Die Sparkasse Ulm möchte teure Sparverträge loswerden. Ihren Kunden bot sie Alternativen an und drohte indirekt mit einer Kündigung, was Verbraucherschützer zu einer Klage bewegte. Wer den Rechtsstreit gewinnen wird, ist angesichts der unübersichtlichen Rechtslage nicht klar, meint Alexander Knauss. Für die Sparkasse lohne sich das Prozessrisiko wegen des niedrigen Leitzinses auf jeden Fall.
Zwischen 1993 und 2005 konnte man bei der Sparkasse Ulm Sparverträge abschließen, die aus heutiger Sicht für Sparer ziemlich günstig sind: 25 Jahre Laufzeit und neben dem variablen Sparzins eine Bonusverzinsung von bis zu 3,5 Prozent – das gibt es, spätestens seit die Europäische Zentralbank den Leitzins auf ein historisches Tief gesenkt hat, mittlerweile nirgendwo mehr. Diese sogenannten Scala-Verträge möchte die Sparkasse nun loswerden. Da nicht absehbar sei, dass die Niedrigzinsphase in Folge der Eurorettung bald ende, sei es ihr betriebswirtschaftlich nicht möglich, die Verträge fortzuführen.
Die Sparkasse bot ihren Scala-Kunden bis Mitte Dezember aktiv alternative Anlagemöglichkeiten zu deutlich schlechteren Konditionen und einer maximalen Laufzeit von sieben Jahren an und drohte indirekt mit einer ordentlichen Kündigung der alten Verträge. Die Verbraucherzentrale Baden-Württemberg hält dieses Vorgehen für unzulässig. Sie mahnte die Sparkasse zunächst ab, als das ohne Reaktion blieb, reichte sie Anfang Dezember beim Landgericht Ulm Unterlassungsklage ein (Az 4 O 364/13).
Die Verbraucherschützer sehen die Sparkasse weder vertraglich noch gesetzlich zur Kündigung berechtigt. Die Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB), auf die sich die Bank beruft und die tatsächlich ein Kündigungsrecht der Sparkasse regeln, seien unwirksam. Unter Berücksichtigung der individuell mit den Sparern vereinbarten festen Laufzeit und der von dieser Laufzeit abhängigen Höhe der Bonusverzinsung sei die Kündigungsmöglichkeit intransparent beziehungsweise überraschend. Ein Rückgriff auf die gesetzlichen Kündigungsregeln sei der Sparkassen wegen der individuellen Vereinbarungen mit den Kunden verwehrt.
Sparer in der Rolle des Darlehensgebers
Der Scala-Sparvertrag ist wegen der vereinbarten Laufzeit gemäß §§ 700, 488 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) ein Darlehensvertrag, wobei sich der Sparer sicherlich darüber wundern dürfte, dabei die Rolle des Darlehensgebers zu übernehmen.
Sollte die – nach Meinung der Verbraucherzentrale unwirksame – AGB-Klausel eine Kündigung tatsächlich nicht tragen, würden daher die gesetzlichen Kündigungsmöglichkeiten gemäß §§ 488 ff. BGB gelten.
Eine Kündigung der Verträge gemäß § 488 Abs. 3 BGB mit einer Frist von drei Monaten ist der Sparkasse allerdings verwehrt, da durch die Vereinbarung einer Laufzeit eine Zeit – wenn auch für jede Sparrate einzeln – für die Rückzahlung des Darlehens bestimmt ist.
Auch § 489 Abs. 1 Nr. 1 und 2 BGB gewährt in diesem Fall kein Kündigungsrecht, da die Voraussetzungen nicht erfüllt sind. Zum einen endet die Sollzinsbindung (vereinbarte Sparzinsen) nicht vor Ablauf der Vertragslaufzeit und zum anderen erfolgt die vollständige Valutierung des Darlehens erst mit Einzahlung der letzten Sparrate, die längstens ein Vierteljahr vor Ende der Laufzeit des Sparvertrages einzahlbar ist, so dass es einer Kündigung mit einer Frist von drei Monaten gar nicht bedürfte.
Möglicherweise kann die Sparkasse aber ihre Kündigung auf § 489 Abs. 2 BGB stützen, da neben dem laufzeitabhängigen Zusatzzins die Grundverzinsung variabel ausgestaltet ist und daher ein veränderlicher Zins vorliegt, wie es die Vorschrift fordert.
Aber selbst dann könnte die Vereinbarung eines laufzeitabhängigen, progressiven Zusatzzinses diese Kündigungsmöglichkeit nach Treu und Glauben ausschließen. Die Sparkasse könnte nämlich so durch eine Kündigung beispielsweise in den ersten zwei Jahren eine Zusatzverzinsung gänzlich vermeiden, die doch gerade entscheidender Vertragsbestandteil und Anreiz für die Scala-Kunden war. Allerdings verbietet § 489 Abs. 4 BGB die Kündigungsmöglichkeiten nach §§ 489 Abs. 1 und 2 BGB auszuschließen oder zu erschweren.
Schadensersatz für Kunden, die bereits umgestiegen sind?
Die Rechtslage ist also alles andere als übersichtlich. In der Haut der Sparkassen-Vertreter möchte man da nicht stecken. Am Ende werden die Gerichte die gegenseitigen Interessen umfassend abwägen müssen. Sicherlich wird dabei vor allem die Frage eine Rolle spielen, wer denn nun das Risiko für die zwischenzeitliche Zinsentwicklung zu tragen hat. Auf den ersten Blick wird man dieses Risiko wohl der Sparkasse zuweisen müssen.
Allerdings stellt sich angesichts der außergewöhnlichen Entwicklung des Zinsumfelds in den letzten Jahren die Frage, ob auch derart außergewöhnliche Zinsszenarien in die Risikosphäre der Sparkasse fallen. Letztlich werden in der Gesamtabwägung sowohl die vereinbarte Laufzeit und die Interessen der Kunden als das Refinanzierungsinteresse der Sparkasse und die Funktionsfähigkeit des Bankensystems insgesamt zu berücksichtigen haben.
Die Risiken des von der Sparkasse nun gewählten Vorgehens dürften allerdings überschaubar sein, verglichen mit der Chance, sich im Erfolgsfall von einer Zinswette lösen zu können, die sich als sehr teuer erwiesen hat.
Sollte die Verbraucherzentrale sich mit ihrer Auffassung durchsetzen, könnte als Folge einer solchen Entscheidung noch die Frage spannend werden, ob denjenigen Kunden, die sich bereits zum Ausstieg aus ihren Scala-Sparverträgen haben bewegen lassen, wegen der Umstiegsempfehlung Schadenersatzansprüche zustehen.
Der Autor Alexander Knauss ist Partner der überörtlichen Sozietät MEYER-KÖRING Rechtsanwälte Steuerberater mit Büros in Bonn und Berlin. Er ist Fachanwalt für Erbrecht sowie Bank- und Kapitalmarktrecht.
Alexander Knauss, Sparkasse will sich von Scala-Verträgen lösen: . In: Legal Tribune Online, 02.01.2014 , https://www.lto.de/persistent/a_id/10461 (abgerufen am: 05.11.2024 )
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