Wieder einmal versuchen grüne Bundestagsabgeordnete, den Anbau und Konsum von Cannabis für den Eigengebrauch zu legalisieren. Einmal mehr listen sie die altbekannten Argumente auf. Dabei springen sie erneut inhaltlich zu kurz und übersehen neben den möglichen negativen Folgen für Konsumenten auch, dass Deutschland das Kiffen aus rechtlichen Gründen gar nicht legalisieren könnte, meint Dieter Müller.
Hintergrund der Gesetzesinitiative ist unter anderem die seit dem 1. Mai geltende Verpflichtung niederländischer Coffeeshops, Nicht—Inländern den Zutritt zu ihren Lokalen zu untersagen.
Die Grünen greifen mit ihrem Vorschlag fraglos vorhandene Widersprüche rund um das Thema Cannabis auf. Zitiert werden eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) von 1994 und ein Gutachten des Freiburger Max-Planck-Institutes für ausländisches und internationales Strafrecht (MPI) aus dem Jahr 2006. Sowohl das BVerfG als auch das MPI prangern zu Recht die unterschiedliche Einstellungspraxis der Staatsanwaltschaften beim Besitz geringer Mengen von Cannabis zum Eigenverbrauch an. Das MPI stellte eine willkürlich anmutende staatliche Kriminalisierung der Drogenbesitzer fest.
Eine Legalisierung soll dem nun, geht es nach Bündnis 90/Den Grünen, entgegen wirken. Dabei legen die Antragsteller beide Dokumente einseitig zugunsten ihrer Position aus. Weder das BVerfG noch die Freiburger Wissenschaftler empfehlen nämlich die Legalisierung des Handels mit Cannabis, sondern mahnen lediglich eine bundesweit einheitliche Einstellungspraxis an. Diese nicht zu vernachlässigende Gerechtigkeitslücke im Strafverfahren steht juristisch in keinem Zusammenhang mit einer Entkriminalisierung des Handels mit Haschisch.
Das zweite Argument der Legalisierungsbefürworter ist epidemiologisch fundiert: Die Kriminalisierung von Cannabis sei eine Folge der "vielfach widerlegten Annahme", es handele sich um eine Einstiegsdroge für den späteren Gebrauch härterer Substanzen. Haschisch sei inzwischen eine Alltagsdroge, die nicht gefährlicher als Alkohol sei. Ihre Kriminalisierung behindert in den Augen der Antragsteller eine wirksame Prävention und leistet einem Schwarzmarkthandel mit verunreinigten Produkten Vorschub.
Pervertierte Argumente
Fraglos fordert der exzessive Konsum der legalen Droge Alkohol jährlich weit mehr Tote als die illegale Droge Cannabis. Daraus ein Argument zugunsten einer Legalisierung zu entwickeln, liegt dennoch neben der Sache.
Vielmehr haben die staatlichen Bemühungen gegenüber der Volksdroge Alkohol versagt. Konsequenz muss sein, dort das System der Suchtprävention effektiver zu gestalten, nicht, an anderer Stelle in die gleiche Falle zu tappen.
Die Antragsteller lassen immerhin die mit dem Cannabiskonsum verbundenen Gesundheitsrisiken nicht unerwähnt. Sie pervertieren diese jedoch, wenn sie daraus Gründe für eine Legalisierung ableiten.
Vollkommen zu Recht stellen die Grünen fest, dass der Staat weit mehr Geld in die Repression, als in die Prävention investiert. Sie folgern daraus, dass die repressiven Mittel im Falle einer Legalisierung für präventive Zwecke freigesetzt werden könnten. Diese auf den ersten Blick charmante Argumentation setzt allerdings die Diskussion um die Legalisierung der Rauschdroge Cannabis auf ein falsches Gleis, weil sie eine nicht ausreichend alimentierte Prävention in einen direkten politischen Zusammenhang mit der Legalisierung stellt.
Dabei sollte es das Grundanliegen jeglicher Drogenprävention sein, die Persönlichkeit so zu stärken, dass der Genuss von Rauschdrogen nicht als alternative Strategie zur Bewältigung der Lebensprobleme oder zur Flucht aus der Realität begriffen wird.
Was die Antragsteller verschweigen: Deutschland kann nicht legalisieren
Deutschland darf den Eigengebrauch von Cannabis gar nicht legalisieren. Als Unterzeichner der UN-Konvention gegen narkotische Drogen, die der weltweiten Ächtung des Handels mit illegalen Drogen dient, hat sich Deutschland zuletzt 1988 völkerrechtlich verpflichtet, den Handel mit Cannabis strafrechtlich zu verfolgen. Sich von dieser Verpflichtung zu lösen, ist nur über die UNO in einem langen institutionellen Weg möglich und politisch unwahrscheinlich. Eine vergleichbare Bindung Deutschlands besteht innerhalb der Europäischen Union, deren Drogenstrategie ebenfalls sowohl restriktiv als auch repressiv ist.
Eine Legalisierung des Eigengebrauchs von Cannabis hätte zudem negative Folgen für die Sicherheit auf deutschen Straßen. Der von den Initiatoren verharmloste gelegentliche Gebrauch von Cannabis führt nämlich ab einer bestimmten Dosis zu einem Verlust der Fahreignung. Der überall in Deutschland festzustellende Anstieg von Drogenfahrten beweist, dass zahlreiche Konsumenten nicht zwischen Konsum und Fahren trennen können. Sie bedeuten ein unkalkulierbares Sicherheitsrisiko.
Schließlich bleiben die Initiatoren konkrete Antworten auf zahlreiche zentrale Fragen schuldig: Wie können Kinder und Jugendliche effektiv geschützt werden, wenn Cannabis wesentlich leichter, weil legal, erhältlich ist? Wie lässt sich der fließende Übergang vom legalen Eigengebrauch zu illegaler Produktion und Handel kontrollieren? Steigert die Legalisierung die Lebensqualität der bislang illegalen Konsumenten? Auf welche Weise entwickelt sich eine aufgeklärte Gesellschaft, wenn der Eigengebrauch von Cannabis legalisiert wird? Welche sozialen, medizinischen und epidemiologischen Langzeitfolgen brächte eine Legalisierung für eine komplexe und hoch technisierte Gesellschaft mit sich?
Dieser Fragenkatalog ließe sich problemlos fortsetzen. Glücklicherweise führen derartige Gesetzesinitiativen regelmäßig ins realpolitische Nirwana. Es bleibt die Frage nach dem tieferen Sinn derartiger politischer Vorhaben. Am Ende geht es den Abgeordneten wohl nur darum, eine vermeintlich sichere Wählerklientel zu bedienen, die ihre Rauschbedürfnisse zukünftig legal befriedigen möchte.
Der Autor Prof. Dr. Dieter Müller ist wissenschaftlicher Leiter des Instituts für Verkehrsrecht und Verkehrsverhalten Bautzen und Autor zahlreicher Publikationen zum Verkehrsrecht.
Dieter Müller, Legalisierung von Cannabis: . In: Legal Tribune Online, 04.07.2012 , https://www.lto.de/persistent/a_id/6521 (abgerufen am: 12.11.2024 )
Infos zum Zitiervorschlag