Kündigung von Online-Verträgen: Was das Internet zusammenbrachte, kann es auch trennen

von Doris Deucker

07.04.2014

Im Internet lassen sich Verträge schnell und komfortabel mit ein paar Klicks abschließen. Will man sich davon jedoch wieder lösen, so bestehen einige Anbieter auf einer Kündigung in Schriftform – aus Gründen der Rechtssicherheit, versteht sich. Dieser Praxis hat das LG München I unlängst einen Riegel vorgeschoben; Doris Deucker stellt die Entscheidung vor.

In dem Verfahren vor dem Landgericht (LG) München I hatte der Bundesverband der Verbraucherzentralen die Kündigungsregelung eines Online-Dating-Portals auf den Prüfstand gestellt. Die Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) des Portals enthielten die Klausel:

"Die Kündigung bedarf zu ihrer Wirksamkeit der Schriftform. Die elektronische Form ist ausgeschlossen. Die Übersendung per Fax genügt. Die Kündigung muss Benutzernamen, Kundennummer, Transaktions- bzw. Vorgangsnummer enthalten."

Nach Auffassung des Gerichts ist diese Regelung gleich unter mehreren Gesichtspunkten unwirksam, weil sie zu hohe formale Hürden aufstellt (Urt. v. 30.01.2014*, Az. 12 O 18571/13).

Das Schriftformerfordernis für die Kündigung stellt nach Auffassung des Gerichts eine unangemessene Benachteiligung der Kunden des Online-Dating-Portals dar und ist deshalb nach der AGB-rechtlichen Generalnorm des § 307 Abs. 1 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) unwirksam. Diese Entscheidung mag im Hinblick auf eine andere, speziellere Vorschrift des AGB-Rechts auf den ersten Blick überraschend wirken. Denn gemäß § 309 Nr. 13 BGB ist eine Bestimmung in Allgemeinen Geschäftsbedingungen unwirksam, durch die Anzeigen oder Erklärungen, die dem Verwender oder einem Dritten gegenüber abzugeben sind, an eine strengere Form als die Schriftform oder an besondere Zugangserfordernisse gebunden werden. Im Umkehrschluss folgt aus dieser Vorschrift, dass ein einfaches Schriftformerfordernis grundsätzlich zulässig ist.

Keine strengeren Formerfordernisse für Kündigung als für Vertragsabschluss

Von diesem Grundsatz macht das LG München I im Hinblick auf die Besonderheiten des Abschlusses und der Abwicklung des Vertrages jedoch eine Ausnahme. Das gesamte Vertragsverhältnis zwischen dem beklagten Dating-Portal und seinen Kunden ist durch digitale Kommunikation geprägt. Der Vertragsabschluss erfolgt online über das Internetportal des Dating-Dienstes und somit allenfalls in Textform. Doch ausgerechnet und ausschließlich die Kündigung soll der Schriftform bedürfen.

Darin liegt nach Ansicht des Gerichts eine unangemessene Benachteiligung der Verbraucher. An die Beendigung des Vertrages dürften generell keine strengeren Anforderungen gestellt werden als an seinen Abschluss. Von diesem Grundsatz dürfe nur aus berechtigten Gründen abgewichen werden, die das Gericht im entschiedenen Fall aber nicht zu erkennen vermochte.

Auch unter einem weiteren Aspekt hielt die Kündigungsklausel des Dating-Portals der gerichtlichen Überprüfung nicht stand: Neben der Schriftform muss die Kündigung nach dem Wortlaut der AGB-Klausel den Benutzernamen, die Kundennummer und die Transaktions- bzw. Vorgangsnummer des Kunden enthalten. Hierin sah das Gericht einen Verstoß gegen den bereits oben zitierten § 309 Nr. 13 BGB.

Keine zusätzlichen Anforderungen an den Inhalt der Kündigung

Entgegen der Auffassung der Beklagten handelt es sich bei diesen zusätzlichen Anforderungen nicht um Regelungen, die nur den Inhalt der Kündigung betreffen, sondern auch um ein besonderes Formerfordernis. Indem vorgeschrieben wird, dass die Kündigung bestimmte Elemente enthalten muss, werden zugleich formale Wirksamkeitsvoraussetzungen aufgestellt. Denn die Kunden des beklagten Online-Portals konnten die Regelung zu ihrem Nachteil durchaus so verstehen, dass bei Fehlen auch nur eines der in der Klausel vorgeschriebenen Elemente, z.B. der Kundennummer, die Kündigung schon allein aus diesem Grund nicht wirksam ist.

Durch die Aufzählung mehrerer Pflichtangaben, die die Kündigungserklärung enthalten muss, knüpft die Beklagte die Kündigung an eine strengere als die Schriftform. Deshalb verstößt die Klausel gegen § 309 Nr. 13 BGB und ist folglich unwirksam.

Im Hinblick auf dieses Urteil sollten Online-Anbieter die Kündigungsregelungen in ihren AGB überprüfen und bei Bedarf anhand der Leitlinien des dargestellten Urteils anpassen, um teure Abmahnungen zu vermeiden. Die Verbraucher können sich dagegen in ähnlich gelagerten Fällen künftig den Gang zum Briefkasten sparen, wenn sie einen per Internet geschlossenen Vertrag kündigen wollen. Wer langwierige E-Mail-Korrespondenz mit dem Anbieter, der eine solche Schriftformklausel noch in seinen AGB hat, vermeiden möchte, sollte aber vorerst doch noch einmal zu Papier und Stift greifen und seine Kündigung "nach alter Väter Sitte" schriftlich erklären – auch, wenn er dazu nach der Entscheidung des LG München I rechtlich nicht verpflichtet ist.

Die Autorin Doris Deucker ist Anwältin bei CBH Rechtsanwälte und dort auf Gesellschaftsrecht, M&A, Handels- und AGB-Recht spezialisiert.

* Hier stand zunächst, das Urteil sei vom 12.12.2013. Geändert am 08.04.2014, 13:03

Zitiervorschlag

Doris Deucker, Kündigung von Online-Verträgen: Was das Internet zusammenbrachte, kann es auch trennen . In: Legal Tribune Online, 07.04.2014 , https://www.lto.de/persistent/a_id/11578/ (abgerufen am: 28.03.2024 )

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