Equal Pay, Höchstüberlassungsdauer und Verbot des Einsatzes von Zeitarbeitnehmern als "Streikbrecher": Die geplanten Änderungen im Bereich des Fremdpersonaleinsatzes gehen in die richtige Richtung – mehr aber nicht, sagt Alexander Bissels.
Die Große Koalition ist dabei, die letzte in dieser Legislaturperiode noch anstehende arbeitsrechtliche Großbaustelle - nämlich die gesetzliche Re-Regulierung des Fremdpersonaleinsatzes (Arbeitnehmerüberlassung sowie Werk- und Dienstverträge) - abzuräumen. Am vergangenen Dienstag hat sich der Koalitionsausschuss auf weitere Änderungen des bereits im Februar 2016 angepassten Gesetzesentwurfes verständigt. Dabei konnte ein politischer Konsens erzielt werden, der inhaltlich immer noch nicht überzeugt.
Der Referentenentwurf in der Fassung vom 14. April 2016 soll nur nochmals im Sinne der Zeitarbeitsbranche angepasst werden, die strukturellen Probleme des geplanten Gesetzesvorhabens werden jedoch nicht gelöst.
Höchstüberlassungsdauer
Von der gesetzlich vorgesehenen Überlassungshöchstdauer von grundsätzlich maximal 18 Monaten sollen auch nicht-tarifgebundene Unternehmen ohne zeitliche Begrenzung durch tarifliche Öffnungsklauseln abweichen können. Von dem im Referentenentwurf noch enthaltenen "Deckel" von 24 Monaten kann abgewichen werden, wenn der Tarifvertrag für Betriebsvereinbarungen ausdrücklich eine abweichende Höchstgrenze festlegt. Nur wenn tariflich für Betriebsvereinbarungen keine eigene Höchstüberlassungsdauer vorgesehen ist, sollen nicht-tarifgebundene Unternehmen diese durch Betriebsvereinbarung bis auf höchstens 24 Monate verlängern können.
Bei der Berechnung der Höchstüberlassungsdauer wird die maßgebliche Unterbrechungszeit, deren Überschreitung dazu führt, dass Voreinsatzzeiten zurückgesetzt werden, von sechs auf drei Monate verkürzt. Dies hat zur Folge, dass bei einer "Aussetzung" des Einsatzes um mehr als drei Monate die Überlassungsdauer von neuem zu laufen beginnt und die jeweils relevante Höchstüberlassungsdauer erneut voll ausgeschöpft werden kann. Eine Zusammenrechnung mit Voreinsatzzeiten erfolgt in diesem Fall nicht.
Zwingendes Equal Pay
In dem Gesetzesentwurf ist außerdem vorgesehen, dass ab einer Überlassung von neun Monaten an einen Einsatzbetrieb grundsätzlich eine arbeitgeberseitige Pflicht besteht, den Zeitarbeitnehmer hinsichtlich des gezahlten Entgelts mit einem Stammbeschäftigten des Kunden gleichzustellen. Bisher war mit Blick auf die Berechnung der Einsatzdauer keine Übergangsfrist vorgesehen. Dies bedeutete, dass bereits ab dem ersten Januar 2017, dem Tag, an dem die geplanten Gesetzesänderungen in Kraft treten sollen, ein zwingender Anspruch auf Equal Pay entstehen kann, wenn ein Zeitarbeitnehmer zu diesem Zeitpunkt schon neun Monate an einen Einsatzbetrieb überlassen worden ist. Nach der Verständigung im Koalitionsausschluss soll der Entwurf dergestalt abgeändert werden, dass nur Überlassungszeiten nach dem Inkrafttreten des Gesetzes mitzählen sollen.
Die Arbeitgeber erhalten – wie auch bei der Höchstüberlassungsdauer - also eine Übergangsfrist, so dass der Anspruch auf ein zwingendes Equal Pay erst wesentlich später, nämlich frühestens ab ersten Oktober 2017 entstehen kann. Dieser Zeitpunkt kann sich noch weiter nach hinten schieben, da noch nicht abschließend geklärt ist, ob die geplanten gesetzlichen Änderungen tatsächlich schon zum ersten Januar 2017 oder erst zum ersten Juli 2017 in Kraft treten werden. Hier bleibt abzuwarten, welcher Zeitpunkt sich in dem noch vorzulegenden Gesetzesentwurf wiederfinden wird.
Einsatz als "Streikbrecher" verboten
Wie auch bei der Höchstüberlassungsdauer soll in Zusammenhang mit der gleichen Bezahlung die maßgebliche Unterbrechungszeit nunmehr von sechs auf drei Monate verringert werden. Wird dieser Zeitraum ohne Einsatz im Kundenbetrieb überschritten, startet der Zeitarbeitnehmer bei einer erneuten Überlassung an diesen mit Blick auf die anrechenbaren Zeiten wieder bei Null.
In dem Gesetzesentwurf ist ebenso ein Verbot vorgesehen, Zeitarbeitnehmer im Kundenbetrieb während eines Arbeitskampfes als Streikbrecher einzusetzen. Im Koalitionsausschluss hat man sich darauf verständigt, dass Zeitarbeitnehmer dann weiter überlassen werden dürfen, wenn sichergestellt ist, dass diese keine Aufgaben wahrnehmen, die bisher von streikenden Stammbeschäftigten verrichtet wurden.
