Von wegen "wohl bekomms". Bier darf nicht als "bekömmlich" beworben werden, hat das LG Ravensburg entschieden. Und unterstellt dem "mündigen Verbraucher" dabei recht wenig Verstand, meint Christian Robertz.
Vor dem Landgericht (LG) Ravensburg ist Streit entbrannt. Und dieser geht an die Substanz, betrifft er doch gewissermaßen ein deutsches Kulturgut, das Bier. Stein des Anstoßes ist dessen Bezeichnung als "bekömmlich".
Die auf Unterlassung in Anspruch genommene Brauerei Clemens Härle aus Leutkirch hatte auf ihrer Internetseite drei Biersorten mit dem Begriff "bekömmlich" beworben. "Für uns heißt das im Zusammenhang mit unseren Bieren, dass sie gut fürs Wohlbefinden sind", sagt der Brauerei-Chef Gottfried Härle. Er verteidigt sich auch damit, dass die Brauerei schon seit langem damit geworben habe. In der Bezeichnung "bekömmlich" liege lediglich ein Hinweis darauf, dass das Bier gut für das Wohlbefinden sei.
Die Gegenseite, der Verband Sozialer Wettbewerb, sieht das etwas anders. Sie hält den Slogan für eine unzulässige gesundheitsbezogene Angabe und verweist auf ein Urteil des Europäischen Gerichtshofs (EuGH). Der urteilte im Jahr 2012, dass eine Vermarktung von Wein mit der Bezeichnung "bekömmlich" unzulässig ist (Urt. V. 06.09.2012, Az. C-544/10 – Deutsches Weintor eG gegen das Land Rheinland-Pfalz). Das LG Ravensburg teilte diese Auffassung am Dienstag.
Gesundheitsbezogene Angabe iSd Health-Claims-Verordnung?
Die Richter in Baden-Württemberg bestätigten am Dienstag, dass für Bier nicht mit dem Hinweis "bekömmlich" geworben werden darf (Urt. v. 25.08.2015, Az. 8 O 34/15). Das Urteil ist für deutsche Brauereien und deren Werbeaussagen daher wegweisend. Sollte es rechtskräftig werden, bildet es einen Präzedenzfall für die Vermarktung und vor allem Bewerbung von Bier.
Entscheidend war beim Streit um die Bekömmlichkeit des Weines wie auch nun des Bieres jeweils Frage, ob die Bezeichnung "bekömmlich" eine gesundheitsbezogene Angabe im Sinne der sogenannten Health-Claims-Verordnung darstellt.
Diese Verordnung ((EG) Nr. 1924/2006 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20. Dezember 2006 über nährwert- und gesundheitsbezogene Angaben über Lebensmittel) wurde zum Schutz der Verbraucher erlassen. Sie soll verhindern, dass Verbraucher durch nährwert- und gesundheitsbezogene Angaben auf den Etiketten alkoholischer Getränke oder durch Werbeaussagen zu deren Konsum verleitet werden. Die Verordnung verbietet jede "gesundheitsbezogene Angabe" in der Etikettierung und der Werbung für Getränke mit einem Alkoholgehalt von mehr als 1,2 Volumenprozent.
LG: Schon bei Zusammenhang mit der Gesundheit
Die Entscheidung des EuGH zur Werbung mit dem Begriff "bekömmlich" beim Wein fußte insbesondere darauf, dass die Bezeichnung "bekömmlich" nur die gute Verdaulichkeit des Getränks impliziere, auf die Gefahren des Alkohols jedoch nicht hinweise. Vielmehr werde der Verbraucher durch die Aussage zum Weingenuss animiert, so die Luxemburger Richter. Dieser europäischen Sichtweise haben die sich nun auch die Baden-Württemberger angeschlossen und die bereits erlassene einstweilige Verfügung bestätigt. Der in Anspruch genommenen Brauerei ist es damit untersagt, ihr Bier zu bewerben und dabei die Bezeichnung "bekömmlich" zu nutzen.
Begründet wird auch diese Entscheidung unter Verweis auf die Health-Claims Verordnung. Hierbei gelangen die Richter zu dem Ergebnis, dass ein Gesundheitsbezug nach der Verordnung weit auszulegen sei. Es reiche schon aus wenn der Verbraucher einen Zusammenhang des Lebensmittes mit der Gesundheit herstellen könne. Insbesondere bringe das Wort "bekömmlich" die Verträglichkeit für den Körper und seine Funktionen zum Ausdruck. Schon darin liege, ganz unabhängig von weiteren Erläuterungen, ein Gesundheitsbezug, der gegen die Verordnung verstoße.
Wie mündig ist der "mündige Verbraucher"‘?
Ob die Richter bei Ihrer Entscheidung einen mündigen Verbraucher vor Augen hatten, darf bezweifelt werden. Sicherlich ist das bereits erwähnte Ziel der Health-Claims Verordnung sinnvoll. Gewiss muss der Verbraucher gerade bei alkoholischen Getränken in die Lage versetzt werden, ihren Konsum unter Abwägung der damit einhergehenden Gefahren zu überdenken.
Aber kann es richtig sein, anzunehmen, der Verbraucher verdränge durch den Hinweis auf die Bekömmlichkeit alle potentiellen Gefahren des Genussmittels? Das Leitbild des mündigen Verbrauchers, von dem grundsätzlich auch der EuGH ausgeht, beansprucht diese Vorstellung mindestens stark.
Man wird davon ausgehen dürfen, dass der Verbraucher sehr wohl weiß, dass er ein alkoholisches Getränk zu sich nimmt, und dass Alkohol bekanntlich gewisse Risiken mit sich bringt. Schließlich nimmt ja auch kein mündiger Verbraucher an, dass "Whisky" oder "Eau de vie" nur gesund seien – und das, obwohl die Begriffe doch suggerieren, es handele sich um "Wasser des Lebens".
Der Autor Christian Robertz ist selbständiger Rechtsanwalt in der Kanzlei Hamecher, Thalmann, Robertz und u.a. spezialisiert auf das Wettbewerbsrecht. Er berät mittelständische Unternehmen, insbesondere auch zu Fragen in der konkreten Ausgestaltung von Werbemaßnahmen.
LG Ravensburg schafft Präzedenzfall: . In: Legal Tribune Online, 25.08.2015 , https://www.lto.de/persistent/a_id/16702 (abgerufen am: 07.10.2024 )
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