"MeToo"-Berichterstattung und staatliche Ermittlungsarbeit: It's not a match!

von Dr. Max Kolter

08.09.2023

Das Lindemann-Strafverfahren wurde eingestellt – trotz einer Vielzahl von "MeToo"-Berichten. Woran das liegt und welche Rolle Journalismus bei der Strafverfolgung spielt, beleuchtet Max Kolter.  

Es gibt keine hinreichenden Belege dafür, dass Rammstein-Sänger Till Lindemann eine Straftat begangen hat. Also waren die Ermittlungen einzustellen, so schreibt es § 170 Abs. 2 Strafprozessordnung (StPO) vor. So weit, so unspektakulär.

Doch bei näherem Hinsehen offenbart der Fall einige interessante Probleme, gerade aus Ermittlersicht. Manche treten bei der Aufklärung von Sexualstraftaten stets auf, wie etwa die Verfälschung von Erinnerungen und die Beweiswürdigung in Aussage-gegen-Aussage-Konstellationen. Andere Probleme dagegen beruhen auf der Besonderheit, dass der Skandal von Anfang an durch Medienberichte begleitet wurde. Schließlich begann die Staatsanwaltschaft (StA) Berlin erst zu ermitteln, nachdem Leser:innen, die selbst nie mit Lindemann in Kontakt gekommen waren, Strafanzeige gestellt hatten.

Am Ende blieb es bei diesen Anzeigen durch Dritte. Diejenigen, die Spiegel, SZ, NDR u.a. Rede und Antwort standen, haben sich dagegen nie bei der Polizei und der StA Berlin gemeldet. Warum das im Fall Lindemann so war, darüber kann man nur spekulieren. Die naheliegende Variante: An strafrechtlich relevanten Vorwürfen war "schlichtweg nichts dran", wie Lindemanns Strafverteidiger Prof. Dr. Björn Gercke (Gercke Wollschläger Rechtsanwälte) in einer Presseerklärung von Lindemanns Medienrechtskanzlei Schertz Bergmann zitiert wird. Die andere Variante: Betroffene Frauen scheuten sich davor, mit der StA zu sprechen.

Losgelöst vom Fall des Rockstars lohnt sich ein Blick auf die Schwierigkeiten der Strafverfolgungsbehörden, mutmaßliche Sexualstraftaten aufzuklären, wenn bereits eine "MeToo"-Verdachtsberichterstattung in der Welt ist.

Das Ausgangsproblem: keine objektiven Beweismittel

Lesen Ermittler:innen Berichte, wie sie im Fall Lindemann der Spiegel, die SZ oder tagesschau veröffentlichten, fragen sie sich: Reicht das, um Ermittlungen zu starten? Dafür braucht es einen Anfangsverdacht, also tatsächliche Anhaltspunkte für eine Straftat, nicht notwendigerweise gegen einen konkreten Beschuldigten (§ 152 Abs. 2 StPO). Ob dafür schon ein Presseartikel genügt, hängt davon ab, was drinsteht: Werden konkrete sexuelle Handlungen geschildert? Lassen die Darstellungen daran zweifeln, ob diese Handlungen einvernehmlich waren?

Bleibt ein Bericht an strafrechtlich relevanten Stellen vage, können die Ermittler:innen trotzdem – oder gerade deswegen – gehalten sein, eigene Nachforschungen anzustellen. Bejaht die StA – wie die Berliner Anklagebehörde im Fall Lindemann – aufgrund der Presseberichte einen Anfangsverdacht, verpflichtet sie § 160 Abs. 1 und 2 StPO dazu, den Sachverhalt vollständig aufzuklären. Dazu muss sie alle erforderlichen Beweismittel sammeln.

Das können theoretisch auch objektive Beweismittel wie Blut-, Spermaspuren oder Hautpartikel auf Kleidung oder Körper sein, Rauschmittel lassen sich per Blutprobe nachweisen. Dazu muss es aber schnell gehen. Erfahren die Ermittler:innen erst aus den Medien vom Vorwurf einer Sexualstraftat, ist zu viel Zeit vergangen, um beispielsweise K.O.-Tropfen nachzuweisen. Die betroffene Person hat sich dann auch längst abgeduscht und die Kleidung gewaschen, alle objektiven Beweise sind beseitigt. Es bleibt dann nur die Erinnerung der beteiligten Personen - und da erscheint es aus Sicht von Polizei und StA doch eigentlich ganz praktisch, wenn die Medien bereits Zeugenberichte gesammelt und zusammengetragen haben.

