Umstrittener Gesetzentwurf aus dem BMJV: Union bremst bei Miet­p­reis­b­remse

von Hasso Suliak

03.07.2018

Der Kampf gegen höhere Mieten steht ganz oben auf der To-Do-Liste des BMJV. Ein erster Entwurf von Katarina Barley zur Verschärfung der Mietpreisbremse fällt jedoch bei unionsgeführten Ministerien und der CDU/CSU-Fraktion durch.

Die Verschärfung der Mietpreisbremse ist für Katarina Barley eines der wichtigsten Gesetzesvorhaben dieser Wahlperiode. "Die Mietsteigerungen sind insbesondere in Ballungsräumen ein Riesenproblem für die Menschen. Im Koalitionsvertrag haben wir deshalb die Verschärfung der Mietpreisbremse vereinbart, damit sie sich überall wirksam entfalten kann", wird die Ministerin nicht müde zu betonen.

Anfang Juni hat ihr Haus deshalb den Entwurf eines Mietrechtsanpassungsgesetzes (MietAnpG) vorgelegt, der die Themen Mietpreisbremse und Mieterhöhung nach Modernisierung umfassend angeht. Der Entwurf, der LTO vorliegt, befindet sich derzeit innerhalb der Bundesregierung in der Ressortabstimmung.

Doch dass diese Abstimmung schnell über die Bühne geht, darf bezweifelt werden. Die beiden unionsgeführten Häuser, das Bundeswirtschaftsministerium (BMWi) und das Bundesinnenministerium (BMI), haben dem Gesetzentwurf unverzüglich widersprochen. "Der Gesetzentwurf ist so angelegt, dass er nicht den erhofften Nutzen bringen wird", sagte der Parlamentarische Staatssekretär im BMI, Marco Wanderwitz (CDU), laut Medienberichten. Der stellvertretende rechtspolitische Sprecher der CDU/CSU-Fraktion und Mietrechtsexperte, Jan-Marco Luczak, warf Katarina Barley gegenüber LTO vor, "unnötig Streit in das ohnehin komplizierte Gesetzgebungsverfahren zu tragen, weil der Referentenentwurf weit über das hinausgeht, was CDU/CSU und SPD verabredet haben".

Bremse bisher ohne Wirkung

Vereinbart hat die GroKo im Koalitionsvertrag tatsächlich eine Reihe von Maßnahmen, mit denen das Problem steigender Mieten in den Griff bekommen werden soll. Unter anderem soll mit einer gesetzlichen Auskunftspflicht des Vermieters bezüglich der Vormiete mehr Transparenz bei der Mietpreisbremse erreicht werden. Außerdem einigten sich SPD und Union darauf, die Anforderungen an eine qualifizierte Rüge des Mieters bezüglich der Miethöhe zu erleichtern. Künftig soll eine einfache Rüge der Miethöhe ausreichen.

Hintergrund der geplanten Verschärfungen ist zudem die Überzeugung, dass die durch das Mietrechtsnovellierungsgesetz vom 21. April 2015 (MietNovG) eingeführten Regelungen über die zulässige Miethöhe bei Mietbeginn (sogenannte "Mietpreisbremse") bislang nicht zu den erhofften Wirkungen geführt haben. Laut BMJV liege dies "wesentlich auch daran, dass Mieter aufgrund der Ausnahmetatbestände oft nicht ohne weiteres beurteilen können, ob die vom Vermieter verlangte Miete im Einzelfall zulässig ist". Gleichzeitig hätten sich die Anforderungen an die erforderliche Rüge, mit der der Mieter die Miethöhe beanstanden muss, in der Praxis als zu hoch erwiesen.

Obwohl der Gesetzentwurf aus dem BMJV nun sämtliche Punkte aus dem Koalitionsvertrag abarbeitet, geht er der Union in einigen Details viel zu weit. Wesentlicher Kritikpunkt der Union betrifft die in Barleys Entwurf vorgesehene Regelung zur vorvertraglichen Auskunftspflicht des Vermieters: Mieter sollen künftig bereits vor Begründung des Mietverhältnisses erfahren, ob sich der Vermieter auf eine Ausnahme von den Regelungen über die Mietpreisbremse beruft, wie zum Beispiel eine über der zulässigen Miethöhe liegende Vormiete.

