Ausschluss des Widerrufsrechts bei Online-Datingportalen: Partner zum Run­ter­laden

von Thomas Rader

16.08.2016

Bezahlt man bei einem Dating-Portal für das Bereitstellen der Infrastruktur oder für die digitalen Inhalte? Das LG Berlin hat sich für Letzteres entschieden – mit unhaltbaren Folgen für das Widerrufsrecht von Verbrauchern, meint Thomas Rader.

Verbrauchern steht beim Kauf im Internet ein Widerrufsrecht zu. In dieser Form zumindest dürfte das vom Gesetzgeber für Fernabsatzverträge in § 312g Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) normierte Widerrufsrecht für Verbraucher beinahe jedem bekannt sein. Von den wesentlichen Ausnahmen, die das Gesetz in § 312g Abs. 2 BGB aufzählt, dürften die meisten Verbraucher wohl vor allem den Ausschluss bei auf Kundenwunsch individuell zugeschnittenen Waren und bei Hygieneartikeln kennen.

Folgt man der Auffassung des Landgerichts (LG) Berlin (Urt. v. 30.06.2016, Az. 52 O 340/15), haben  Verbraucher sich nunmehr auf eine weitere, praktisch wichtige Ausnahme einzustellen: Die Mitgliedschaft bei Online-Flirt bzw. Online-Dating Portalen.

Erlöschen des Widerrufsrechts bei Online-Dating-Portalen

Grund zur Besorgnis über eine Entwertung des Widerrufsrechts bietet das Urteil des LG Berlin deshalb, weil es nutzergenerierte Inhalte wie Profile, Fotos und Nachrichten als „digitale Inhalte“ im Sinne des Gesetzes wertete.

Für Verträge über die Lieferung digitaler Inhalte hat der Gesetzgeber mit § 356 Abs. 5 BGB Unternehmern die Möglichkeit eröffnet, das Widerrufsrecht des Verbrauchers zum Erlöschen zu bringen. Liegen digitale Inhalte im Sinne dieser Vorschrift vor und hat der Unternehmer mit der Ausführung des Vertrags begonnen, erlischt das Widerrufsrecht nach § 356 Abs. 5 BGB, wenn

1. der Verbraucher ausdrücklich zugestimmt hat, dass der Unternehmer mit der Ausführung des Vertrags vor Ablauf der Widerrufsfrist beginnt, und

2. der Verbraucher seine Kenntnis davon bestätigt hat, dass er durch seine Zustimmung mit Beginn der Ausführung des Vertrags sein Widerrufsrecht verliert.

Nach Einordnung der nutzergenerierten Inhalte als digitale Inhalte im Sinne des Gesetzes durch das Gericht haben Betreiber von Online-Dating-Portalen es zukünftig in der Hand, ihr Angebot als Lieferung von digitalen Inhalten zu deklarieren. Unter den gesetzlichen Voraussetzungen können sie somit ein Erlöschen des Widerrufsrechts und eine - unter Umständen langfristige - Bindung des Verbrauchers herbeiführen.

Wenn auch die Freude der Dating-Portal-Betreiber über dieses Urteil groß sein dürfte, überzeugt die Entscheidung nicht. Das Gericht lässt Sinn und Zweck des § 356 Abs. 5 BGB unberücksichtigt und verkennt, wen der Gesetzgeber mit dieser Vorschrift vor welchen Folgen hat schützen wollen.

Digitale Inhalte i.S.d. § 356 Abs. 5 BGB und der Schutz von Unternehmern vor Missbrauch des Widerrufsrechts

Der Begriff "digitale Inhalte" wird in § 312f Abs. 3 BGB legaldefiniert. Danach handelt es sich bei digitalen Inhalten um "nicht auf einem körperlichen Datenträger befindliche Daten, die in digitaler Form hergestellt und bereitgestellt werden". Artikel 2 Nr. 11 der Richtlinie 2011/83/EU (Verbraucherrechte-Richtlinie) definiert digitale Inhalte als "Daten, die in digitaler Form hergestellt und bereitgestellt werden". Dabei ergibt sich aus Erwägungsgrund (19) der Richtlinie, dass der Begriff "Digitale Inhalte" Daten bezeichnet,

"die in digitaler Form hergestellt und bereitgestellt werden, wie etwa Computerprogramme, Anwendungen (Apps), Spiele, Musik, Videos oder Texte, unabhängig davon, ob auf sie durch Herunterladen oder Herunterladen in Echtzeit (Streaming), von einem körperlichen Datenträger oder in sonstiger Weise zugegriffen wird."

Den genannten Beispielen nach ging es dem Gesetzgeber beim Ausschluss des Widerrufsrechts für digitale Inhalte offensichtlich darum, Unternehmer vor Missbrauch zu schützen, der sich daraus ergeben kann, dass beim Kauf von z.B. Software, Musik, eBooks oder Videos die Leistung vom Unternehmer häufig durch die einmalige Zurverfügungstellung des jeweiligen Downloads vollständig erbracht worden ist. Lädt der Verbraucher den betreffenden Inhalt herunter und erklärt anschließend den Widerruf, hat der Unternehmer in der Regel keinen Einfluss mehr darauf, ob der Verbraucher den heruntergeladenen Inhalt von seiner Festplatte löscht, oder trotz seines Widerrufs einfach weiter verwendet.

Zitiervorschlag

Thomas Rader , Ausschluss des Widerrufsrechts bei Online-Datingportalen: Partner zum Runterladen . In: Legal Tribune Online, 16.08.2016 , https://www.lto.de/persistent/a_id/20290/ (abgerufen am: 19.04.2024 )

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