Allerdings sind die Ermittelnden verpflichtet, sich selbst ein Bild von den Zeug:innen zu machen, also die Glaubhaftigkeit ihrer Aussagen und die Glaubwürdigkeit der Person zu bewerten. Dabei gibt es gleich mehrere Hürden.

Medienberichte beeinflussen potenzielle Zeugen

Selbst wenn es gelingt, die Personen ausfindig zu machen, die ihre mutmaßlichen Erlebnisse in der Presse geschildert haben, kann deren Aussagewert durch die vorherige Berichterstattung gemindert sein. Es ist in der Aussagepsychologie gut erforscht, dass die Erinnerungen an Tat oder Täter:in durch fremde Äußerungen zu demselben Geschehen oder Täter:in erheblich beeinflusst werden. Man projiziert dann Geschehnisse, über die andere berichten, auf die eigenen Wahrnehmungen. "Bei Sexualdelikten, bei denen es insbesondere um Aussage-gegen-Aussage-Konstellationen geht, ist es daher immer das Bemühen der Ermittlungsbehörden, eine möglichst frühe und unverfälschte Aussage zu bekommen", sagt der Berliner Oberstaatsanwalt und Sprecher der dortigen Generalstaatsanwaltschaft (GStA) Sebastian Büchner gegenüber LTO.

Ein ähnlicher Effekt ist festzustellen, wenn eine Zeugin ihre eigene Aussage mehrmals wiederholt: "Jede erneute Schilderung eines Erlebnisses führt zwangsläufig unbewusst zu Verschiebungen in der Erzählung. Je häufiger man einen Sachverhalt erzählt, desto mehr besteht die Gefahr, dass sich die Schilderung vom ursprünglichen Geschehen entfernt", so Büchner.

Es liegt auf der Hand, dass diese Verzerrungseffekte im Fall einer vorherigen Berichterstattung über konkrete, mutmaßlich nicht einvernehmliche sexuelle Handlungen drohen. Denn dann "gab es zum einen jedenfalls Gespräche mit Journalistinnen und Journalisten, zum anderen entsprechende Veröffentlichungen mit den dazugehörigen Einordnungen, die den Zeuginnen und Zeugen letztlich auch nicht verborgen geblieben sind", so Büchner. Das alles könne das Aussageverhalten beeinflussen und dazu führen, dass eine Aussage als nicht mehr hinreichend belastbar eingestuft werde.

Quellen- und Informantenschutz in der StPO

Einen Vorteil könnte man aber darin vermuten, dass Investigativjournalist:innen durch eine gezielte Suche nach Zeug:innen und durch Empathie im Gespräch in der Lage sind, eine größere Zahl von Zeug:innen zu "sammeln" – wie im Fall Lindemann geschehen. Wenn viele Zeug:innen die beschuldigte Person in ähnlicher Weise belasten, haben die Aussagen trotz der möglichen Verzerrungseffekte Gewicht. Den Ermittelnden stellt sich nun aber ein weiteres Problem: Wie kommen sie an diese Personen überhaupt heran? Schließlich lassen sich die mutmaßlich Betroffenen in "MeToo"-Fällen regelmäßig unter einem Pseudonym zitieren.

Zwar kennen die Redakteur:innen meist die echten Namen aus eidesstattlichen Versicherungen, die sie sich ausstellen lassen, um ggf. in presserechtlichen Auseinandersetzungen gerichtlich zu belegen, dass hinreichende Anknüpfungstatsachen für eine Verdachtsberichterstattung vorliegen. Doch kann die StA die Namen von den Journalist:innen meist nicht herausverlangen, denn diesen steht gemäß § 53 Abs. 1 Nr. 5 StPO zum Schutz von Quellen und Informant:innen ein Zeugnisverweigerungsrecht zu. Etwa im Fall Lindemann hatten die Ermittler:innen die Redaktionen des Spiegel, der SZ und des NDR nach den Namen der interviewten Frauen gefragt und alle Redakteur:innen hatten sich auf ihr Zeugnisverweigerungsrecht berufen, wie die StA Berlin sowie Spiegel und SZ auf LTO-Anfrage bestätigten; der NDR wollte sich zu dem Thema nicht äußern. 

