Hamburg und Berlin befinden sich derzeit im Wettstreit, wer sich für die Olympischen und Paralympischen Spiele im Jahr 2024 bewerben darf. Gerade werden die Bürger der Städte nach ihrer Meinung gefragt, am Wochenende finden zahlreiche Olympiaaktionen statt. Den langen Weg einer möglichen deutschen Bewerbung und wieso diese nach der jüngsten Reform des IOC wieder interessant ist, zeigt Jonas Leder.
Die spannende Frage, welche die deutsche Sportwelt gerade interessiert, ist: Welche Stadt macht das Rennen im nationalen Entscheid um die olympische Bewerbung 2024? Hamburg oder Berlin? Eine repräsentative Meinungsumfrage wird derzeit in beiden Städten durchgeführt und endet noch im Februar. Anlässlich der Umfrage sind beiden Städten sind an diesem Wochenende zahlreiche Olympiaaktionen geplant.
Doch selbst, wenn der Deutsche Olympische Sportbund (DOSB) sich unter anderem auf dieser Grundlage für eine der beiden Städte entschieden hat, gilt es weitere Hürden zu überwinden, bis sich die ausgewählte Stadt um die Ausrichtung des weltgrößten Sportevents bewirbt. Bevor Deutschland tatsächlich gegen Städte wie Boston und Rom antritt, sollen sich die Bürger der Wahl-Stadt hierzulande dafür aussprechen, dass sie hinter der Bewerbung Ihrer Stadt stehen.
Welche Stadt dann letztlich 2024 die Olympischen Spiele und Paralympischen ausrichten darf, entscheidet das Internationalen Olympischen Komitees (IOC)im Herbst 2017 auf der 130. Session in Lima.
Spiele wurden zu teuer – Bewerber stiegen aus
Die lange Bewerbungsphase bis dahin ist ebenfalls sehr interessant, weil die Auswahl maßgeblich von der jüngst verabschiedeten Agenda 2020 geprägt sein soll, einen ehrgeizigen Reformprozess des IOC (PDF auf deutsch).
Eine solche Reform war notwendig, weil die Olympischen Spiele drohten, ihr Ansehen zu verlieren. Immer mehr Städte und Regionen, wie zuletzt München, Oslo, Stockholm und Graubünden, hatten sich auf Grund fehlender Unterstützung aus der Bevölkerung vorzeitig aus dem Rennen um die Austragung der Olympischen und Paralympischen Spiele verabschiedet. Kritikpunkte waren unter anderem Intransparenz und die enormen Kostensteigerungen bei der Ausrichtung der Olympischen Spiele.
Hieraus zog der DOSB den Schluss, dass bei zukünftigen Bewerbungen die Zustimmung der Bevölkerung einzuholen sei. Außerdem soll die Umsetzung der Agenda 2020 von entscheidender Bedeutung für die Frage einer zukünftigen Bewerbung sein.
Mit der Agenda 2020 wollten die Organisatoren des weltgrößten Sportereignisses der aufgeworfenen Kritik entgegentreten. Sie wurde vom Präsidenten des Komitees Dr. Thomas Bach eingeleitet, am 9. Dezember 2014 auf der 127. IOC-Session in Monaco einstimmig von den Delegierten angenommen und umfasst 40 Empfehlungen für die künftige Entwicklung der Olympischen Bewegung. Ihr zentrales Anliegen ist es, die Bewerbungssituation für die Städte zu verbessern, indem das Bewerbungsverfahren verändert und der Fokus stärker auf die Bedürfnisse potentieller Bewerberstädte gelegt werden soll. Dem IOC ist damit eine Neuausrichtung gelungen, die entscheidend für das Interesse der beiden deutschen Städte war.
Die Olympische Bewegung wird reformiert
Zunächst führt das IOC eine Assistenz- bzw. Einladungsphase ein, in der sich interessierte Städte bereits im Vorfeld einer Bewerbung vom IOC beraten lassen und an individuellen Workshops teilnehmen können. Dabei können sie Fragen zu den wesentlichen Anforderungen, welche an die Bewerber gestellt werden, klären.