Erleichterte Rüge für Mieter

Und wie im Koalitionsvertrag angesprochen, soll auch die qualifizierte Rüge des Mieters bezüglich der Miethöhe erleichtert werden. Die Auffassung eines Mieters, die Miete liege unzulässigerweise über den Vorgaben zur Mietpreisbremse, kann in Zukunft in einfacher Weise gerügt werden: Tatsachen, auf denen die Beanstandung der vereinbarten Miete beruht, müssen dazu nicht länger vorgetragen werden. Im Zweifel soll der Satz genügen: "Ich rüge einen Verstoß gegen die Mietpreisbremse!"

Die Union kritisierte die Neuregelung und hält sie für nicht vom Koalitionsvertrag gedeckt. Ihr rechtspolitischer Sprecher Luczak sagte zu LTO: "Wir haben darin eine begrenzte Auskunftspflicht für die Fälle beschlossen, in denen sich Vermieter auf eine höhere Vormiete berufen. Dass die Bundesjustizministerin daraus nun eine generelle Auskunftspflicht macht und zukünftig Vermieter allumfassend über Höhe und Grund der verlangten Miete unaufgefordert Auskunft geben müssen, schießt weit über das Ziel hinaus", so Luczak. "Für große Wohnungsbaugesellschaften mag das weniger ein Problem sein, aber die vielen privaten Kleinvermieter, die zwei Drittel aller Wohnungen in unserem Land stellen, werden damit überfrachtet. Das wollen wir nicht."

Auch der Mietrechtsexperte und Herausgeber eines Mietrechtshandbuchs für Anwälte, Klaus Lützenkirchen, zeigte sich ob der Reichweite von Barleys Gesetzesvorschlag überrascht:

"Die Mietpreisbremse wird dem Mieter auf dem Silbertablett serviert", so der Anwalt zu LTO. "Bisher musste der Mieter darlegen und beweisen, dass ein Verstoß gegen die Mietpreisbremse vorliegt und musste einen Auskunftsanspruch geltend machen. Die rückwirkende Geltendmachung war überhaupt nur möglich, wenn eine qualifizierte Rüge erfolgt war." Diese solle fortan wegfallen und der Vermieter solle in hervorgehobener Weise Informationen liefern, die seine Rechtsposition bei einer Überschreitung der Miete um mehr als 10 Prozent über der ortsüblichen Vergleichsmiete begründen. "Der Mieter muss nicht mehr, wie dies den allgemeinen Grundsätzen des Zivilrechts entspricht, sich seine Informationen beschaffen, um seinen Anspruch geltend zu machen. Vielmehr kann er nun von vornherein erkennen, ob die Rechtsposition des Vermieters Schwachstellen aufweist," so Lützenkirchen.

Streitthema Modernisierung

Auch beim Thema Mieterhöhung nach Modernisierung gibt es Streit zwischen Union und dem BMJV. Laut Barleys Entwurf könnten sich Mieter die Miete für ihre Wohnung nach einer umfangreichen Modernisierung häufig nicht mehr leisten und müssen ihr gewohntes Umfeld verlassen, weil sie auch in ihrer angestammten Nachbarschaft keine bezahlbare Wohnung finden.

Der Entwurf sieht deshalb unter anderem vor, den seit 1978 unveränderten Umlagesatz, mit dem Vermieter die Kosten einer Modernisierung an Mieter weitergeben können, für die Dauer von zunächst fünf Jahren von 11 auf 8 Prozent abzusenken.

Für Unions-Mietrechtsexperte Luczak geht auch hier der Referentenentwurf zu weit: Im Koalitionsvertrag sei leidglich vereinbart worden, in Ballungsgebieten mit angespanntem Wohnungsmarkt die Modernisierungsumlage von 11 auf 8 Prozent abzusenken. "Damit entlasten wir die Mieter gezielt, greifen aber nicht in Wohnungsmärkte ein, wo kein Wohnungsmangel herrscht", so Luczak. Nun wolle Barley aber eine deutschlandweit flächendeckende Absenkung. "Das widerspricht dem Koalitionsvertrag und ist auch in der Sache nicht gerechtfertigt."

