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LG Berlin verurteilt Ku'-Damm-Raser wieder: Und es war doch Mord

von Pia Lorenz und Dr. Markus Sehl

26.03.2019

Fahrzeugteile liegen am 01.02.2016 in der Tauentzienstraße in Berlin nach einem illegalen Autorennen

(c) dpa

Nach der Aufhebung durch den BGH hat das LG Berlin die jungen Männer, deren Autorennen über den Ku'Damm einen Mann das Leben kostete, erneut wegen mittäterschaftlichen Mordes verurteilt. Und will damit eindeutig auch ein Zeichen setzen.

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Die beiden Sportwagenfahrer, die im Februar 2016 bei einem Autorennen durch die Berliner Innenstadt einen tödlichen Unfall verursacht haben, sind schuldig des mittäterschaftlichen Mordes in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung und vorsätzlicher Gefährdung des Straßenverkehrs. Das entschied am Dienstag das Landgericht (LG) Berlin (Urt. v. 26.03.2018, Az. 532 Ks 9/18.

Die 32. Strafkammer geht bei der Verurteilung der beiden Mitglieder der Berliner Autoraserszene davon aus, dass diese mit bedingtem Tötungsvorsatz handelten. Sie kommt damit auch nach der Aufhebung eines ersten Mordurteils gegen die beiden heute 27 und 30 Jahre alten Männer durch den Bundesgerichtshof (BGH) zum selben Ergebnis wie die 35.  Große Strafkammer im Jahr 2017. Die Richter sehen jetzt sogar gleich drei Mordmerkmale verwirklicht.

Der Vorsitzende Richter Matthias Schertz ließ keinen Zweifel daran, dass die Kammer ein Zeichen setzen wollte: Gefährliche Wettrennen in deutschen Innenstädten sollten hart bestraft werden. Frühestens nach 15 Jahren kann bei lebenslanger Freiheitsstrafe geprüft werden, ob die Strafe zur Bewährung ausgesetzt werden kann. Dazu wurde Führerscheinentzug angeordnet und eine Fahrerlaubnissperre für fünf Jahre. Der Angeklagte H. lächelte bei der Urteilsverkündung ungläubig. N. kaute Kaugummi und starrte vor sich hin. Später schüttelte er ab und zu den Kopf.

"Wie nach einem Terroranschlag": drei Mordmerkmale verwirklicht

"Mit Fahrlässigkeit hatte das nichts zu tun", befand der Vorsitzende Richter am Dienstag im vollbesetzten Saal 700 am Moabiter Kriminalgericht.  Die Angeklagten hätten "aus nichtigem Anlass mit dem Leben anderer Menschen gespielt". Selbstverliebt und rücksichtslos seien sie gewesen, ihre Fahrzeuge hätten sie förmlich vergöttert.

Es war in der Nacht zum 1. Februar 2016, als die beiden Männer, die zur Berliner Raserszene gehören, sich ein spontanes Rennen geliefert hatten. Mitten durch die Berliner Innenstadt, mit einem hoch motorisierten, schweren und sportlich bereiften Mercedes und einem Audi S6 sollen sie mit bis zu 170 Stundenkilometern mehrere rote Ampeln überfahren haben. Auf einer Kreuzung kurz vor dem Kaufhaus KaDeWe rammte der Angeklagte N. mit ca. 160 Stundenkilometern einen Jeep, der 72 Meter weit geschleudert wurde. Der 69 Jahre alte Fahrer des Jeeps starb noch in seinem Auto, die Beifahrerin des Angeklagten N. wurde verletzt.

Der Unfallort habe ausgesehen "wie nach einem Terroranschlag", es habe keinen Knochen im Körper des Toten gegeben, der nach dem Zusammenprall mit dem Wagen des Angeklagten nicht gebrochen gewesen sei, sagte Schertz. Unter anderem damit begründete er, dass die Kammer die Autos als gemeingefährliche Mittel im Sinne von § 211 Abs. 2 Strafgesetzbuch (StGB) eingestuft hat. Die Fahrzeuge seien bei dieser Geschwindigkeit nicht mehr zu kontrollieren gewesen und hätten noch weitere Opfer fordern können.

Auch die Bewertung als niedrige Beweggründe, welche schon dem Urteil aus 2017 zugrunde lag, teilte die 32. Große Strafkammer. Es bestehe ein "besonders krasses Missverhältnis zwischen Anlass und Tat", so der Vorsitzende Richter. Den Angeklagten N. und H. sei es darum gegangen, "meine Motorhaube komme zuerst an". Am Dienstag wurden H. und N. zudem noch wegen Heimtücke verurteilt: Wer bei Grün mit seinem Fahrzeug in eine Kreuzung einfahre, der sei als Opfer arg- und wehrlos.