Wichtig ist dem IOC auch, nachhaltige Spiele auszurichten und sicherzustellen, dass keine "weißen Elefanten" entstehen und Neubauten auch nach dem Event einer sinnvollen Nachnutzung zugeführt werden können. Dem möchte das Komitee dadurch gerecht werden, dass es zulässt, einzelne Vorrundenwettkämpfe außerhalb der Gastgeberstadt oder in Ausnahmefällen außerhalb des Gastgeberlandes auszurichten. Diese Möglichkeit sah die Olympische Charta in Regel 34 als Ausnahme zwar bereits vor, sie soll nun aber nach dem Willen des IOC Präsidenten stärker gelebt werden. So wurde Pyeongchang bereits aufgefordert, Rodel- und Bobwettbewerbe während der Olympischen Winterspiele 2018 an einem anderen Ort auszutragen und die Bauarbeiten am Eiskanal einzustellen, da kein nachhaltiges Nutzungskonzept für die postolympische Zeit besteht.
Zudem möchte das IOC dazu beitragen, die Kosten für die Städte zu reduzieren. Dazu sollen die Präsentationen für die Bewerbung reduziert und die Abgabe der notwendigen Bewerbungsunterlagen in elektronischer Form ermöglicht werden. Ferner bezuschusst das IOC zukünftige Teile des Bewerbungsverfahrens, indem sie Reise- und Übernachtungskosten bei offiziellen Präsentationen übernehmen. Die Anzahl der Teilnehmer für die Sommerspiele soll auf 10.500 Athleten limitiert und die Anzahl der Wettbewerbe auf 310 begrenzt werden, damit auch die Austragungskosten in Grenzen gehalten werden können.
Zur Steigerung der Transparenz soll in Zukunft der „Host City Vertrag“ schon zu Beginn des Bewerbungsverfahrens veröffentlicht werden. Er soll auch den finanziellen Beitrag, den das IOC zur Ausrichtung der Olympischen Spiele beiträgt, festhalten.
Einen zusätzlichen Anreiz für die Städte soll die Möglichkeit bieten, den Spielen eine individuelle Note zu geben. Bewerberstädte sollen die Möglichkeit bekommen, zusätzliche Wettbewerbe vorzuschlagen.
Der nationale Vorentscheid - Hamburg oder Berlin?
Am 16. März 2015 wird das Präsidium des Deutschen Olympischen Sportbundes (DOSB) intern darüber beraten, welche Stadt sie für das Rennen um die Ausrichtung der Olympischen und Paralympischen Spiele empfehlen soll.
Grundlage für die Empfehlung des Präsidiums werden zum einen die Antworten Berlins und Hamburgs auf einen Fragenkatalog sein, den der DOSB im Juli 2014 an die Städte verschickt hat.
Außerdem werden sie das Stimmungsbild in der Bevölkerung berücksichtigen, um die Chancen im Rahmen der späteren Bürgerbeteiligung einschätzen zu können. Aus diesem Grund hat der DOSB eine erste repräsentative Meinungsumfrage bei einem Meinungsforschungsinstitut in Auftrag gegeben, die derzeit in den beiden Städten bis Ende Februar durchgeführt wird.
Der DOSB entscheidet am 21. März 2015 auf einer außerordentlichen Mitgliederversammlung, mit welcher Stadt Deutschland sich bewerben möchte.
2/2: Bürger werden im deutschen Bewerbungsverfahren beteiligt
Danach soll es in der ausgewählten Stadt eine weitere offizielle politische Bürgerbefragung darüber geben, ob es tatsächlich zu der Bewerbung kommen soll.
Während der Bewerbung Münchens um die Olympischen Winterspiele 2018 gab es ein Bürgerbegehren, in dem sich die Bürger für eine Bewerbung aussprachen. Im Vorfeld der erneuten Bewerbung Münchens für die Spiele 2022 hatte es dann einen Bürgerentscheid gegeben – dieses Mal haben sich die Einwohner der Stadt jedoch mehrheitlich gegen eine Bewerbung ausgesprochen.
In deren Konsequenz waren sowohl DOSB als auch die potentiellen Bewerberstädte der Meinung, dass es vor zukünftigen Bewerbungen immer eine Bürgerbeteiligung geben muss, um eine breite Zustimmung der Bevölkerung sicherzustellen. Doch weder in Berlin noch in Hamburg gab es bis dahin Instrumente zur Einholung eines entsprechenden Bürgervotums.
