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Prozess um Schadensersatz für Kunduz-Opfer: Wie unterscheidet man einen Taliban von einem Zivilisten?

von Claudia Kornmeier

21.03.2013

Kunduz-Opfer

© Anwaltskanzlei Popal

Am Mittwoch begann vor dem LG Bonn die mündliche Verhandlung über die erste von mehreren Klagen mutmaßlicher ziviler Opfer des NATO-Luftangriffs auf zwei Tanklaster bei Kunduz im September 2009. Nicht offensichtlich unbegründet, befand die Kammer. Auf einen Vergleich wollte sich das Verteidigungsministerium nicht einlassen. Insgesamt macht der Anwalt der Kläger 3,3 Millionen Euro geltend.

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Am 4. September 2009 forderte der Bundeswehroffizier Georg Klein zwei Kampfflugzeuge der US-Luftstreikkräfte an, um zwei von Talibankämpfern entführte Tanklaster auf einer Sandbank des Kunduz-Flusses zu bombardieren. Zu den Opfern des Angriffs zählten neben Aufständischen auch Zivilisten. Wie viele, ist bis heute ungeklärt.

Der Sachverhalt liegt nun auf den Tischen der Richter der für Staatshaftungssachen zuständigen 1. Zivilkammer des Landgerichts (LG) Bonn. Am Mittwoch fand die erste mündliche Verhandlung statt. Es ging um die Klage von Abdul Hannan auf ein Teilschmerzensgeld in Höhe von 40.000 Euro und von Qureisha Rauf auf eine Entschädigung in Höhe von 50.000 Euro (Az. 1 O 460/11). Ersterer ist Vater zweier mutmaßlich bei der Bombardierung getöteter Kinder, letztere nach dem Luftangriff Witwe, die für sechs Kinder zu sorgen hat.

Die Verfahren landeten vor dem Landgericht der Bundesstadt, weil das Bundesverteidigungsministerium in Bonn seinen Hauptsitz hat.

Anwalt fordert 3,3 Millionen Euro für Hinterbliebene

Beide werden vertreten von Karim Popal, der weitere 79 Kläger betreut. Der Bremer Rechtsanwalt, der selbst aus Afghanistan stammt, war zwischen 2004 und 2007 im Auftrag des Auswärtigen Amts dort, um Juristen zu unterrichten. "Ich habe den NATO-Einsatz und die Deutschen damals immer verteidigt", erinnert er sich. Nach dem Angriff von Kunduz habe einer seiner Freunde ihn aufgefordert, sich anzusehen, was die Deutschen angerichtet hätten. Popal machte sich selbst ein Bild von der Lage und gründete schließlich ein Recherche-Team, auf dessen Ergebnissen die Klagen nun gründen.

Er will erreichen, dass Deutschland als Dienstherr von Oberst Klein dazu verpflichtet wird, den Opfern Schadensersatz in Höhe von insgesamt 3,3 Millionen Euro zu zahlen. Im Einzelnen variieren die Forderungen zwischen 20.000 und 75.000 Euro. Die höchste Summe macht der Anwalt für eine Witwe geltend, die nicht nur sechs Kinder, sondern auch noch ihre pflegebedürftigen Eltern versorgen muss. Unterstützt wird er dabei von dem emeritierten Bremer Rechtsprofessor Peter Derleder.

Verteidigungsministerium nicht zu Vergleich bereit

Vergleichsverhandlungen im Vorfeld der Klage waren gescheitert. Popal hatte eine Hilfeleistung an die Region vorgeschlagen, statt einzelne Personen zu entschädigen. Das Verteidigungsministerium hatte dies abgelehnt mit dem Argument, für Entwicklungshilfe nicht zuständig zu sein.

Popal wäre nach wie vor bereit gewesen, einen Vergleich zu schließen, wenn eine angemessene Summe angeboten worden wäre. "Schnelle Hilfe ist für die Hinterbliebenen sehr wichtig. Vor allem für die Frauen, die in Afghanistan praktisch keine Möglichkeit haben, ein eigenes Einkommen zu erzielen." Die Entschädigung müsse so hoch sein, dass sie das Existenzminimum der Hinterbliebenen sichere.

"Gut drei Millionen Euro, so eine gewaltige Summe ist das ja nun nicht", sagte auch der Vorsitzende der Kammer, Heinz Sonnenberger, mit Blick auf die beachtliche Zahl von immerhin 79 Klägern. Aber auch seine Bemühungen, den Parteien eine gütliche Einigung nahezubringen, blieben erfolglos. Das Verteidigungsministerium wollte sich nicht auf einen Vergleich einlassen.

Ministerium: "Oberst Klein hat keine nationale Hoheitsgewalt ausgeübt"

Die Kläger begründen ihre Ansprüche mit der Amtshaftung nach § 839 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) i.V.m. Art. 34 Grundgesetz (GG), was auch die Kammer für die einschlägige Anspruchsgrundlage hält.

"Daneben stützen wir die Klagen aber auch auf internationales Recht, nämlich auf Art. 51 und 57 des ersten Zusatzprotokolls zu den Genfer Abkommen", sagte Klägeranwalt Popal. Die Vorschriften verbieten unterschiedslose Angriffe auf Kombattanten und Zivilisten. Außerdem regeln sie, dass bei der Planung eines Angriffs Vorsichtsmaßnahmen zum Schutz der Zivilbevölkerung getroffen werden müssen.

Der Vertreter der Bundesrepublik Mark Zimmer ist davon überzeugt, den Rechtsstreit nicht zu verlieren. Er hält schon die deutsche Gerichtsbarkeit nicht für eröffnet, weil Klein keine nationale Hoheitsgewalt ausgeübt habe, sondern in das ISAF-Mandat eingegliedert gewesen sei. Verantwortlich sei daher die NATO und nicht die Bundesrepublik. Die Kammer schloss sich jedenfalls in der mündlichen Verhandlung am Mittwoch dieser Auffassung zunächst nicht an.

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    3,3 Millionen für 137 Tote, Verteidigungsministerium nicht zu Vergleich bereit

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    Der Unterschied zu "Distomo" und "Brücke von Varvarin"

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Claudia Kornmeier, Prozess um Schadensersatz für Kunduz-Opfer: . In: Legal Tribune Online, 21.03.2013 , https://www.lto.de/persistent/a_id/8380 (abgerufen am: 09.11.2025 )

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