Laut StA Berlin besteht auch keine Möglichkeit, die eidesstattlichen Versicherungen herauszufordern. Einer Beschlagnahme der Versicherungen bei den Redaktionen steht § 97 Abs. 5 StPO entgegen. Für eine Beiziehung und Auswertung der Akten der Landgerichte, wo sich Lindemann mit den genannten Medien um die Zulässigkeit der Berichterstattung streitet, fehlt es nach Auffassung der StA Berlin an einer Rechtsgrundlage.

Ausnahmen vom Zeugnisverweigerungsrecht gibt es zwar, insbesondere beim Anfangsverdacht bestimmter Sexualstraftaten (§ 53 Abs. 2 S. 2 StPO). Jedoch kennt die Ausnahme eine Rückausnahme: § 53 Abs. 2 S. 3 StPO erhält den Journalist:innen das Zeugnisverweigerungsrecht, soweit die Aussage "zur Offenbarung der Person des Verfassers oder Einsenders von Beiträgen und Unterlagen oder des sonstigen Informanten […] führen würde." Ein solcher Fall dürfte in Fällen der "MeToo"-Berichterstattung stets vorliegen, so auch im Fall Lindemann: "Es ging bei den Anfragen an die Journalist:innen ja gerade um die Namhaftmachung der betroffenen Zeuginnen und Zeugen, so dass nach hiesiger Einschätzung § 53 Abs. 2 S. 3 StPO unmittelbar einschlägig war", so GStA-Sprecher Büchner gegenüber LTO.

"Kein verlängerter Arm der Staatsanwaltschaften"

Eine Rechtspflicht, sich auf das Zeugnisverweigerungsrecht zu berufen, besteht für die Journalist:innen zwar nicht: Anders als bei Rechtsanwält:innen ist das Recht strafprozessrechtlich nicht davon abhängig, ob die betroffene Person zustimmt oder nicht; eine Entbindung von der Schweigepflicht wie im Mandatsverhältnis sieht die StPO im Verhältnis zwischen Presse und Informant:innen nicht vor. Die Journalist:innen entscheiden also selbst.

Doch gibt es gute Gründe, den Quellenschutz zu wahren – so auch im Fall Lindemann: Hier verweisen der Spiegel sowie SZ-Redakteurin Lena Kampf von der Recherchekooperation aus SZ, WDR und NDR auf Ziffer 5 des Pressekodexes: "Die Presse wahrt das Berufsgeheimnis, macht vom Zeugnisverweigerungsrecht Gebrauch und gibt Informanten ohne deren ausdrückliche Zustimmung nicht preis", heißt es in Satz 1. Im vorliegenden Fall hätten Kampf und ihre Kolleg:innen bei ihren Recherchen strikte Vertraulichkeit mit den Frauen vereinbart. Und die "ist grundsätzlich zu wahren", bestimmt Ziffer 5 Satz 2 klar.

Der Pressekodex ist zwar rechtlich nicht bindend, Verstöße können aber durch den Presserat gerügt werden, zudem genießt der Kodex eine hohe Wertschätzung als ethischer Kompass. "Quellenschutz ist für die Redaktion in Einklang mit Ziffer 5 des Pressekodex ein so überragendes, nicht verhandelbares Gut, dass diese sich grundsätzlich auf das Zeugnisverweigerungsrecht beruft", so der Spiegel gegenüber LTO. Ähnlich schildert Kampf die Gründe: "Der Quellen- und Informantenschutz ist unsere wichtigste Währung. Die Frauen haben sich an uns gewandt, weil sie uns vertrauen und auch darauf vertrauen dürfen, dass die SZ ihre Identität schützt."

