Libyen und die Einrichtung einer Such-und Rettungszone: Die (Un-)Frei­heit der hohen See

von Dr. Suzette V. Suarez (LL.M.)

12.10.2017

2/2: Kontrollreche in der Anschlusszone

Rechtlich komplex ist die Situation in der sogenannten Anschlusszone zwischen 12 und 24 Seemeilen. Sie gehört zwar nicht mehr zum Gebiet des Küstenstaates, dieser besitzt nach der SRÜ jedoch gewisse Kontrollrechte in dieser Zone. So dürfen diese Länder Verstöße gegen Zoll, Einreise-, Steuer- oder Gesundheitsgesetze in ihrem Hoheitsgebiet verhindern oder ahnden.

Das Bundestagsgutachten misst dieser Zone keine besondere Signifikanz in Hinsicht auf die Reglementierung von Seenotrettungsaktionen zu. Meines Erachtens lässt die besondere Situation im Mittelmeer vor der libyschen Küste die Rechtssituation allerdings weniger eindeutig erscheinen. Die libysche Seite könnte vielmehr argumentieren, dass die Präsenz von Rettungsschiffen an der Grenze zum Küstenmeer einen Anreiz zur illegalen Ausreise mit seeuntüchtigen Schlauchbooten bietet. Ausländische Rettungsschiffe in der Anschlusszone würden somit mittelbar zum Menschenschmuggel beitragen. Die libysche Küstenwache wäre somit befugt, das Eintreten dieser Hilfsschiffe in sein Küstenmeer zu verhindern und das Austreten vom Booten mit Flüchtlingen zu ahnden.

Einschränkungen fremder Schiffe

Jenseits der Anschlusszone befindet sich die ausschließlichen Wirtschaftszone (AWZ). Die Rechtsansprüche des Küstenstaates beziehen sich hier nur auf die Nutzung der Naturressourcen im Meer und Meeresgrund. Für die Schifffahrt gilt in der AWZ bereits der Grundsatz der Freiheit der Hohen See. Der Küstenstaat hat somit kein Recht, den Kurs fremder Seenotrettungsschiffe zu kontrollieren oder einzuschränken.

Auch in der SAR-Zone gelten der Grundsatz der Hohen See und das ihm innewohnende Recht auf freie Schifffahrt. Die SAR Zone dient in erster Linie der Organisation und Koordinierung von Rettungsaktivitäten.

Das Bundestagsgutachten stellt eindeutig fest, dass die libysche Küstenwache keine "exklusive Rettungskompetenz" hat. Jedes Schiff hat vor Ort die Befugnis, einen Rettungseinsatz durchzuführen. Wenn die libysche Küstenwache als Erste rettet, gibt es ihr unter anderem ein "erstes Zugriffsrecht" auf die Schiffbrüchigen, die sie dann nach Libyen zurückbringen kann.

Es gibt jedoch keine klare Verpflichtung, wohin Flüchtlinge, die außerhalb des Küstenmeeres von Libyen gerettet werden, gebracht werden sollen. Die SAR legt nicht automatisch fest, dass gerettete Personen in den nächstgelegenen Küstenstaat verbracht werden, obwohl dies impliziert wird, wenn eine SAR-Zone eingerichtet wird. Auch im SRÜ gibt es dazu keine Regelung. In der Praxis werden die Flüchtlinge zur nächstgelegenen Hafen gebracht. dieser Ort wird normalerweise geografisch interpretiert, könnte also auch ein Hafen in Libyen sein.

Die Autorin Dr. Suzette V. Suarez (LL.M.) ist Vertretungsprofessorin im Seevölkerrecht an der Universität Hamburg.

Zitiervorschlag

Dr. Suzette V. Suarez (LL.M.), Libyen und die Einrichtung einer Such-und Rettungszone: Die (Un-)Freiheit der hohen See . In: Legal Tribune Online, 12.10.2017 , https://www.lto.de/persistent/a_id/24975/ (abgerufen am: 23.04.2024 )

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