"Mit Fahrlässigkeit nichts zu tun": bedingter Vorsatz

Wenn es wegen Mordes, also einer vorsätzlichen Tötung plus verwirklichte Mordmerkmale,  verurteilt, dann muss ein Gericht zwingend eine lebenslange Freiheitsstrafe verhängen. Für die beiden Raser vom Ku'Damm, die in Untersuchungshaft sitzen, entscheidet die Abgrenzung zwischen bedingtem Vorsatz von bewusster Fahrlässigkeit über viele Jahre Haftstrafe.

Auch beim zweiten Urteil kamen die Richter in Berlin zu dem Ergebnis, dass die beiden Angeklagten den Tod anderer Verkehrsteilnehmer durch ihre Fahrweise als möglich und nicht ganz fernliegend erkannt und das gebilligt oder sich damit zumindest abgefunden haben. Diese Wissens- und Wollenselemente definieren den für eine Verurteilung wegen eines vorsätzlichen Tötungsdelikts mindestens nötigen sog. bedingten Vorsatz.

Die objektive Gefährlichkeit sei hier kaum noch zu toppen gewesen, so Richter Schertz. Er betonte, dass die beiden Männern nicht absichtlich gehandelt hätten. Aber für bewusste Fahrlässigkeit in Abgrenzung zum bedingten Vorsatz komme es darauf an, dass man noch ernsthaft auf einen guten Ausgang vertraue und das Vertrauen müsse auch durch Tatsachen belegbar sein. "Auf was soll sich das Vertrauen hier noch stützen?", fragte der Richter in den Saal. Es habe sich zudem auch nicht um eine einsame Dorfstraße, sondern um eine Hauptverkehrsschlagader in der Innenstadt von Berlin gehandelt. Gerade diese Umstände seien "Teil des Kicks gewesen, das Rennen hier durchzuführen." Auf ein fahrerisches Können sei es bei diesen Geschwindigkeiten nicht mehr angekommen.

"Aber sie gaben Vollgas"

Die Kammer zeigte sich überzeugt von einer "Vorsatzbildung in mehreren Etappen", die auch den gemeinsamen Tatentschluss für die Mittäterschaft von N. und H. trage. Auf dem Weg vom Adenauerplatz in Richtung Gedächtniskirche und Kaufhaus Kadewe habe es zwischen beiden Fahrern immer wieder von Block zu Block ein "Stechen" gegeben, also ein kurzes Rennen bis zur nächsten Kreuzung. Anschließend habe sich zwischen den beiden die Verabredung zu einem Rennen entwickelt und sie rasten den Ku'Damm und die Tauentzienstraße herunter.

Die entscheidende Stelle sieht die Kammer 90 Meter vor der Kreuzung Tauentzienstraße/Nürnberger Straße, auf der es zu der tödlich endenden Kollision mit dem Jeep kam. Durch eine Rechtskurve kommt N. mit 100 km/h, H. folgt dicht hinter ihm mit bereits 120 km/h, ihn wirft es beinahe aus der Kurve, so das Gericht. Die beiden sehen die rote Ampel vor sich. N. nimmt in diesem Moment Druck vom Gaspedal, dann drückt er voll durch. Das lasse sich aus einem Gutachten rekonstruieren, das die aufgezeichneten Fahrzeugdaten ausgewertet hat.

N. habe in diesem Moment erkannt "jetzt könnte ich es noch stoppen", so der Vorsitzende Richter. Die beiden hätten einen freien Blick auf die Kreuzung und die rote Ampel gehabt. An dieser Stelle hätten die beiden Männer erkannt und billigend in Kauf genommen, dass jemand durch ihre Raserei zu Tode kommen könnte, so Schertz.. Hier hätte N. noch bremsen und sein Auto rechtzeitig zum Stehen bringen können. Danach gab es keine Handlungsalternative mehr.  "Aber sie gaben Vollgas".

Nicht erst dolus subsequens

Zwar habe auch die 35. Kammer in ihrem Urteil aus dem Jahr 2017 diesen Punkt sehr wohl gesehen, aber nicht so sehr Gewicht auf diesen Umstand gelegt, erklärte Gerichtssprecherin Lisa Jani gegenüber LTO. Die Richter hatten damals festgestellt, dass "spätestens" eine Sekunde vor dem Zusammenprall an der Kreuzung Tötungsvorsatz vorgelegen habe.

