Kaum ist das LG Köln aus den Schlagzeilen raus, ist es wieder drin. Nachdem das Gericht zuletzt durch seine zu leichtfertige Bewilligung der Auskunftsanträge bei den Redtube-Abmahnungen für Aufsehen gesorgt hatte, folgt nun eine weitere Entscheidung, die in der Netzgemeinde auf Unverständnis stößt. Wenn sich die Argumentation des LG durchsetzt, wäre eine Lawine neuer Abmahnungen möglich.
Kontroverse Entscheidungen zum Urheberrecht gibt es dieser Tage häufiger. Noch vor wenigen Wochen sorgte die massenweise Abmahnung von Nutzern von Online-Streams für Aufregung; inzwischen hat das LG Köln eingeräumt, die Auskunftsanträge in jenem Fall zu leichtfertig bewilligt zu haben. Doch kaum ist der Sturm der Entrüstung verebbt, folgt ein weiteres Urteil zum Urheberrecht im Internet, das ebenfalls Wellen schlagen dürfte - und einer neuen Flut von Abmahnungen den Weg bereiten könnte.
Verfasst wurde es von der 14. Zivilkammer des Landgerichts (LG) Köln, einer der wenigen, die im Redtube-Verfahren Weitsicht bewiesen und Anträge der Abmahnanwälte abgelehnt hatte. Das jetzige Urteil (v. 30.01.2014, Az. 14 O 427/13) betrifft die Nutzung von Fotos aus der kostenfreien Bilddatenbank Pixelio. Geklagt hatte der Urheber eines der Bilder, der dieses bei Pixelio zur Verwendung eingestellt hatte. Klagegegner war die Betreiberin eines Onlineportals, die einen ihrer Beiträge mit dem besagten Bild illustriert hatte. Dagegen bestanden grundsätzlich auch keine Einwände - sehr wohl aber gegen die Art und Weise, wie der in den AGB von Pixelio geforderte Urhebervermerk am Bild angebracht war.
Separater Aufruf von Bildern nahezu immer möglich
Nach einer leichten Umstellung seines Vorbringens, die nichts zur Sache tut, monierte der Kläger im Ergebnis folgenden Umstand: Die Beklagte habe zwar unstreitig auf der Artikelseite, auf welcher sie das Bild eingebunden hatte, einen Hinweis auf seine Urheberschaft angebracht. Allerdings sei es auch möglich, das Bild separat - also losgelöst vom übrigen Artikel und dem darin enthaltenen Urhebervermerk - im Browser aufzurufen. In diesem Fall sei er als Urheber nicht erkennbar und in seinem Nennungsrecht aus § 13 Urheberrechtsgesetz verletzt.
Tatsächlich bestand diese Möglichkeit, wie sie auch bei nahezu allen anderen Bildern im Internet besteht. Dazu genügt es in der Regel, einen Rechtsklick auf das Bild auszuführen, und dann einen Menüpunkt zu wählen, der - je nach verwendetem Browser - einen Titel wie etwa "Bild in separatem Fenster öffnen", "Bild ansehen", "Bild in neuem Tab öffnen" oder ähnliches trägt. Es besteht zwar die Möglichkeit, dies technisch durch Mechanismen zu unterbinden, die einen Rechtsklick auf das Bild verhindern. Von dieser Möglichkeit machen aber die wenigsten Webseiten Gebrauch, zumal es dazu bislang auch keinen Anlass gab.
Bilddatenbank hält Vermerk selbst nicht für nötig
Das dürfte sich mit dem Urteil des LG Köln indes ändern. Das Gericht befand, dass die Beklagte den Urhebervermerk nicht nur auf der Artikelseite, sondern auch auf der Seite, unter der nur das Bild selbst zu finden war, hätte anbringen müssen. Effektiv hätte sie also den Vermerk der Urheberschaft mittels eines Bildbearbeitungsprogramms in das eigentliche Bild hinein editieren müssen. Dabei stützte sich das Gericht auf die AGB von Pixelio, die verlangten, dass der Nutzer den Vermerk "in der für die jeweilige Verwendung üblichen Weise und soweit technisch möglich am Bild selbst oder am Seitenende" anzubringen habe.
Die Beklagte argumentierte, dass sie genau dies - die Anbringung am Seitenende - ja getan habe. Das Gericht legte hingegen einen anderen Begriff der Verwendung zu Grunde: Wenn das Bild einerseits innerhalb des Artikels, andererseits auch separat aufrufbar sei, handele es sich nicht um eine, sondern um zwei Verwendungen. Bei der zweiten Verwendung sei der Urheber aber gerade nicht erkennbar. Auch eine nachträgliche Stellungnahme der Bilddatenbank, wonach diese selbst es nicht für notwendig (allerdings empfehlenswert) halte, einen Vermerk anzubringen, wenn das Bild zum Beispiel in vergrößerter Form separat geöffnet werden kann, begründe keine andere Bewertung.