2/2: Unternehmensmitbestimmung und Zollverwaltung
Zeitarbeitnehmern sollen zudem – so die Festlegungen im Koalitionsausschuss – bei der Bestimmung der Schwellenwerte der Unternehmensmitbestimmung des Kundenunternehmens nur noch mitzählen, wenn die Gesamtdauer der Überlassung sechs Monate übersteigt. Nach dem bisherigen Gesetzesentwurf sollten Zeitarbeitnehmer bereits ab dem ersten Tag des Einsatzes berücksichtigt werden.
Bisher sieht der Gesetzentwurf vor, dass die Zollverwaltung den Arbeitsschutzbehörden eine Mitteilung machen muss, wenn diese Verstöße gegen den Arbeitsschutz feststellt. Diese Regelung wird ersatzlos gestrichen.
Sinnvolle Änderungen, die nicht viel verbessern
Die Union konnte in der wohl letzten koalitionsinternen Diskussionsrunde der SPD noch einige Änderungen an dem vorgelegten Gesetzesentwurf abtrotzen. Dabei ist insbesondere zu begrüßen, dass es jetzt nicht nur bei der Höchstüberlassungsdauer, sondern auch beim Equal-Pay-Anspruch eine Übergangsfrist geben wird. Die beiden im Koalitionsvertrag vorgesehenen "harten Fristen" von neun (Equal Pay) und 18 Monaten (Höchstüberlassungsdauer) werden damit richtigerweise gleichgestellt.
Auch die erleichterte Möglichkeit für nicht-tarifgebundene Unternehmen, von der Höchstüberlassungsdauer durch eine Betriebsvereinbarung abzuweichen und die Einschränkung beim bisher absolut formulierten Verbot des Einsatzes von Zeitarbeitnehmern während eines Streiks beim Kunden sind positive Signale und demgemäß zu begrüßen.
Die strukturellen Probleme des Gesetzesentwurfes beseitigen aber auch die jüngeren, allenfalls als kosmetisch zu bezeichnenden Anpassungen nicht. So findet sich nach wie vor keine Definition von Equal Pay im Gesetz. Dieser Umstand wird die Personaldienstleister vor erhebliche organisatorische und administrative Herausforderungen stellen. Der Koalitionsausschluss hat auch – insoweit wenig überraschend – an der noch weniger überzeugenden Kombination einer Höchstüberlassungsdauer und einer gleichen Bezahlung festgehalten.
Höchstüberlassungsdauer konterkariert Equal-Pay-Gebot
Diese kann sich für Zeitarbeitnehmer nämlich nachteilig auswirken, wenn diese nach neun Monaten nach dem neuen Equal-Pay-Gebot mit Blick auf das Entgelt mit Stammbeschäftigten im Einsatzbetrieb gleichgestellt, aber nach 18 Monaten abgemeldet werden müssen, um sodann bei einem anderen Kunden des Personaldienstleisters für im Zweifel weniger Geld weiterbeschäftigt zu werden. Dass dieses "Konzept" nicht sinnvoll ist, bedarf keiner weiteren Erläuterung.
Auch werden in den vom Koalitionsausschuss abgesegneten Änderungen nicht die bisher im Gesetzesentwurf enthaltenen Regelungen "eingedampft", die über die Festlegungen im Koalitionsvertrag hinausgehen. Dies betrifft insbesondere die Berücksichtigung von Zeitarbeitnehmern bei Schwellenwerten der unternehmerischen Mitbestimmung beim Kunden, denn davon ist im Koalitionsvertrag keine Rede.
Von einer branchenverträglichen Lösung ist der noch zu überarbeitende Gesetzesentwurf bedauerlicherweise noch weit entfernt. Zwar ist dieser seit November 2015 an zahlreichen Stellen im positiven Sinne modifiziert worden, jedoch kann nach wie vor keine Rede davon sein, dass die Änderungen ausreichend sind. Es bleibt abzuwarten, ob im Gesetzgebungsverfahren weitere – aus Sicht der Zeitarbeitsbranche dringend notwendige – Anpassungen durchgesetzt werden können.
Dr. Alexander Bissels ist Partner und Fachanwalt für Arbeitsrecht bei CMS Hasche Sigle. Er berät Unternehmen auf sämtlichen Gebieten des Individual- und Kollektivarbeitsrechts, insbesondere zu Fragen im Bereich des Fremdpersonaleinsatzes. Er ist Autor zahlreicher Publikationen, u.a. Mitherausgeber eines Kommentars zum AÜG. Darüber hinaus hält er regelmäßig Vorträge zu aktuellen arbeitsrechtlichen Themen, u.a. mit Bezug zur Arbeitnehmerüberlassung.
Dr. Alexander Bissels, Koalition einigt sich auf Gesetzentwurf zur Re-Regulierung der Zeitarbeit: Kosmetik für die Kernprobleme . In: Legal Tribune Online, 13.05.2016 , https://www.lto.de/persistent/a_id/19383/ (abgerufen am: 29.03.2024 )
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