Als Terraform Labs zusammenbrach, bebte die Welt der Kryptowährungen: 45 Milliarden Dollar einfach weg. Die Ereignisse um das Start-up und seinen Gründer Do Kwon wären Futter für einen Wirtschaftskrimi, zeigt Sebastian Brill.
Das international viel beachtete juristische Tauziehen um die Auslieferung des Kryptowährungs-Gründers Kwon Do-Hyung (Do Kwon), der Investoren um Milliarden betrogen haben soll, nahm in der deutschen Medienlandschaft bislang eine eher untergeordnete Rolle ein.
Dabei scheint die Angelegenheit alle Voraussetzungen für einen fesselnden und modernen Wirtschaftskrimi zu bieten: ein möglicher Krypto-Betrug in Milliardenhöhe, eine Festnahme mit falschen Pässen, politische Einflussnahme, zwei Großmächte, die von einem kleinen Balkanstaat Do Kwons Auslieferung forderten, und eine Trump-Administration, die es der US-Staatsanwaltschaft nicht einfacher macht – dieser Fall hat es in sich.
Szenegröße Do Kwon
In der Krypto-Szene ist der Name Do Kwon – "der König der Kryptowährungen" – als Mitbegründer von Terraform Labs bereits seit vielen Jahren bekannt. Das Start-up bot eine Zahlungsplattform, welche insbesondere für sogenannte Stablecoins genutzt wurde. Das sind Kryptowährungen, die an stabilere Vermögenswerte gebunden sind. Die daraus resultierende geringere Volatilität macht diese Art Kryptowährungen für den alltäglichen Gebrauch tauglich – daher der Begriff "Stable Coin".
Während Terraform Labs und die Kryptowährungen zunächst positive Resonanz erfuhren – TerraUSD wurde immerhin zur drittgrößten Stablecoin und Luna war unter den zehn größten Kryptowährungen –, brachen diese Währungen im Jahr 2022 überraschend und für Investoren völlig unerwartet ein. Innerhalb von nur einer Woche wurden dadurch etwa 40 bis 45 Milliarden Dollar an Marktkapitalisierung vernichtet und auf dem gesamten Kryptomarkt sollen durch Kettenreaktionen sogar Verluste von Hunderten Milliarden eingetreten sein. Vereinzelt soll es in der Republik Korea aufgrund des immensen Verlusts von Ersparnissen zu Suizidalität bei ehemaligen Investoren gekommen sein.
Do Kwon tauchte zunächst zeitnah nach dem Zusammenbruch unter. Amerikanische und südkoreanische Strafverfolgungsbehörden eröffneten daraufhin Ermittlungsverfahren aufgrund der Geschehnisse im Zusammenhang mit Terraform Labs, wobei bis heute unklar ist, ob ein möglicher südkoreanischer Haftbefehl der Grund für sein Verschwinden war.
Die Festnahme in Montenegro
Im Dezember 2022 haben die südkoreanischen Behörden zunächst vermutet, Do Kwon verstecke sich aufgrund eines fehlenden Auslieferungsabkommens in Serbien. Sogar die Financial Times und das südkoreanische Nachrichtenportal JoongAng Ilbo berichteten ausführlich über die Hintergründe der mutmaßlichen Flucht nach Serbien.
Tatsächlich tauchte Do Kwon im März 2023 in Podgorica, der Hauptstadt Montenegros, wieder auf. Von dort wollte er zusammen mit dem ehemaligen Finanzchef von Terraform Labs weiter nach Dubai fliegen, wies allerdings bei der Ausreise einen gefälschten Pass vor. Er trug während der Festnahme sowohl einen costaricanischen Pass als auch belgische Reisedokumente bei sich. Die montenegrinische Staatsanwaltschaft teilte öffentlich mit, dass die beiden Pässe unterschiedliche Namen und unterschiedliche Geburtsdaten aufwiesen.
Die montenegrinischen Behörden leiteten gegen den ehemaligen Finanzchef und Do Kwon ein Strafverfahren wegen des Gebrauchens gefälschter Pässe ein und ein montenegrinisches Gericht verurteilte die beiden schließlich zu viermonatigen Haftstrafen. Nach Verbüßung der Haft wurde dem Auslieferungsersuchen der Republik Korea hinsichtlich des ehemaligen Finanzchefs stattgegeben und es erfolgte die Auslieferung.
USA, Südkorea, Singapur: Alle fordern Auslieferung Do Kwons
Nach seiner Entlassung aus dem montenegrinischen Gefängnis untersagten die Behörden Do Kwon jedoch, das Land eigenständig zu verlassen. Insgesamt drei Auslieferungsersuchen erreichten die Behörden in Montenegro.
Zunächst ersuchten die südkoreanischen Strafverfolgungsbehörden die Auslieferung, da knapp 280.000 südkoreanische Investoren geschädigt worden seien. Des Weiteren soll Do Kwon auch in den USA sowohl zivilrechtlich als auch strafrechtlich belangt werden. Schließlich stellte auch Singapur ein Auslieferungsersuchen, wo Terraform Labs seinen Geschäftssitz hatte.
Do Kwons Auslieferung als Verhandlungsmasse?
Aufgrund etwaiger politischer Interventionen, um die Auslieferungsentscheidung zu den eigenen Gunsten zu entscheiden, spekulierten auch die montenegrinischen Medien, ob Do Kwon an Südkorea als Teil eines möglichen Handelsabkommens ausgeliefert werde.