Dem BGH hatte das nicht gereicht. Auf die Revisionen der Angeklagten hin hob er ein erstes Mordurteil des LG Berlin am 1. März 2018 auf (Urt. v. 01.03.2018, Az. 4 StR 399/17).  Die Feststellungen des LG Berlin trugen aus Sicht der Bundesrichter ein Urteil wegen vorsätzlicher Tötung nicht. Der BGH ging vielmehr von einem erst nach der Tat gefassten und damit unbeachtlichen Tötungsvorsatz aus.

Denn in dieser Sekunde vor dem Zusammenprall hätten die beiden Männer schon gar keine Kontrolle mehr über die Fahrzeuge gehabt, also auch gar keine Möglichkeit mehr, den Unfall zu verhindern. Der tödliche Lauf der Dinge war unumkehrbar in Gang gesetzt – und ein erst nach diesem Zeitpunkt gefasster Vorsatz (sog. dolus subsequens) habe damit eben nicht bei Begehung der Tat, sondern erst danach vorgelegen und ist damit unbeachtlich, so Deutschlands höchste Strafrichter.

"Ausgeblendet": Eigengefährdung schließt Vorsatz nicht aus

Die 35. Strafkammer des LG Berlin reagierte am Dienstag in ihrem Urteil auch noch auf andere Bedenken der Bundesrichter. Die hatten sich 2018 auch kritisch mit der Frage auseinandergesetzt, ob und wann man bei riskantem Verhalten im Straßenverkehr einen bedingten Tötungsvorsatz unterstellen kann, obwohl mit einer Verletzung anderer so gut wie zwangsläufig auch immer eine Eigengefährdung des Rasers einher gehen würde.

Die Kammer in Berlin zeigte sich überzeugt, dass "der Kick beim Rennen" dieses Bewusstsein gerade ausblende. Auch seien die Autos der beiden Raser so ausgerüstet gewesen, dass die Fahrer gegen Gefahren gut geschützt gewesen seien. Sie verfügten frontal über Airbags und einen starken Motorblock.

Die Kammer verwies auch darauf, dass nach allgemeiner Erfahrung mit zunehmender Geschwindigkeit die Gefährlichkeit für das eigene Fahrzeug sogar eher abnehme. Das kenne man etwa von einem drohenden Wildunfall, bei dem man durch Beschleunigung die eigene Gefahr eher verringere und das Wild von der Straße schießen könne.

Ein Zeichen gesetzt

"Das ist eine harte Strafe, aber das ist die gegenwärtige Rechtslage." Sie führe dazu, dass ein Raser bei einem tödlichen Wettrennen am Ku'Damm ähnlich wie ein Auftragsmörder bestraft werde, kommentierte der Vorsitzende Richter abschließend. Eine Strafbarkeitslücke besteht mittlerweile nicht mehr so eklatant, seit die im Oktober 2017 in Kraft getretene Vorschrift des § 315d StGB Freiheitsstrafen von bis zu zehn Jahren möglich macht, wenn durch ein Autorennen ein Mensch ums Leben kommt.

Den Ku'Damm-Rasern nutzt das nichts. Staatsanwalt Christian Fröhlich sagte gegenüber LTO, es sei "ein hartes Urteil, aber angemessen". Es habe sich um einen besonderen Einzelfall gehandelt. "Mordmerkmale sind einwandfrei erfüllt." Er verwies insbesondere noch einmal auf das Merkmal der Gemeingefährlichkeit, es hätte bei dem Zusammenstoß noch viel mehr Opfer geben können etwa durch herumfliegende Trümmerteile. Der Verteidiger von Marvin N., Rechtsanwalt Rainer Elfferding, wollte die Entscheidung gegenüber LTO nach der Verkündung nicht bewerten. Er werde aber Revision einlegen.

Wie der BGH die neue Entscheidung aus Berlin bewerten wird, bleibt abzuwarten. Die Karlsruher Richter hatten auch noch kritisch den gemeinsamen Tatentschluss diskutiert, den es für eine mittäterschaftliche Verurteilung braucht. Unabhängig davon werden in Zukunft aber vermutlich mehr Staatsanwälte Raser wegen Mordes anklagen. Das Zeichen, das hat das LG Berlin gesetzt.

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LG Berlin verurteilt Ku'-Damm-Raser wieder: . In: Legal Tribune Online, 26.03.2019 , https://www.lto.de/persistent/a_id/34595 (abgerufen am: 10.11.2025 )

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