2/2: Wertungsfragen ausschließlich zu Gunsten des Urhebers beantwortet
Thomas Schwenke, der als Anwalt unter anderem auf Social-Media- und Online-Recht spezialisiert ist, findet die Entscheidung des LG kaum nachvollziehbar: "Rein juristisch wird hier zwar stringent argumentiert, aber wie in vielen Fällen gab es auch in diesem Wertungsfragen zu entscheiden - und die wurden ausschließlich zu Gunsten des Urhebers beantwortet."
Diese Wertungsfragen beträfen zum einen die Frage danach, was eine "Verwendung" sei, zum anderen die Frage der Üblichkeit. Absolut gängige Praxis sei es nämlich gerade nicht, den Urhebervermerk im Bild anzubringen, sondern vielmehr in einer Zeile darunter, ggf. auch am Seitenende oder im Impressum. In dieser Weise werden die Bilder auf nahezu allen Nachrichtenportalen im Internet mit Urhebervermerken versehen. Die Interpretation des Gerichts laufe der praktizierten Realität im Internet völlig zuwider, und die Begriffe "Verwendung" und "üblich" seien keineswegs so eindeutig, dass man sie nicht auch anders hätte auslegen können, zumal sie in AGB auftauchten, bei denen besondere Rücksicht auf den Empfängerhorizont zu nehmen sei.
Pixelio-Klausel in ähnlicher Form bei vielen Bilddatenbanken
"Man muss sich schon fragen, ob die Rechte des Urhebers wirklich in spürbarer Weise dadurch tangiert sind, dass sein Bild gesondert geöffnet werden kann. Schließlich navigiert so gut wie niemand zielstrebig auf eine Webseite, auf der einfach nur ein Bild und sonst nichts zu sehen ist. Im Normalfall greift man auf redaktionelle Angebote zu, in die Bilder eingebunden wurden. Selbst Bildsuchmaschinen verweisen stets auf die Seite, in der das Bild eingebunden wurde. Wenn der Vermerk also auf der Beitragsseite zu sehen ist, trägt das den Belangen des Urhebers für meine Begriffe ausreichend Rechnung", kommentiert Schwenke.
So oder so: Die Tragweite des Urteils sei enorm. Es komme zwar darauf an, was die jeweiligen Bildagenturen mit den Fotografen und den Nutzern hinsichtlich der Kennzeichnung für Vereinbarungen getroffen haben. Die von Pixelio verwendete Klausel sei aber nicht unüblich und dürfte in ähnlicher Form bei vielen Bildanbietern vorkommen. Für die Zukunft würden diese wohl ihre Verwendungsbedingungen anpassen müssen - für die Vergangenheit seien aber Millionen von Bildern betroffen.
"Manche Fotografen stellen Bilder nur ein, um dann abmahnen zu können"
Und damit ist auch die millionenfache Möglichkeit zur Abmahnung geschaffen. "Natürlich mit allen missbräuchlichen Modellen, die es in diesem Bereich so gibt", sagt Schwenke. So würden manche Fotografen ihre Fotos bei Bilddatenbanken überhaupt nur zu dem Zweck einstellen, Verwender später wegen fehlerhafter Einbindung kostenpflichtig abmahnen zu können. Diese Praxis würde durch das jetzige Urteil beflügelt.
Betroffenen rät Schwenke, entweder die Möglichkeit zum Einzelabruf der von ihnen vorgehaltenen Bilder technisch zu unterbinden oder nachträglich einen Vermerk in die Bilder selbst einzufügen. Für das LG Köln findet er kritische Worte: "Die Urteilsbegründung ist nur etwa fünf Seiten lang. Auf maßgebliche Entscheidungen in diesem Bereich, etwa das Thumbnail-Urteil des Bundesgerichtshofs (v. 29.04.2010, Az. I ZR 69/08, Anm. d. Red.) wird mit keinem Wort eingegangen. Für eine Entscheidung von einer solchen Tragweite hätte ich mindestens eine andere Begründungstiefe erwartet - und eigentlich auch eine andere Begründung."
Update 04.02.2014, 18:30: Inzwischen ist auch eine Stellungnahme von Pixelio verfügbar. Das Unternehmen übt deutliche Kritik an dem Urteil und führt zahlreiche - auch technische - Aspekte gegen die Interpretation des LG Köln ins Feld. Das Unternehmen kündigt zudem an, sich an einer Berufung gegen das Urteil beteiligen zu wollen. Ob es zu einer solchen kommen werde, konnte der Prozessvertreter der Beklagten am Nachmittag noch nicht mit Bestimmtheit sagen.
Constantin Baron van Lijnden, LG Köln zu Urhebervermerk bei Online-Fotos: Türöffner für eine neue Abmahnwelle? . In: Legal Tribune Online, 04.02.2014 , https://www.lto.de/persistent/a_id/10882/ (abgerufen am: 08.06.2023 )
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