Darin kommt nicht nur eine moralische Pflicht, sondern auch eine pragmatische Überlegung zum Ausdruck: Bricht man die Vertraulichkeitsvereinbarung, "dürfte es das letzte Mal gewesen sein, dass sich jemand an die Redaktion wendet. Damit wäre dann die mögliche Aufdeckung künftiger Skandale erheblich erschwert", spitzt es der Spiegel zu.

Kampf betont zudem, dass die Reportagen nicht darauf abgezielt hätten, strafbares Verhalten aufzudecken, und die Frage der Strafbarkeit im Artikel auch nicht thematisiert worden sei. Ähnlich hatte zuletzt der Spiegel in einem Gerichtsverfahren argumentiert, die eigene Berichterstattung habe allein das "perverse Groupie-System" der Band beschrieben. Dahinter steht ein von der Straftatenaufklärung unterschiedliches funktionales Selbstverständnis: Man berichtet über gesellschaftliche Missstände und bereitet keinen Gerichtsprozess vor. "Die Presse ist nicht der verlängerte Arm der Staatsanwaltschaften", so Kampf.

Warum Betroffene nicht zur Polizei gehen

Damit wird das "Dilemma der Staatsanwaltschaft" deutlich, wie die Investigativreporterin es ausdrückt. "Uns ist bewusst, dass es eine Herausforderung für die Staatsanwaltschaft darstellt, nicht mit den Frauen sprechen und sich somit nicht selbst von deren Glaubwürdigkeit überzeugen zu können", so Kampf. Im Fall Lindemann bedeutete das für die StA Berlin konkret: Den Ermittler:innen standen als Hauptbelastungszeuginnen lediglich die YouTuberin Kayla Shyx sowie die nordirische Konzertbesucherin Shelby Lynn zur Verfügung. Beide Aussagen sind nach Auffassung der StA unergiebig im Hinblick auf ein strafbares Verhalten des Rammstein-Sängers. Weil sich keine weiteren Frauen bei der StA Berlin meldeten, sah sich diese gezwungen, das Ermittlungsverfahren einzustellen. 

Dabei liegt ein Potenzial der Verdachtsberichterstattung doch gerade darin, die Aufklärung von Sexualdelikten bei mutmaßlichen Wiederholungstätern ins Rollen zu bringen: Geht eine betroffene Person "nur" zur Polizei, bleiben die Ermittlungen zum Schutz des Persönlichkeitsrechts des Beschuldigten zunächst geheim. Erhärtet sich der Verdacht nicht, wird die StA dessen Namen und den Umstand, dass Ermittlungen geführt werden, nicht bekannt geben. Lässt sie die Zeugin aber in einer Zeitung mit Reichweite zitieren, kann das potenziellen anderen Opfern desselben Täters signalisieren "Ihr seid nicht allein!", verbunden mit dem Aufruf, sich bei der Polizei zu melden.

Dennoch passiert das oft nicht. Die Gründe dafür sind vielfältig: Neben Schamgefühlen spielt laut Prof. Dr. Daniela Pollich, die an der Hochschule für Polizei und öffentliche Verwaltung NRW Polizeiwissenschaften lehrt, auch das Vertrauen in Polizei und Justiz eine wesentliche Rolle. "Betroffene geben intimste Erfahrungen preis und haben ein starkes Bedürfnis, dass ihnen geglaubt wird. Die Angst ist groß, dass das Strafverfahren aus Mangel an Beweisen endet", so die Soziologin. Wenn aus diesem Grund das Ermittlungsverfahren eingestellt wird oder ein Freispruch erfolgt, fassten Opfer von Sexualdelikten das oft so auf, dass ihnen nicht geglaubt würde. Und weil sie genau dies antizipierten, scheuten sich viele, überhaupt den Weg zur Polizeiwache anzutreten.

Eine Rolle könnte auch die Atmosphäre der polizeilichen Vernehmung spielen. "Die Polizei muss jedes noch so kleine Detail des Sachverhalts ermitteln, was im Kontext von Sexualdelikten extrem unangenehme Fragen mit sich bringt", so Pollich. "Gerade bei kleinen oder scheinbaren Widersprüchlichkeiten in den Aussagen – selbst, wenn es keine sind – muss die Polizei genau nachfragen."

Aussage gegen Aussage oder drei gegen eins?

