Druckversion
Freitag, 14.11.2025, 15:08 Uhr


Legal Tribune Online
Schriftgröße: abc | abc | abc
https://www.lto.de//recht/hintergruende/h/lehman-anleger-erhalten-daempfer-vom-bgh
Fenster schließen
Artikel drucken
6477

Neue BGH-Urteile zu Lehman-Zertifikaten : Beratungspflichten differenziert, Anleger frustriert?

von Stephan Bausch, D.U.

27.06.2012

Sinkende Börsenkurse

© Dan Race - Fotolia.com

Am Dienstag hat der BGH zum zweiten Mal zu Lehman-Zertifikaten verhandelt und vier anlegerfreundliche Urteile der Oberlandesgerichte Köln und Frankfurt aufgehoben. Die Klagen der Anleger sind damit aber noch nicht endgültig vom Tisch, denn die Instanzgerichte können nachbessern. Für andere Anleger gibt die Entscheidung aber wenig Anlass zur Hoffnung, kommentiert Stephan Bausch.

Anzeige

Nachdem der Bundesgerichtshof (BGH) am 27. September 2011 in den beiden Pilotverfahren die Revisionen eines ehemaligen Lehrers und der Betreiberin eines Schlankheitsstudios zurückgewiesen hatte, wurde mit Spannung erwartet, ob andere Anleger mit anderen Argumenten vor Gericht noch erfolgreich sein können.

Der für das Bankrecht zuständige XI. Zivilsenat hat im Verhandlungstermin vom Dienstag klargestellt, dass er zwar an seiner Rechtsprechung vom 27. September 2011 festhält, die in den nun verhandelten Fällen erhobenen Vorwürfe der Anleger aber weiter aufgeklärt werden müssen. Er hat die Verfahren daher an die Berufungsgerichte zurück verwiesen (Urt. v. 26.06.2012, Az. XI ZR 259/11, XI ZR 316/11, XI ZR 355/10, und XI ZR 356/10).

Die Kläger hatten über die nun beklagte Commerzbank zwischen 17.000 und 300.000 Euro in "Global Champion Zertifikate" investiert, die von einer niederländischen Lehman-Tochter ausgegeben und in Deutschland vertrieben wurden. Nach der Insolvenz der amerikanischen Investmentbank Lehman Brothers war das Geld verloren.

Vorteile aus Kommissionsgeschäft müssen nicht offengelegt werden

Anders als im vergangenen Jahr blieb es in den nun zur Entscheidungen stehenden Fällen zwischen den Parteien strittig, ob die Bank den Anlegern die Zertifikate wie ein gewöhnlicher Verkäufer von Waren verkauft hatte. Für diesen Fall hat der BGH im September letzten Jahres entschieden, dass eine Bank den Anleger nicht über ihre Gewinnmarge aufklären muss. Demgegenüber haben die Anleger in den nun verhandelten Verfahren behauptet, die Bank habe ihnen die Zertifikate nicht verkauft, sondern im Wege eines Kommissionsgeschäfts verschafft. Nach ihrem Vortrag hat die Commerzbank die Zertifikate also nicht bei Lehman Brothers gekauft, um sie ihren Kunden gegen ein höheres Entgelt weiterzuverkaufen. Vielmehr soll  die Bank die Zertifikate bei Lehman im eigenen Namen unmittelbar für Rechnung ihrer Kunden gekauft und für diese Geschäftsbesorgung – was unstrittig ist – Vertriebsprovisionen von Lehman erhalten haben. Hierüber hätte die Bank nach Meinung der Anleger aufklären müssen.

Dieser Auffassung ist der BGH jedoch nicht gefolgt. Auch bei einem Kommissionsgeschäft müssen beratende Banken ihre Kunden grundsätzlich nicht über Vertriebsprovisionen aufklären, die sie von der Emittentin erhalten.

Dies gilt allerdings nicht für solche Zahlungen von der Emittentin an die beratende Bank, für welche erstere  Vertriebsprovisionen verwendet, die ihr zuvor vom Anleger zugeflossen sind. Für solche heimlichen Geldrückflüsse aus Gebühren oder Provisionen, die der Anleger an einen Dritten zu zahlen glaubt, verbleibt es also bei der Rückvergütungs-Rechtsprechung des BGH. Zahlungen dieser Art gab es in den am Dienstag entschiedenen Fällen allerdings nicht.

