Vor sechs Jahren durchkreuzte das Bundeskartellamt die Fusionspläne zweier Hörgerätehersteller. Zu Unrecht wie der BGH später feststellte. Eines der Unternehmen versuchte nun, seine Milliarden-Verluste erstattet zu bekommen. Auf Amtshaftung stützte es seinen Anspruch, blieb vor dem LG Köln jedoch erfolglos – die Beamten hätten andernfalls ihre Arbeit einstellen müssen, meint Maxim Kleine.
Im April 2007 hatte das Bundeskartellamt die geplante Fusion der Hörgerätehersteller GN ReSound und Phonak untersagt. Die Unternehmen hatten dagegen Beschwerde eingelegt und waren damit vor dem Bundesgerichtshof (BGH) in letzter Instanz erfolgreich (Beschl. v. 20.04.2010, Az. KVR 1/09), anders als zuvor noch vor dem Oberlandesgericht (OLG) Düsseldorf. Drei Jahre hatte das Verfahren gedauert, die Fusionspläne waren zum Zeitpunkt der Urteilsbegründung längst begraben.
GN ReSound als Verkäuferin in der geplanten Transaktion wollte daher Schadensersatz vom Bundeskartellamt in Höhe des vertraglich vereinbarten Kaufpreises sowie ihrer Rechtsberatungskosten, soweit diese nicht erstattet worden waren – insgesamt beliefen sich die Forderungen auf 1,1 Milliarden Euro. Den Anspruch stützte der Hörgerätehersteller auf § 839 Bürgerliches Gesetzbuch i.V.m. Art. 34 Grundgesetz, also auf Amtshaftung.
Gewissenhafte Prüfung genügt
Das Landgericht (LG) Köln wies die Klage gegen das Bundeskartellamt nun ab (Urt. v. 26.02.2013, Az. 5 O 86/12). Zwar habe die Behörde eine Amtspflicht verletzt, indem sie die Fusion rechtswidrig – wie der BGH letztinstanzlich feststellte – untersagte; die kartellrechtlichen Vorschriften hätten auch eine drittschützende Wirkung zugunsten der Unternehmensverkäuferin. Allerdings habe die Klägerin nicht nachgewiesen, dass die Beamten des Bundeskartellamts zumindest fahrlässig pflichtwidrig gehandelt hätten.
Nicht jeder objektive Rechtsirrtum eines Beamten begründet einen Schuldvorwurf, so die Kölner Richter. Solange eine Behörde gewissenhaft prüfe und ihre Entscheidung auf vernünftige Überlegungen begründe, treffe sie kein Verschulden, wenn ein Gericht die Entscheidung später missbilligt und aufhebt. Das gilt nach dem Urteil des LG Köln insbesondere, wenn es um die Auslegung unbestimmter Rechtsbegriffe geht. Im konkreten Fall ging es um die Begriffe "wesentlicher Wettbewerb" und "überragende Marktstellung".
Andere Entscheidung hätte Arbeit des Bundeskartellamts unmöglich gemacht
Schließlich stützte sich das Landgericht Köln noch auf die Kollegialgerichts-Richtlinie, wonach einem Beamten in der Regel kein Verschulden vorgeworfen werden kann, wenn ein mit mehreren Rechtskundigen besetztes Kollegialgericht die fragliche Amtstätigkeit als objektive rechtmäßig angesehen hat – wie in diesem Fall das OLG Düsseldorf.
Aus dem Urteil wird allerdings deutlich, dass die Kammer auch ohne den bestätigenden Beschluss der Düsseldorfer Kollegen mit großer Wahrscheinlichkeit ein Verschulden der handelnden Kartellbeamten verneint hätte.
Das LG Köln hat damit die allgemeinen Maßstäbe für Amtshaftungsansprüche auch auf die Untersagung von Fusionen durch das Bundeskartellamt angewendet. Unbestritten ist: Eine später aufgehobene Untersagungsverfügung ist für die Beteiligten eines geplanten Unternehmensverkaufs, insbesondere aber für den Verkäufer, sehr ärgerlich und kann sehr viel Geld kosten. Andererseits: Hätten die Kölner Richter anders entschieden, wäre dem Bundeskartellamt seine Arbeit wohl unmöglich geworden.
Der Autor Dr. Maxim Kleine ist Rechtsanwalt und Partner der Kanzlei Oppenhoff & Partner in Köln.
Keine Haftung für rechtswidrige Fusionsuntersagung: . In: Legal Tribune Online, 14.03.2013 , https://www.lto.de/persistent/a_id/8327 (abgerufen am: 01.11.2024 )
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