Der Berliner Senat hat daher das Gesetz über eine Befragung zur Bewerbung um Olympische und Paralympische Spiele in Berlin verabschiedet, das zur Durchführung einer Befragung ermächtigt. Das Ergebnis des Votums soll jedoch keine rechtliche Bindungswirkung für die Stadt Berlin entfalten, die Bewerbung durchzuführen oder von ihr Abstand zu nehmen, sondern dazu dienen, ein Stimmungsbild zu zeichnen. Das Gesetz sieht, für den Fall, dass der DOSB sich für Berlin entscheiden sollte, als Termin für die Befragung den 13. September 2015 vor.
In Hamburg wird derzeit noch über ein angemessenes Instrument der Bürgerbeteiligung diskutiert. Im Raum steht ein in der Verfassung geregeltes Referendum oder eine einfachgesetzliche Volksbefragung wie in Berlin.
Der lange internationale Weg bis zur "Host City"
Im Anschluss an den nationalen Entscheid muss sich der deutsche Bewerber dem internationalen Bewerbungsverfahren stellen. Mitbewerber sind derzeit Boston und Rom. Als weitere potentielle Mitstreiter können Paris, Durban, Istanbul, Baku und Doha hinzukommen.
Das neue Bewerbungsverfahren unterteilt sich in drei Etappen. Diese werden durch die "Einladungsphase" eingeläutet, die sich an alle potentielle Bewerberstädte richtet und für die Städte unverbindlich ist.
Mit der "Applicant City Phase" beginnt das offizielle Bewerbungsverfahren. Hierzu müssen sich die Städte und ihre Nationalen Olympischen Komitees verbindlich anmelden, eine entsprechende Anmeldegebühr zahlen und die Regularien des IOC für das Bewerbungsverfahren anerkennen. Diese umfassen u.a. das "Candidature Acceptance Procedure" und die "Rules of Conduct applicable to all cities wishing to organise the Olympic Games". In dieser Phase müssen die Bewerberstädte das erste Bewerberdokument, das sogenannte Mini Bid Book, erstellen.
Auf Grundlage des Mini Bid Books wählt das IOC die Candidate Cities aus. Die "Candidate City Phase" berechtigt die Städte dazu, international für Ihre Bewerbung zu werben. Begleitet wird sie durch internationale Workshops und die Teilnahme am "Observer Programm" für die Olympischen Spiele in Rio im Jahr 2016.
Im zentralen Bewerbungsdokument, dem "Bid Book", müssen die Bewerber detailliert ausführen, wie ihr Bewerbungskonzept aussehen soll. Das Buch muss Garantien der öffentlichen Hand enthalten, die u.a. die Durchführung und die Finanzierung sicherstellen. Eine Evaluierungskommission prüft die Bid Books im Frühjahr 2017 vor Ort und berichtet anschließend darüber.
Im Herbst 2017, auf der 130. IOC-Session in Lima, entscheidet schließlich der IOC schließlich, wer die Host City für die Olympischen und Paralympischen Spiele 2024 sein soll.
Die deutschen Bewerberstädte müssen also einen lang Weg gehen. Die Agenda 2020 bietet nun aber die Chance, mit einem nachhaltigen Konzept international zu punkten. Mit der Bewerbung von Hamburg und Berlin für die Olympischen und Paralympischen Spiele hat der Sport in Deutschland bereits schon gewonnen. Denn durch die neue Bürgerbeteiligung und mehr Transparenz im Verfahren baut die Bewerbung um das sportliche Großereignisse auf ein breites gesellschaftliches Fundament.
Der Autor Dr. Jonas Leder ist Rechtsanwalt der auf Sportrecht spezialisierten Kanzlei von appen | jens legal in Hamburg. Er war zuvor als Rechtsanwalt für die Bewerbungsgesellschaft München 2018 GmbH tätig, welche für das Bewerbungsverfahren Münchens um die Olympischen und Paralympischen Spiele 2018 verantwortlich war.
Jonas Leder, Olympisches Ringen: Der lange Weg der Bewerber bis zu den Spielen 2024 . In: Legal Tribune Online, 21.02.2015 , https://www.lto.de/persistent/a_id/14764/ (abgerufen am: 04.06.2023 )
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