Rundfunkrechtler kritisiert Entscheidung des SWR: "Die AfD könnte klagen"

Auf Druck von SPD und Grünen hat der SWR die AfD nicht wie geplant zur TV-Debatte vor den Landtagswahlen in Baden-Württemberg und Rheinland Pfalz eingeladen. Eine nicht nur journalistisch falsche Entscheidung?

Am 13. März wird in Baden-Württemberg und Rheinland Pfalz gewählt. Drei Tage vorher richtet der Südwestrundfunk (SWR) Livedebatten der Spitzenkandidaten beider Länder im Fernsehen aus. Dort sollte auch die Alternative für Deutschland (AfD) vertreten sein, die nach aktuellen Umfragewerten bei acht (Rheinland Pfalz) bzw. elf (Baden-Württemberg) Prozent liegt, höchstwahrscheinlich also in beide Landesparlamente einziehen wird. Aktuell ist sie dort noch nicht vertreten.

Das war für den SWR in der Vergangenheit allerdings kein Grund, Parteivertreter nicht einzuladen. Vor den Wahlen 2011 lud er auch die Grünen und die Linkspartei ein, obwohl zum damaligen Zeitpunkt nur die Grünen im Landtag saßen, und auch das nur in Baden-Württemberg.

Genauso wollte der Sender diesmal auch mit der Alternative für Deutschland verfahren. Doch als der baden-württembergische Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) und die rheinland-pfälzische Ministerpräsidentin Malu Dreyer (SPD) erklärten, sie würden die Sendung in dem Fall boykottieren, knickte der Sender ein. Mit "zusammengebissenen Zähnen" habe man die Erklärung zur Kenntnis genommen, so der zuständige Intendant Peter Boudgoust. Die Entscheidung der Regierungsparteien halte er für falsch, aber ohne ihre Teilnahme wäre die Debatte eine Farce. "Wir machen es so, weil wir uns an zwei Grundsätzen zu orientieren haben - dem gesetzlichen Informationsauftrag und der Verpflichtung zur Chancengleichheit", so die Erklärung.

Auswahlkriterien müssen stimmig sein

In den Medien stieß die Entscheidung auf einhellige Kritik: Redaktionen dürften sich ihr Programmkonzept nicht von der Politik diktieren lassen. Aus Protest gegen den Druck der Parteien und das Nachgeben des Senders erklärte sodann am Donnerstag die CDU-Landeschefin Julia Klöckner, dass sie nun ihrerseits nicht teilnehmen werde. Die Debatte in Rheinland-Pfalzdürfte damit insgesamt in Frage stehen – neben der CDU sind dort nur die SPD und die Grünen im Landtag vertreten. Der baden-württembergische CDU-Kandidat Guido Wolf will nach Informationen der FAZ indes weiterhin teilnehmen.

Der Direktor des Mainzer Medieninstituts Prof. Dieter Dörr hält die Entscheidung des SWR nicht nur in journalistischer Hinsicht für misslungen. Öffentlich-rechtliche Rundfunksender könnten zwar prinzipiell frei entscheiden, wen sie einladen und wen nicht – "aber das Konzept muss dem Grundsatz der Chancengleichheit und der Staatsferne genügen". Er verweist auf ein Urteil des Bundesverfassungsgerichts (v. 30.08.2002, Az. 2 BvR 1332/02).

Damals hatte Guido Westerwelle als Spitzenkandidat der FDP sich gegen seine Nicht-Einladung zum Kanzlerduell von ARD und ZDF gewehrt. "Zwar ohne Erfolg," sagt Dörr, aber der Unterschied bestehe darin, dass die Sender damals ein in sich schlüssiges Programmkonzept gehabt hätten, wonach nur die beiden Kandidaten auftreten sollten, die realistische Aussichten hatten, Bundeskanzler zu werden. "Wenn der SWR seiner Auswahl von Anfang an ein ähnliches, nachvollziehbares Relevanzkriterium, nach dem die AfD ausscheidet, zugrunde gelegt hätte, wäre das juristisch kein Problem gewesen – der MDR beispielsweise lädt auch nur Kandidaten von aktuell im Landtag vertretenen Parteien ein. Aber das Konzept des SWR war gerade ein anderes; dieses dann im Nachhinein gezielt den Wünschen und Interessen der Regierungsparteien anzupassen, halte ich für eine Verletzung der erwähnten Grundsätze", so der Medienrechtler.

Politik darf nicht in redaktionelle Freiheit eingreifen

Seiner Ansicht nach hätte ein verwaltungsgerichtlicher Eilantrag der AfD, notfalls gefolgt von einem weiteren vor dem Landesverfassungsgericht, daher Aussicht auf Erfolg - "auch wenn es dazu wohl eher nicht kommen wird – die Werbewirkung dieser Geschichte ist für die Partei ja ganz erheblich."

Den im Zuge der Debatte aufgekommenen Vorwurf politischer Einflussnahme auf den öffentlich-rechtlichen Rundfunk auch jenseits der SWR-Affäre hält Dörr im Grundsatz nicht für falsch, im Detail aber für überzogen: "Dass die Parteien und staatlichen Vertreter Einfluss ausüben, ist ja selbstverständlich – sie schaffen schließlich den gesetzlichen Rahmen und sitzen im Rundfunkrat, der die Intendanten der Sendeanstalten wählt. Dort dürfen sie aber seit der ZDF-Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts aus 2014 nur noch gemeinsam maximal ein Drittel der Gremienmitglieder stellen; beim SWR ist dies auch schon umgesetzt."

Zudem ist der Einfluss der Rundfunkräte nur ein mittelbarer: Der Rundfunkrat berät den Intendanten bei allen programmrelevanten Fragen. Dass gewisse Wunschvorstellungen zur Programmgestaltung von staatlichen oder einer Partei angehörenden Gremienmitgliedern sanft oder auch nachdrücklich signalisiert würden, komme allerdings vor. "Deshalb ist es auch so wichtig, selbstbewusste Intendanten und Chefredakteure zu haben, die sich in ihre redaktionelle Unabhängigkeit nicht reinreden lassen. Denn kaum etwas ist für das Vertrauen in den öffentlich-rechtlichen Rundfunk so fatal, wie wenn der Eindruck entsteht, er sei Sprachrohr der Regierung."

Zitiervorschlag

Constantin Baron van Lijnden, Rundfunkrechtler kritisiert Entscheidung des SWR: . In: Legal Tribune Online, 22.01.2016 , https://www.lto.de/persistent/a_id/18235 (abgerufen am: 15.10.2024 )

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