Ausdrücklich offen lässt der Senat  die Frage, ob eine beratende Bank bei einem Kommissionsgeschäft erhaltene Provisionen offen legen muss, wenn der Anleger seinerseits eine Kommissionsgebühr an die Bank zahlt, was hier nicht der Fall war. In der mündlichen Verhandlung hatte der Senat eine solche Aufklärungspflicht noch als möglich bezeichnet. Denn der Kunde, der eine Kommissionsgebühr zahlt, dürfe davon ausgehen, dass die Bank allenfalls das verdient, was sie dem Kunden an Gebühren auch ausdrücklich in Rechnung stellt.

Zertifikat ist nicht gleich Zertifikat

Die Karlsruher Richter haben auch klargestellt, dass unterschiedliche Zertifikate verschiedene Anforderungen an die Aufklärung der Anleger zur Folge haben können.

Das gilt für die Funktionsweise der Zertifikate, insbesondere aber auch für die mit ihnen verbundenen Verlustrisiken. Anders als in den beiden im Jahr 2011 entschiedenen Pilotverfahren waren die Anleger in den am Dienstag  entschiedenen Fällen nicht nur einem Insolvenzrisiko von Lehman Brothers ausgesetzt.

Weitere Risiken bestanden mit Blick auf die Entwicklung von drei Aktienindizes. Fiel einer von ihnen im relevanten Zeitraum unter 60 Prozent seines Wertes im Startzeitpunkt, richtete sich die Wertentwicklung der Zertifikate nach der Wertentwicklung des Indizes, der seine Kursschwelle während der Laufzeit am weitesten unterschritt. Damit waren Anleger auch unabhängig vom Insolvenzrisiko der Emittentin einem theoretisch unbegrenzten Verlustrisiko ausgesetzt. Ob die Anleger auch über dieses Verlustrisiko ausreichend informiert wurden, müssen nun die Oberlandesgerichte prüfen.

Der Ausgang dieser Verfahren ist damit weiter offen. Ob andere Anleger, über deren Fälle noch nicht entschieden wurde, mit den neuesten BGH-Urteilen einem Ausgleich ihrer Verluste einen Schritt näher gekommen sind, ist allerdings zweifelhaft. Wesentliche Rechtsfragen zum Thema Zertifikate sind durch die Urteile des BGH vom 27. September 2011 im Sinne der Banken geklärt. Daran hat sich auch durch die neuen Entscheidungen aus Karlsruhe nichts geändert.

Der Autor Dr. Stephan Bausch, D.U., ist als Rechtsanwalt der internationalen Sozietät Freshfields Bruckhaus Deringer LLP im Bereich Konfliktlösung mit Schwerpunkt Bank- und Kapitalmarktrecht tätig.

  • Drucken
  • Senden
  • Zitieren
Zitiervorschlag

Stephan Bausch, Neue BGH-Urteile zu Lehman-Zertifikaten : . In: Legal Tribune Online, 27.06.2012 , https://www.lto.de/persistent/a_id/6477 (abgerufen am: 14.11.2025 )

Infos zum Zitiervorschlag
  • Mehr zum Thema
    • Bank- und Kapitalmarktrecht
    • Banken
    • Bankenkrise
    • Insolvenz
    • Wirtschaft
  • Gerichte
    • Bundesgerichtshof (BGH)
Anne Brorhilker 12.11.2025
Buchrezension

Rezension "Cum/Ex, Milliarden und Moral":

Anne Bror­hilker und die 40-Mil­li­arden-Steu­er­räuber

Wie man den Staat ausnimmt und es Rechtsanwendung nennt. Eine ehemalige Staatsanwältin, die den Fehler beging, ihren Beruf ernst zu nehmen, dokumentiert die Jagd nach dem größten Schatz der deutschen Rechtsgeschichte.

Artikel lesen
Demonstrant vor dem Supreme Court 06.11.2025
Zoll

Supreme Court muss entscheiden:

Darf Trump im Allein­gang Zölle ver­hängen?

Im Frühjahr verhängte Trump reihenweise Zölle gegen Dutzende Staaten und berief sich dabei auf ein altes Notstandsgesetz, um den Kongress umgehen zu können. Ob das rechtmäßig war, wird Amerikas oberstes Gericht bald entscheiden.

Artikel lesen
Logo der Sparkasse 03.11.2025
Parteien

Sparkasse Wetzlar unterliegt gegen Bezirksverband:

Giro­konto auch für ver­fas­sungs­feind­liche "Die Heimat"

Wieder einmal versucht sich Wetzlar gegen Rechts aufzustellen. Dieses Mal unterliegt die örtliche Sparkasse. Sie muss dem Bezirksverband Mittelhessen der verfassungsfeindlichen "Die Heimat" ein Girokonto eröffnen.

