Lufthansa-Piloten müssen weiterhin am Flughafen ihre Uniformmützen tragen; eine arbeitsrechtliche Pflicht, die für die Kolleginnen nicht gilt. Im Gegensatz zur Vorinstanz sah das LAG Köln darin am Montag keine Benachteiligung von Männern. Will er in Zukunft mützenlos fliegen, muss der klagende Pilot nun vors Bundesarbeitsgericht ziehen.
Wenn sich Richter mit Schiebermützen, fettigen Haaren und bunt lackierten Fingernägeln beschäftigen müssen, kann das leicht ins Skurrile ausarten. In aller Ernsthaftigkeit werden dann Argumente wie die historische Bedeutung einer Pilotenmütze und ihre Auswirkung auf weibliche Damen-Haarschnitte auf ihre Stichhaltigkeit hin untersucht und schließlich mit der persönlichen Freiheit des Arbeitnehmers und Aspekten der Geschlechtergleichheit abgewogen.
Am Montag waren es die Richter des Landesarbeitsgerichts (LAG) Köln, die mit einem Piloten konfrontiert waren, der seine Mütze nicht tragen will, und einer Fluggesellschaft, die darauf beharrte, dass er eben dies tue. Der Mann fühlte sich wegen seines Geschlechts diskriminiert, weil seine Kolleginnen im Gegensatz zu ihm einer Mützenpflicht nicht unterliegen. Die Fluggesellschaft Lufthansa wiederum verwies auf die traditionelle Zugehörigkeit der Cockpit-Mütze zur Uniform des männlichen Piloten.
Der Streit konnte in erster Instanz nicht beigelegt werden. Dort gewann der Pilot. Die Fluggesellschaft wollte sich nicht geschlagen geben, legte Berufung ein und hatte damit am Montag jedenfalls für den Moment Erfolg. Die Kölner Arbeitsrichter sehen keine Diskriminierung in der Mützenpflicht nur für Männer (Urt. v. 29.10.2012, Az. 5 Sa 549/11).
Viel Applaus in Pilotenforen
Der klagende Pilot sollte eigentlich von München nach New York fliegen. Während der Flugvorbereitung fragte ihn sein Vorgesetzter, ob er seine Mütze bei sich führe. Der Pilot verneinte und wies darauf hin, dass die Mützenpflicht gegen das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) verstoße. Die Folge: Er musste am Boden bleiben und ein anderer durfte an seiner statt nach New York fliegen – obwohl auch der Kollege seine Mütze nicht dabei hatte.
"Ich bin damals vom Flug abgesetzt worden, das ist etwas, was eigentlich nur aus Sicherheitsgründen geschieht. Ich denke, das war auch eine persönliche Sache des Kommandanten gegen mich," erklärte der Pilot in der mündlichen Verhandlung. Er blieb bei seiner Meinung, die Lufthansa bei ihrer. Das Unternehmen wies den Piloten auf seine arbeitsvertraglichen Pflichten hin und drohte mit arbeitsrechtlichen Maßnahmen, sollte sich der Fall wiederholen.
Nach der internen Betriebsvereinbarung "Dienstbekleidung" müssen männliche Piloten die Cockpit-Mütze in dem der Öffentlichkeit zugänglichen Flughafenbereich tragen. Weibliche Piloten dagegen können die Mütze tragen, müssen aber nicht. Für sie gehört die Kopfbedeckung nicht zur vollständigen Uniform.
Die Mütze hatte der Kläger damals wohl absichtlich nicht dabei. Den Konflikt wollte er austragen. In internen Piloten-Foren habe er dafür relativ viel Applaus bekommen.
Lufthansa: "Sieht doch auch ganz gut aus, so eine Mütze"
Das Arbeitsgericht (ArbG) Köln hatte noch festgestellt, was auch immer die Fluggesellschaft für die Mützenpflicht vortrage, entwerte sie selbst dadurch, dass sie es gleichzeitig in das Ermessen des Kommandanten stelle, ob die Piloten die Kopfbedeckung tragen müssten. Damit toleriere die Fluggesellschaft schließlich, dass das männliche Cockpit-Personal ohne Mütze auftritt.
Höchst selten werde diese überhaupt getragen, behauptet denn auch der Kläger, der in zweiter Instanz nur noch festgestellt wissen wollte, dass er nicht dazu verpflichtet ist, die Kopfbedeckung zu tragen. Der Prozessvertreter von Lufthansa, Dirk Freihube, sah das am Montag in der mündlichen Verhandlung vor dem LAG Köln selbstverständlich anders. Er achte seit dem Verfahren verstärkt auf die Kopfbedeckung von Piloten: "Fast jeder trägt sie. Sieht doch auch ganz gut aus, so eine Mütze."
Die bloße Optik interessierte die Richter wohl weniger. Dennoch folgten sie mit ihrem Urteil der Argumentation der Lufthansa. Schon in der mündlichen Verhandlung deutete der Vorsitzende Jochen Sievers Zweifel daran an, ob überhaupt eine Benachteiligung vorliege. Für entscheidend hielt er, ob nur die Kopfbedeckung oder die Uniform als Ganzes betrachtet werde.
