Das Bundesarbeitsgericht hat einen mehrjährigen Streit rechtskräftig beendet: Die Spitzenorganisation der christlichen Gewerkschaften, die Tarifgemeinschaft Christlicher Gewerkschaften für Zeitarbeit und Personalserviceagenturen, ist nicht tariffähig. Auf viele Zeitarbeitsunternehmen und deren Kunden kann ihre Sparpolitik nun als Bumerang zurückkommen.
Die Tarifgemeinschaft Christlicher Gewerkschaften für Zeitarbeit und Personalserviceagenturen (CGZP) ist als Schmuddelkind der Gewerkschaftslandschaft verschriien. Lässt man die Konkurrenzsituation zu den Gewerkschaften des Deutschen Gewerkschaftbundes (DGB) außen vor, waren Grund hierfür vor allem die von den christlichen Gewerkschaften ausgehandelten Flächen- und Haustarifverträge.
Diese sahen – im Vergleich zu den Tarifwerken der Tarifgemeinschaft Zeitarbeit des DGB – zuweilen deutlich arbeitgeberfreundlichere Regelungen vor, bis hin zu Stundenlöhnen unter fünf Euro. Zudem galten sie in dem besonders sensiblen Bereich der Zeitarbeit. Dort eröffnen Tarifverträge den einzigen Weg aus dem Grundsatz des Equal-Pay.
Demnach benötigt ein Zeitarbeitsunternehmen, das seine Mitarbeiter nicht genauso entlohnen will wie vergleichbare Stammarbeitnehmer im jeweiligen Kundenbetrieb einen Tarifvertrag, der dies regelt. Angesichts des erheblichen Preiskampfes in der Branche fühlten sich nicht wenige, insbesondere kleine Zeitarbeitsunternehmen gezwungen, ihre Leiharbeitsverträge den Regelungen der günstigeren CGZP-Tarifverträge zu unterwerfen.
Nichtigkeit und Absicherung der CGZP-Regelungen
Der Beschluss des Bundesarbeitsgerichts (BAG) vom 14. Dezember 2010 (Az. 1 ABR 19/10) liegt bisher lediglich als Pressemitteilung vor. Klar ist danach zweierlei: Zum einen steht fest, dass die CGZP keine Tarifverträge abschließen kann. Das höchste deutsche Arbeitsgericht bestätigt damit die Entscheidungen der Vorinstanzen. Zum anderen lässt die Begründung erkennen, dass letztlich formelle Gründe die fehlende Tariffähigkeit tragen.
Insbesondere die Einordnung der CGZP als Dachverband – also nicht als Gewerkschaft - führt zur fehlenden Tariffähigkeit. So seien nicht sämtliche Mitgliedsgewerkschaften tariffähig, und die Zuständigkeit für die gewerbsmäßige Arbeitnehmerüberlassung gehe unzulässigerweise über den Organisationsbereich der Mitgliedsgewerkschaften hinaus. Bleibt es bei dieser Begründung, könnte hierin für einige Zeitarbeitsunternehmen ein Rettungsanker liegen.
In Erwartung der Entscheidung des BAG haben nicht wenige Unternehmen versucht, vorzubauen. Sie haben Tarifverträge nicht nur mit der CGZP, sondern gleichzeitig mit der für sie zuständigen, tariffähigen Mitgliedsgewerkschaft vereinbart. Ein Beispiel ist hier die für die Metall- und Elektrobranche zuständige Christliche Gewerkschaft Metall (CGM).
Nachzahlungen von bis zu drei Milliarden Euro möglich
Gerade die kleineren Zeitarbeitsunternehmen werden diesen Weg der Absicherung nicht gekannt und allein auf Tarifverträge der CGZP gebaut haben. Diese und ihre Kundenunternehmen müssen nun mit erheblichen Kosten rechnen.
Bleibt die Rechtsprechung ihren bisherigen Grundsätzen treu, sind die Scheintarifverträge der CGZP von Anfang an, das heißt rückwirkend unwirksam. Die Leiharbeitsverhältnisse wären so zu betrachten, als hätte es nie einen Tarifvertrag gegeben. Ohne Tarifvertrag greift wieder der Equal-Pay-Grundsatz. Statt nach dem Billigtarifvertrag hätten also sämtliche Leiharbeitnehmer von Anfang an genauso bezahlt werden müssen, wie die vergleichbaren Stammarbeitnehmer des Entleiherbetriebes.
Für wie lange die Leiharbeitnehmer die regelmäßig erhebliche Entgeltdifferenz geltend machen können, ist ungewiss. Zwar hat das Landesarbeitsgericht München (Urt. v. 12.11.2009, Az. 3 Sa 579/09) entschieden, dass sich Zeitarbeitsunternehmen auf Ausschlussfristen in Tarifverträgen des Kundenbetriebs berufen können. Gesichert ist diese Rechtsprechung jedoch nicht. Setzt sie sich nicht durch, gilt eine Verjährungsfrist von drei Jahren.
Zusätzliche Belastungen drohen durch Nachforderungen von Sozial- und Unfallversicherungsbeiträgen auf die bisher vorenthaltene Entgeltdifferenz. Schätzungen gehen davon aus, dass sich diese auf insgesamt 700 Millionen Euro belaufen. An anderer Stelle geht man gar von zwei bis drei Milliarden Euro aus. Eine Vielzahl vor allem kleinerer Zeitarbeitsunternehmen wird die nicht selten über bis zu vier Jahre aufgelaufenen Nachforderungen nicht erfüllen können. Geht das verleihende Zeitarbeitsunternehmen pleite, werden sich die Sozialversicherungsträger an die Kunden, also die entleihenden Betriebe, wenden. Diese haften bei Ausfall des Zeitunternehmens auf die Nachzahlung der Beiträge.
Dieses Risiko ist keinesfalls nur theoretisch. Der Sprecher der Rentenversicherung hat bereits im Vorfeld der Entscheidung erklärt, man sei darauf vorbereitet, Sozialversicherungsbeiträge nachzufordern. Die Phrase "Wer billig kauft, kauft zweimal" könnte sich im Zeitarbeitssektor damit im großen Stil bewahrheiten.
Die Autorinnen Dr. Gudrun Germakowski und Dr. Sandra Urban-Crell sind Rechtsanwältinnen und Fachanwältinnen für Arbeitsrecht einer internationalen Sozietät am Standort Düsseldorf.
Sandra Urban-Crell und Gudrun Germakowski, Leiharbeitsbranche : . In: Legal Tribune Online, 16.12.2010 , https://www.lto.de/persistent/a_id/2167 (abgerufen am: 13.10.2024 )
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