? Eine absolute Obergrenze gibt es ja schon, etwa den Mietwucher.
LTO: Wann ist diese Grenze erreicht?
Hannemann: Wenn die vereinbarte Miete mehr als 50 Prozent über der ortsüblichen Vergleichsmiete liegt und der Vermieter die Unerfahrenheit des Mieters ausnutzt. Das ergibt sich aus § 138 BGB. Die 50-Prozentgrenze hat die Rechtsprechung in den letzten Jahrzehnten entwickelt.
Die SPD schlägt vor, dass bei einer Neuvermietung die Miete nicht mehr als zehn Prozent über der ortsüblichen Vergleichsmiete liegen soll. Wie ermittelt man die Ortsüblichkeit? Mietspiegel, die es ja auch gar nicht in allen Städten gibt, bilden ältere Mieten ab, solche aus den letzten Jahren. Bei einer Neuvermietung kann man aber meistens mehr verlangen als vorher. Diese Möglichkeit würde zu Lasten des Vermieters eingeschränkt - was sich in der Folge auch wieder auf die Höhe der ortsüblichen Vergleichsmieten auswirken würde.
"Die Wohnungsnot in den Innenstädten lässt sich so nicht bekämpfen"
LTO: Aber warum sollte man bei einer Neuvermietung nicht auf dieselbe Vergleichsmiete zurückgreifen wie bei der Erhöhung einer Bestandsmiete? Etwa auf die Werte, die ein Mietspiegel vorgibt.
Hannemann: Der Mietspiegel hat eine andere Zweckrichtung. Er soll wiedergeben, wie sich die Mieten in den letzten vier Jahren entwickelt haben. Bei einer Neuvermietung braucht man aber einen aktuellen Bezug. Nach dem Vorschlag der SPD ließe sich kaum mehr eine größere Veränderung durchsetzen. Die Mieten würden dann auf etwa demselben Niveau stagnieren.
Außerdem kommt ein praktisches Problem hinzu: Wenn sich die Parteien nicht einigen können, wie hoch nun die Vergleichsmiete ist, kommt dann ein Vertrag gar nicht zustande? Oder unterschreibt der Mieter die höhere Miete und klagt im Anschluss sofort? Dann ist das Mietverhältnis von Anfang an belastet. Das kann auch nicht gut sein.
LTO: Lässt sich mit der Reform in ihrer jetzt verabschiedeten Fassung das Problem lösen, dass weniger begüterte Bevölkerungsgruppen immer weiter in die Randbereiche der großen Städte verdrängt werden?
Hannemann: Da bin ich skeptisch. In den letzten Jahren ist der soziale Mietwohnungsbau nicht sonderlich gefördert worden. Investitionen wurden so uninteressant. Dabei hätte man wissen können, dass das in den Ballungszentren irgendwann zu einer Wohnungsknappheit führen würde.
Ich halte es eher für sinnvoll, da wieder anzusetzen, etwa mit vergünstigten Krediten für den Bau von Wohnungen, für die umgekehrt dann nur Mieten bis zu einer bestimmten Höhe verlangt werden dürfen, insbesondere für sozial schwache Mieter. Das gab es vor 15 oder 20 Jahren schon. Meiner Ansicht nach sind derartige Förderprogramme und/oder steuerliche Vergünstigungen der richtige Weg.
LTO: Vielen Dank für das Gespräch.
Thomas Hannemann ist Rechtsanwalt in Karlsruhe, Vorsitzender der Arbeitsgemeinschaft Mietrecht und Immobilien beim Deutschen AnwaltVerein und Mitherausgeber u.a. der Neuen Zeitschrift für Miet- und Wohnungsrecht (NZM) sowie mehrerer Werke zu diesen Rechtsgebieten.
Das Interview führte Claudia Kornmeier.
Thomas Hannemann, Themenwoche: Mietrechtsreform 2013: "Die Wohnungsnot in den Ballungszentren wird das nicht ändern" . In: Legal Tribune Online, 20.03.2013 , https://www.lto.de/persistent/a_id/8368/ (abgerufen am: 23.04.2024 )
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