Nach der Erfahrung von Pollich ist es für Geschädigte besonders schlimm, wenn die verdächtigte Person den Geschlechtsverkehr einräumt: "Wenn im Prozess nur darüber gestritten wird, ob der Sex einvernehmlich war, dann sind auch mögliche DNA-Spuren wertlos. Dann ist allein entscheidend, wem geglaubt wird."

Aussage gegen Aussage und keine objektiven Beweismittel – das ist der für Betroffene wie Ermittelnde bittere Normalfall der sexualstrafrechtlichen Praxis. Hier müssen Staatsanwaltschaften und Gerichte sorgfältig prüfen, ob es Gründe gibt, mutmaßlich Geschädigten oder Beschuldigten eher Glauben zu schenken. Fehlt es an klaren Indizien, neutralisieren sich die beiden Versionen, der Schuldbeweis kann nicht geführt werden und wegen der Unschuldsvermutung muss das Gericht freisprechen. Wenn die StA dies antizipiert, klagt sie gar nicht erst an.

Wenn sich aber mehrere Zeug:innen wegen unterschiedlicher, mutmaßlich durch dieselbe beschuldigte Person begangenen Sexualstraftaten melden und dabei ähnliche Abläufe schildern, kann das helfen. "Jedenfalls kann es ein Indiz für die Glaubhaftigkeit der Aussagen sein, wenn unterschiedliche Zeuginnen denselben Beschuldigten mit ähnlichen Schilderungen belasten. Auch wenn man jeweils eine Aussage-gegen-Aussage-Konstellation annimmt, kann das zulasten des Beschuldigten berücksichtigt werden", sagt Strafverteidiger Dr. Yves Georg (Schwenn Kruse Georg Rechtsanwälte). Aber steht es dann überhaupt Aussage gegen Aussage oder aber zwei (drei/vier) gegen eins?

Dies beurteilen die Strafsenate des Bundesgerichtshofes (BGH) laut Georg uneinheitlich: "Das war eigentlich geklärt: Gibt es keine objektiven Beweismittel, liegt bei solchen Sachverhalten jeweils eine Aussage-gegen-Aussage-Konstellation vor. Folglich ist bei drei Taten mit drei unterschiedlichen Anzeigeerstatterinnen von drei Aussage-gegen-Aussage-Konstellationen auszugehen." Der zweite Strafsenat habe dies kürzlich in einem von Georg betreuten Fall aber anders gesehen (Beschl. v. 16.08.2022, Az. 2 StR 112/22). Ob dies die Rechtsprechung der übrigen BGH-Senate beeinflusse, lasse sich aktuell nicht absehen.

Journalismus und Strafverfolgung: ein schwieriges Verhältnis

Die Problematik der Beweiswürdigung in Aussage-gegen-Aussage-Konstellationen bleibt auch dann bestehen, wenn Medien zuvor berichtet haben oder die Ermittlungen belgleiten. Auch für die übrigen Probleme gibt es keine Patentlösung. Die Ermittlungsarbeit im Sexualstrafrecht wird immer durch einen Mangel an Zeug:innen, die sich zur Aussage bereiterklären, erschwert. 

Immerhin können Medienberichte behördliche Ermittlungen – wie im Fall Lindemann – ins Rollen bringen. Journalist:innen sind womöglich auch eher als StA und Polizei in der Lage, Zeug:innen zur Aussage zu motivieren. Beruht diese Motivation aber auf einer Vertraulichkeitszusage, werden sich die Redakteur:innen auf ihr Zeugnisverweigerungsrecht berufen, sodass die Ermittelnden an die Zeug:innen nicht herankommen. Selbst wenn dies gelingt, führen Verzerrungs- und Beeinflussungseffekte dazu, dass ein vor der Vernehmung publizierter Presseartikel die Glaubhaftigkeit der Aussage mindert.

Journalismus und Strafverfolgung – das ist eben kein perfektes Match.

Zitiervorschlag

"MeToo"-Berichterstattung und staatliche Ermittlungsarbeit: . In: Legal Tribune Online, 08.09.2023 , https://www.lto.de/persistent/a_id/52663 (abgerufen am: 09.12.2024 )

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