Die Bundesanwaltschaft fordert beim BGH eigentlich eine härtere Strafe für die militante Antifaschistin Lina E. Doch in der Verhandlung zogen die Ankläger jetzt den Hauptvorwurf ihrer Revision zurück. Christian Rath war dabei.
Die Sicherheitsvorkehrungen in Karlsruhe waren außergewöhnlich an diesem Donnerstag. Der Bundesgerichtshof (BGH) war großräumig abgesperrt. Drinnen wurden alle sehr gründlich abgetastet. Immerhin durfte die Rote Hilfe vor dem BGH demonstrieren. Knapp hundert Sympathisant:innen forderten "Solidarität mit Lina".
Die militante Antifaschistin Lina E. war im Mai 2023 vom Oberlandesgericht (OLG) Dresden verurteilt worden. Damals hatten Autonome mit Schäden in Millionenhöhe für jedes Jahr Gefängnis gedroht. Die Nervosität der Sicherheitsbehörden hatte durchaus ihren Grund.
Mit Teleskop-Schlagstöcken unterwegs
Das Oberlandesgericht (OLG) Dresden hatte die damals 28-jährigen Studentin Lina E. wegen gefährlicher Körperverletzung in mehreren Fällen und Mitgliedschaft in einer kriminellen Vereinigung verurteilt. Sie soll gemeinsam mit ihrem damaligen Freund Johann G. und weiteren Militanten regelmäßig in Ostdeutschland Rechtsextremisten zusammengeschlagen haben. Dabei setzte die Gruppe unter anderem Teleskop-Schlagstöcke ein.
Dabei wurden manche Personen gezielt angegriffen, andere ungezielt auf dem Heimweg von rechtsradikalen Demonstrationen. Und einmal traf es relativ spontan einen Bauarbeiter, der ausgerechnet im linken Leipziger Szene-Stadtteil Connewitz eine Mütze von einem Hersteller trug, der bei Rechten beliebt ist.
Lina E. soll bei den orchestrierten und eintrainierten Angriffen oft als "Überblicksperson" agiert haben. Sie hatte das Umfeld zu checken, Passanten mit Pfefferspray vom Eingreifen abzuhalten und, wenn es brenzlig wurde, das Signal zum Rückzug zu geben. In anderen Fällen war sie als Scout tätig und kundschaftete Opfer aus.
Herausgehoben, aber nicht führend
Nach einer 97-tägigen Hauptverhandlung gegen Lina E. und drei Schlag-Genossen wurde E. vor eineinhalb Jahren zu einer relativ milden Freiheitsstrafe von fünf Jahren und drei Monaten verurteilt. Das Gericht ging davon aus, dass Lina E. in der Gruppe zwar eine herausgehobene Rolle spielte, ihr aber keine Rädelsführerschaft nachgewiesen werden konnte.
Am Ende hob das OLG sogar den Haftbefehl auf, weil Lina E. in Haft an Rheuma erkrankt war. Da sie schon drei Jahre in U-Haft saß und sich im Gefängnis tadellos verhalten hatte, sind wohl nur noch einige Monate Haft offen, je nach Ausgang des Revisionsverfahrens.
Die Bundesanwaltschaft hatte moniert, dass Lina E. vom OLG nicht als Rädelsführerin der kriminellen Vereinigung bestraft worden war. Davon rückte Bundesanwalt Matthias Krauß in der BGH-Verhandlung aber überraschend wieder ab. Man wisse einfach zu wenig über die Binnenstruktur der Gruppe.
Krauß hielt aber an einem anderen Kritikpunkt fest. Der Strafrabatt, den das OLG Dresden gewährte, weil Lina E. in rechten Medien aggressiv angegangen und vorverurteilt worden war, sei nicht gerechtfertigt, weil zu dünn begründet. E.s Verteidiger Ralf Ritter aus Hamburg hielt dagegen. "Sie wurde in bestimmten Medien mit vollem Namen benannt und mit unverpixelten Fotos abgebildet", argumentierte er, “das geht über das hinaus, was Straftäter üblicherweise ertragen müssen."
Hammerdiebstahl als Diebstahl mit Waffen?
Die Bundesanwaltschaft forderte zudem eine härtere Strafe für die Wegnahme zweier Hämmer aus einem Obi-Baumarkt. Das OLG Dresden hatte dies nur als Diebstahl gewertet. Dagegen sah Bundesanwalt Krauß hier einen Raub, weil E. den Ladendetektiv, der sie erwischte, in den Bauch stieß.
Außerdem habe Lina E. dabei "gefährliche Werkzeuge" im Sinne von § 244 Strafgesetzbuch (StGB, "Diebstahl mit Waffen") mit sich geführt, nämlich die beiden Hämmer. Das fand Anwalt Ritter aber weit hergeholt. "Sie wollte bei der Aktion die Hämmer ja erstmal erlangen, nicht einsetzen. Auch gegenüber dem Detektiv hat sie nicht zum Hammer gegriffen."
In ihrer eigenen Revision kritisierte Lina E vor allem die Verurteilung wegen des Angriffs auf den Bauarbeiter. "Es gab keine Spuren von ihr am Tatort", argumentierte ihr zweiter Anwalt Erkan Zünbül, "nur den Hinweis auf eine junge Frau, die sich ruhig und kontrolliert verhalten habe. Das reicht nicht für eine Verurteilung", so Zünbül, es könne ja eine andere Frau gewesen sein.
Lina E. ist immer noch auf freiem Fuß, war aber nicht nach Karlsruhe gekommen, auch aus Angst, dann wieder fotografiert und gefilmt zu werden.
Der BGH wird sein Urteil am 19. März verkünden. Selbst wenn die Bundesanwaltschaft teilweise Erfolg haben sollte, droht Lina E. wohl nur eine unwesentliche Straferhöhung.
Militante Antifaschistin Lina E.: . In: Legal Tribune Online, 06.02.2025 , https://www.lto.de/persistent/a_id/56537 (abgerufen am: 18.03.2025 )
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