Überaus spannend ist auch der Vorwurf des früheren Justizministers Montenegros, Andrej Milović. Dieser hat dem aktuellen Premierminister Milojko Spajić öffentlich vorgeworfen, aus eigennützigen Gründen versucht zu haben, Do Kwon nach Südkorea auszuliefern und die weitere Aufklärung des Falles zu vertuschen. So habe Do Kwon Spajić, als dieser selbst noch Finanz- und Sozialminister der Regierung von Montenegro war, mit Geldern für die bevorstehenden Wahlen unterstützt und somit den Weg zum Aufstieg geebnet. Das montenegrinische Medienunternehmen Vijesti hat sogar berichtet, dass Spajić 75.000 US-Dollar investiert habe, um im April 2018 750.000 Terra (LUNA) Token von dem Unternehmen zu kaufen. Spajić hat dagegen immer wieder betont, nie persönlich investiert zu sein.
Hin und Her vor der montenegrinischen Justiz
Im Zentrum des juristischen Konflikts standen nun die Auslieferungsansprüche der USA und Südkoreas. Montenegro hat weder mit den USA noch mit Südkorea ein Auslieferungsabkommen abgeschlossen. Deswegen wurde vor montenegrinischen Gerichten unerbittlich darüber gestritten, wer die im montenegrinischen Recht statuierten Voraussetzungen erfüllt und welchem der Auslieferungsersuchen Vorrang einzuräumen ist.
Mittlerweile haben unterschiedliche montenegrinische Gerichte insgesamt acht widersprüchliche Entscheidungen getroffen. Sämtliche Entscheidungen wurden immer wieder gerichtlich revidiert und aufgehoben. Mal sollte Do Kwon an die USA ausgeliefert werden, ein anderes Mal hob ein Gericht die Entscheidung auf und ordnete an, ihn an sein Heimatland Südkorea auszuliefern. Das Berufungsgericht argumentierte unter anderem, das Ersuchen der Republik Korea sei im direkten Vergleich früher eingetroffen, sodass nach dem Prioritätsprinzip nach dem Antrag der Republik Korea stattzugeben sei.
Der Streit zwischen dem montenegrinischen Justizministerium und dem Verteidigerteam Do Kwons durch sämtliche Instanzen gipfelte in einer Entscheidung des Vrhovni sud Crne Gore, also des Obersten Gerichtshofs von Montenegro. Danach obliegt die Entscheidung über die Auslieferung dem montenegrinischen Justizminister. Am 27. Dezember 2024 erklärte dieser, dass Do Kwon an die USA ausgeliefert werden solle. Das Justizministerium teilte in einer Erklärung mit, dass die Mehrheit der gesetzlich vorgeschriebenen Kriterien für das Auslieferungsersuchen der USA spreche.
Gleichzeitig lehnte der Justizminister das Auslieferungsersuchen der Republik Korea ab. Zu diesem Zeitpunkt wurde noch kein konkreter Zeitpunkt für die Auslieferung festgelegt.
Nach der Festnahme in Podgorica im März 2023 dauerte es bis zur endgültigen Entscheidung des montenegrinischen Justizministers über eineinhalb Jahre. Umso überraschender war die Mitteilung, dass Do Kwon bereits vier Tage später, nämlich noch am 31. Dezember 2024 – medienwirksam und mit verbundenen Augen - an die Strafverfolgungsbehörden der USA übergeben wurde. Auch ein Antrag auf Erlass vorläufiger Maßnahmen (sogenannte interim measures) beim Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) blieb damit am Ende erfolglos und konnte die Entscheidung des Justizministers nicht mehr aufhalten.
US-Staatsanwälte äußern sich zu Pro-Krypto-Memo
Die Auslieferung an die USA scheint somit das vorzeitige (montenegrinische) Ende eines langen und überaus spannenden juristischen Schlagabtauschs zu sein. Das Tauziehen um Do Kwon war jedenfalls keine koordinierte internationale Antwort auf ein (mögliches) gigantisches Finanzverbrechen. Der Wirtschaftskrimi dürfte für Do Kwon allerdings noch nicht beendet sein, immerhin drohen ihm in den USA viele Jahre Gefängnis.
Aber auch hier bahnt sich neuerdings ein Konflikt an. Das Justizministerium der Vereinigten Staaten hat am 7. April 2025 ein Memorandum veröffentlicht, wonach von der Strafverfolgung von Kryptounternehmen abzusehen sei. In diesem Zusammenhang wurde die Krypto-Strafbehörde NCET (National Cryptocurrency Enforcement Team) mit sofortiger Wirkung aufgelöst. Erst vor wenigen Tagen äußerte sich der leitende Staatsanwalt in dem Fall und teilte mit, dass das Memo keinen Einfluss auf das Strafverfahren gegen Do Kwon habe und man die Anklage auch nicht ändern werde. Das Gericht hat den Prozessbeginn nun von Januar auf den 17. Februar 2026 verschoben.
Sebastian Brill ist Rechtsanwalt und Fachanwalt für Strafrecht mit Standorten in Hannover, Berlin und Hamburg.
Der Krypto-König Do Kwon: . In: Legal Tribune Online, 21.04.2025 , https://www.lto.de/persistent/a_id/57029 (abgerufen am: 14.05.2025 )
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