Der BGH hat die Kündigung eines Pressegrossisten durch die Bauer Media Group gebilligt. Die Kündigung von 2009 sei weder unwirksam noch habe die gekündigte Heinz-Ulrich Grade KG einen gesetzlichen Belieferungsanspruch, hieß es in dem am Montag veröffentlichten Urteil. Nach der Entscheidung ist eines klar: Auf die monopolverwöhnten Pressegrossisten kommen härtere Zeiten zu.
Der Vorsitzende Richter des Kartellsenats beim Bundesgerichtshof (BGH), Klaus Tolksdorf, wollte das mit Spannung erwartete Urteil zwar als Einzelfall qualifizieren. Aber auch er musste zugeben, dass die Entscheidung (Urt. v. 24.10.2011, Az.: KZR 7/10 ) "langfristig womöglich nicht nur unerhebliche Folgen" haben werde, wie er bei der Urteilsverkündung in Karlsruhe sagte. Der Präsident des höchsten deutschen Zivilgerichts verwies außerdem auf den Gesetzgeber. Er könne sich überlegen, neue Gesetze zum Schutze des Pressegrosso einzurichten.
Bisher war die Branche der Pressegrossisten erfolgsverwöhnt, denn Kündigungen kamen in der 40-jährigen Geschichte des Pressegrosso bisher so gut wie nicht vor. Seit den 1970-er Jahren bezieht der Großhandel Zeitungen und Zeitschriften von den Verlagen und verteilt sie an die rund 120.000 Verkaufsstellen des Einzelhandels. Die derzeit etwa 70 Pressegrossisten sind vorwiegend mittelständisch organisiert, verlagsunabhängig und haben das Monopol in ihrem jeweiligen Vertriebsgebiet. 2004 bekannte sich die Branche auf Anregung der damaligen Bundesregierung in einer Gemeinsamen Erklärung zu dem Vertriebssystem.
Mit diesem System sollte erreicht werden, dass die Presseerzeugnisse aller Verlage überall erhältlich sind. Die großen Verlage sollten ihre Marktmacht nicht ausnutzen können, um vorwiegend ihre Erzeugnisse in die Kioske zu bringen.
Bauer kündigte Grade ohne sachlichen Grund
Mit dieser Tradition brach die Bauer Media Group, die mit Titeln wie "Bravo" und "TV-Movie" zu den größten deutschen und europäischen Zeitschriftenverlagen gehört. Der Verlag kündigte der im schleswig-holsteinischen Elmshorn ansässigen Heinz-Ulrich Grade KG 2009, ohne einen sachlichen Grund zu nennen. Seitdem vertreibt Bauer seine Zeitschriften in Südwestholstein über eine 100-prozentige Tochterfirma.
Dagegen hatte Grade geklagt. Der Unternehmer wollte die Kündigung für unwirksam erklären lassen und erreichen, dass er weiter von Bauer beliefert wird. Das Unternehmen berief sich unter anderem auf die Gemeinsame Erklärung, die Kündigungen nur bei Vorliegen eines sachlichen Grundes erlaubt. Das Oberlandesgericht Schleswig sah das aber anders und hielt die Kündigung für wirksam.
Die Gemeinsame Erklärung belege zwar eindrucksvoll, welche Bedeutung die Bundesregierung dem System beimesse, so Tolksdorf in der Urteilsverkündung. Grade könne darauf jedoch keinen Belieferungsanspruch begründen. Denn Bauer sei der Erklärung nicht beigetreten.
Grade befürchtet erheblichen Druck auf die Grossisten
Auch eine verbotene Diskriminierung konnte der BGH in der Kündigung nicht sehen. Soweit Bauer Pressegrossisten in anderen Gebieten beliefere, beeinträchtige das Grade nicht, hieß es. Jedes Unternehmen könne den Vertrieb seiner Produkte außerdem selbst übernehmen. Die Preisbindung werde durch die Kündigung ebenfalls nicht gefährdet, kleine Verlage nicht am Marktzutritt gehindert. Das zeige sich in Hamburg und Berlin, wo jeweils zwei Grossisten gleichzeitig tätig seien.
Der Eigentümer des gekündigten Grossisten, Alexander Grade, zeigte sich schockiert von dem Urteil. Verlage, die der Erklärung nicht beigetreten seien, könnten jetzt erheblichen Druck auf die Grossisten ausüben, sagte er nach der Urteilsverkündung in Karlsruhe. Die Folge sei, dass die Neutralität der Grossisten gefährdet sei. Seine Firma habe nach der Kündigung durch Bauer schon gespürt, dass auch andere Verlage Druck ausüben wollten. Dies alles habe zur Folge, dass sein Unternehmen 2012 fusionieren müsse.
Der Verband Deutscher Zeitschriftenverleger (VDZ) bekannte sich in einer ersten Erklärung zu dem System. Das Urteil werde sich hoffentlich nicht negativ auf das Grosso-System auswirken, hieß es. Der VDZ verwies darauf, dass fast alle Zeitschriftenverlage in diesem Jahr neue, mehrjährige Handelsspannenvereinbarungen mit dem Bundesverband Presse-Grosso getroffen haben. Dabei sei auch auf die gemeinsame Erklärung von 2004 Bezug genommen worden, die eine Kündigung nur bei Vorliegen eines sachlichen Grundes vorsehe.
Diana Niedernhöfer (dni)
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Kündigung des Bauer-Verlags wirksam: . In: Legal Tribune Online, 24.10.2011 , https://www.lto.de/persistent/a_id/4642 (abgerufen am: 08.10.2024 )
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