"Sehen wir uns nur die einzelnen Teile der Uniform an, ist die Sache klar. Eine Ungleichbehandlung liegt vor. Betrachten wir aber die gesamte Uniform, müssen wir feststellen, dass es für Männer eben eine andere Uniform gibt als für Frauen." Wollte man schon darin eine Ungleichbehandlung sehen, wären in der Konsequenz unterschiedliche Uniformen gar nicht mehr möglich. "Bezweckt das AGG das?"
Seite 2/2 LAG Köln: Unterschiedliche Uniformen für Männer und Frauen kein AGG-Verstoß
Das Urteil beantwortet die Frage nun mit Nein. Die Richter schlossen sich damit dem Lufthansa-Anwalt Freihube an, der zuvor ausgeführt hatte: "Frauen und Männer kleiden sich nun mal unterschiedlich."
Es kam damit nicht mehr auf mögliche Rechtfertigungsgründe für die Mützenpflicht an, die das ArbG Köln in erster Instanz noch erörtert hatte (Urt. v. 05.04.2011, Az. 12 Ca 8659/10). Historische Gesichtspunkte und die damit vielleicht verbundene Erwartung der Öffentlichkeit an ein bestimmtes äußeres Auftreten des männlichen Piloten spielten also ebenso wenig eine Rolle für die Beurteilung der Kammer wie etwaige Schwierigkeiten mit den unterschiedlichen Frisuren von Frauen und Männern beim Tragen der Mützen.
Der Anwalt des Piloten, Bahram Aghamiri, befürchtet dagegen Abgrenzungsschwierigkeiten. Das Gericht verkenne mit dieser Argumentation außerdem, dass es für die männliche Mützenpflicht kein weibliches Gegenstück gebe, also nicht wie bei der Krawatte des Mannes, deren Pendant für Frauen das Halstuch sei.
LAG Köln zu Fingernägeln, Haarteilen und Unterwäsche
Es ist nicht das erste Mal, dass sich das LAG Köln mit dem äußeren Erscheinungsbild von Flugpersonal beschäftigen muss. Bereits im August 2010 fiel eine Entscheidung, die sich mit Farbe und Länge von Fingernägeln, der Natürlichkeit und Sauberkeit der Haarpracht sowie der Angemessenheit von Unterwäsche beschäftigen musste (LAG Köln, Beschl. v. 18.08.2010, Az. 3 TaBV 15/10). Diese Regeln für das äußere Erscheinungsbild der Mitarbeiter entstammten der Betriebsvereinbarung eines Unternehmens, das am Flughafen Köln/Bonn die Fluggäste kontrollierte.
Damals stellten die Richter fest, dass das Tragen eines Haarteils für das Selbstwertgefühl eines unter frühem Haarverlust leidenden Mannes von erheblicher Bedeutung sein könne. Die Betriebsvereinbarung, die solche Teilperücken untersagte, greife daher unverhältnismäßig in die Freiheit des Arbeitnehmers ein, sich während der Arbeit so zu kleiden, wie es den persönlichen Wünschen und Bedürfnissen entspreche.
Eine fettige Haarpracht dagegen durfte der Arbeitgeber verbieten. So hieß es in der Betriebsvereinbarung, dass Mitarbeiter ihre Haare grundsätzlich sauber und niemals ungewaschen oder fettig zu tragen haben. Vor Dienstbeginn habe außerdem eine Komplettrasur zu erfolgen, wahlweise könne ein gepflegter Bart getragen werden. Auch das sei verhältnismäßig, so das Kölner LAG im vergangenen Jahr, ganz unabhängig davon, dass die meisten Mitarbeiter wohl auch ohne eine solche Vorgabe selbständig Wert aufs Waschen legen dürften.
Die Sache mit der Unterwäsche hielt das Gericht ebenfalls für gerechtfertigt. Das Sicherheitsunternehmen weise zu Recht darauf hin, dass die in seinem Eigentum stehenden Blusen und Hemden geschützt und weniger schnell abgenutzt würden, wenn wie vorgeschrieben Unterwäsche darunter getragen werde. Dabei bleibe den Mitarbeiterinnen schließlich auch die Wahl zwischen mehreren Wäschestücken. Der Arbeitgeber schreibe keineswegs konkret vor, ob sie Büstenhalter, Bustiers oder Unterhemden zu tragen hätten.
Bei der Pilotenmütze bleibt den männlichen Piloten keine Wahl und da er "nun mal nichts gerne auf dem Kopf" trägt, wird der Kläger vielleicht tatsächlich bis zum Bundesarbeitsgericht nach Erfurt gehen und gegen die blau-goldene Kopfbedeckung mit Schirm kämpfen. Das LAG ließ die Revision jedenfalls zu.
Claudia Kornmeier, Mützenpflicht für Piloten kein AGG-Verstoß: "Männer und Frauen kleiden sich nun mal unterschiedlich" . In: Legal Tribune Online, 29.10.2012 , https://www.lto.de/persistent/a_id/7416/ (abgerufen am: 19.04.2024 )
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