Weiter sieht Barleys Gesetzentwurf vor, eine Kappungsgrenze für Vermieter bei Modernisierungen vor: Vermieter dürfen die monatliche Miete nach einer Modernisierung nur bis maximal 3 Euro je Quadratmeter Wohnfläche innerhalb von sechs Jahren erhöhen. Und bei "kleineren" Modernisierungsmaßnahmen bis zu 10.000 Euro pro Wohnung können Vermieter die Mieterhöhung zukünftig wahlweise in einem vereinfachten Verfahren gegenüber dem Mieter geltend machen.

Mietrechts-Experte Lützenkirchen sagte dazu gegenüber LTO: "Das vereinfachte Verfahren, das für Modernisierungen bzw. deren Mieterhöhung eingeführt wird, ist grundsätzlich zu begrüßen. Für die Praxis wäre jedoch hilfreich zu erfahren, ob das vereinfachte Verfahren allein den pauschalen Abzug für Erhaltungsmaßnahmen betrifft oder auch die Darstellung der Modernisierungskosten als solche". so der Anwalt. "Hieran stellt nämlich die Rechtsprechung immer noch hohe Anforderungen in der Form, dass tatsächlich die Kosten für einzelne Maßnahmen detailliert aufgeführt werden müssen".

Sanktionen gegen Gentrifizierung

Vorgehen will das BMJ in seinem Entwurf auch gegen das sog. "Herausmodernisieren" von Mietern. Für Mieter seien Situationen besonders belastend, in denen der Vermieter eine bauliche Veränderung in missbräuchlicher Weise bzw. in der Absicht ankündige oder durchführe, um den Mieter zur Beendigung des Mietverhältnisses zu veranlassen, heißt es in den Erläuterungen des BMJV zum Gesetzentwurf. Zur Eindämmung einer weiteren Gentrifizierung von Quartieren werde deshalb sowohl ein neuer Ordnungswidrigkeitentatbestand als auch ein Schadensersatzanspruch eingeführt.

Doch auch in diesem Punkt stößt die Justizministerin auf den Widerstand ihres Koalitionspartners: Dieser begrüßte zwar, dass die schwarzen Schafe unter den Vermietern zukünftig mit Mitteln des Ordnungsrechtes sanktioniert werden sollen. "Wir wollen damit denjenigen, die eine Modernisierung bewusst missbrauchen, um Menschen aus ihren Wohnungen herauszumodernisieren, einen Riegel vorschieben", so Luszak. Allerdings warnte er vor "viel zu unbestimmten" Regelungen im Gesetzentwurf: "Damit laufen wir Gefahr, dass Modernisierungen künftig unterbleiben. Denn kein Vermieter möchte sich dem Risiko einer Geldbuße von 100.000 Euro aussetzen, nur weil er seine Wohnung modernisiert."

Der Kritik-Hagel seitens der Union bei diesem Vorhaben trifft unterdessen bei der SPD auf Unverständnis: Der rechtspolitische Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion, Johannes Fechner, sagte zu LTO: "Ärgerlich ist, dass die Union diesen für Mieter so wichtigen Verbesserungen im Koalitionsvertrag zwar zugestimmt hat, sie jetzt aber blockiert. Kanzleramt und Unionsministerien torpedieren das Verfahren, ohne konkrete Gegenvorschläge zu machen. Diese Blockade muss die Union aufgeben, weil die Mieten nicht nur in Großstädten rasant steigen."

Ob das Gesetzesvorhaben zügig vorankommen wird, darf angesichts der nicht wenigen Differenzen bezweifelt werden.

Zitiervorschlag

Hasso Suliak, Umstrittener Gesetzentwurf aus dem BMJV: . In: Legal Tribune Online, 03.07.2018 , https://www.lto.de/persistent/a_id/29529 (abgerufen am: 13.11.2024 )

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