Artikel lesen
Blick auf ein Werk des französischen Zementherstellers Lafarge bei Ain Issa (Syrien). 03.11.2025
Terrorismus

Beginn der Hauptverhandlung im "Fall Lafarge":

Nur Busi­ness im Kriegs­ge­biet oder schon Ter­r­or­fi­nan­zie­rung?

Das Unternehmen Lafarge zahlte Geld an den IS, um in Syrien weiter produzieren zu können. Florian Jeßberger und Luca Hauffe über einen Prozess in Paris, der die Verantwortlichkeit von Unternehmen für Völkerrechtsverstöße in den Fokus rückt.

Artikel lesen
Landgericht Frankfurt am Main 23.10.2025
Cum-Ex

Fondsmanager stehen vor Gericht:

Nächster Cum-Ex-Pro­zess in Frank­furt

Vor dem LG Frankfurt hat die Hauptverhandlung in einem weiteren Cum-Ex-Strafverfahren begonnen. Angeklagt sind zwei Männer, die dem Fiskus einen Millionenschaden verursacht haben sollen. Sie handelten nicht allein.

Artikel lesen
Bundesjustizministerin Stefanie Hubig 17.10.2025
Unternehmen

Gesellschaft mit gebundenem Vermögen:

Jus­tiz­mi­nis­terin Hubig plant neue Rechts­form für Unter­nehmen

Eine neue Rechtsform soll Unternehmen helfen, nachhaltiger zu wirtschaften und Gewinne im Betrieb zu halten. Besonders für Mittelständler ohne Nachfolge soll sie eine neue Perspektive bieten.
 

Artikel lesen
ads lto paragraph
lto karriere logo
ads career people

Wir haben die Top-Jobs für Jurist:innen

Jetzt registrieren
logo lto karriere
TopJOBS
Logo von Osborne Clarke GmbH & Co. KG
Men­tee (w/m/d) für un­ser OCh­an­ce Men­to­ring- und Sti­pen­di­en­pro­gramm

Osborne Clarke GmbH & Co. KG , Ham­burg

Logo von Herbert Smith Freehills Kramer LLP
Rechts­an­wäl­te (m/w/d) Fi­nan­ce

Herbert Smith Freehills Kramer LLP , Frank­furt am Main

Logo von Clifford Chance Partnerschaft mbB
Rechts­an­wält*in (m/w/d) Pri­va­te Equi­ty

Clifford Chance Partnerschaft mbB , Frank­furt am Main

Logo von CMS Deutschland
Rechts­an­wäl­­te (m/w/d) für den Be­reich Cor­po­ra­te / Ven­tu­re Ca­pi­tal –...

CMS Deutschland , Ber­lin

Logo von Osborne Clarke GmbH & Co. KG
Men­tee (w/m/d) für un­ser OCh­an­ce Men­to­ring- und Sti­pen­di­en­pro­gramm

Osborne Clarke GmbH & Co. KG , Ber­lin

Logo von Herbert Smith Freehills Kramer LLP
Wis­sen­schaft­li­che Mit­ar­bei­ter (m/w/d) Cor­po­ra­te / M&A

Herbert Smith Freehills Kramer LLP , Frank­furt am Main

Logo von Baker McKenzie Rechtsanwaltsgesellschaft mbH von Rechtsanwälten und Steuerberatern
As­so­cia­tes (m/w/d) - Cor­po­ra­te (Re­or­ga­ni­sa­ti­on) / M&A

Baker McKenzie Rechtsanwaltsgesellschaft mbH von Rechtsanwälten und Steuerberatern , Frank­furt am Main

Logo von CMS Deutschland
Rechts­an­wäl­­te (m/w/d) für den Be­reich Cor­po­ra­te / M&A

CMS Deutschland , Köln

Mehr Stellenanzeigen
logo lto events
Arbeitsrecht in der Insolvenz aus Arbeitnehmersicht (5 Stunden)

21.11.2025

Entzug der Fahrerlaubnis insbesondere im Verwaltungsverfahren (5 Zeitstunden)

21.11.2025

Logo von Hagen Law School in der iuria GmbH
Fachanwaltslehrgang Arbeitsrecht im Fernstudium/ online

21.11.2025

7. Fortbildungsseminar zur Datenschutzgrundverordnung (DSGVO)

27.11.2025, Triesen

NomosWebinar: KI im Arbeitsverhältnis – Rechte, Pflichten und Grenzen

27.11.2025

Mehr Events
Copyright © Wolters Kluwer Deutschland GmbH