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Kritik an BGH-Judikatur zum Grundstücksrecht: Kölner Richter proben den Auf­stand

Prof. Dr. Maximilian Zimmer

30.03.2011

Das Grundbuch gehört zu den eher trockenen juristischen Themen. Doch können auch in einem solchen Bereich die Emotionen hoch schlagen, wie die Querelen um die Frage der Eintragung von BGB-Gesellschaften zeigen. Diese gipfelten nun in der Behauptung des OLG Köln, die Linie des BGH stehe "nicht im Einklang mit dem Gesetz". Ein Kommentar von Maximilian Zimmer.

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Als der Bundesgerichtshof (BGH) im Januar 2001 fast genau 100 Jahre nach der gesetzlichen Anerkennung der Gesellschaft Bürgerlichen Rechts (GbR) feststellte, dass die Gesellschaft selbst auch Träger von Rechten und Pflichten ist, ahnte wohl niemand, welche Probleme dies noch mit sich bringen würde.

Für das Grundstücksrecht stellte sich nämlich bald die Frage, wie die GbR in das Grundbuch einzutragen ist. Bis 2001 waren es die Gesellschafter, jetzt sollte es die Gesellschaft selbst sein. Im Jahre 2008 erklärte der BGH dies noch einmal ausdrücklich.

Sogleich brach ein Sturm der Entrüstung los. Kritiker bemängelten vor allem, dass die GbR grundsätzlich nur durch die Gesellschafter handeln kann, anders als bei Handelsgesellschaften aber in keinem Register vermerkt ist, wer die zur Vertretung berechtigten Personen sind. Der Gesetzgeber reagierte rasch und schuf § 899 a BGB und § 47 a GBO. Danach müssen die Gesellschafter eingetragen werden, und sie dürfen die GbR auch nach außen hin vertreten.

Oberlandesgerichte verlangten Nachweise über Nachweise

Wer glaubte, damit sei das Problem gelöst, hatte sich aber getäuscht. Die "erwerbende Gesellschaft", also die GbR, die erst noch ins Grundbuch sollte, wurde plötzlich zur Aussätzigen. Die Grundbuchämter, bestärkt von einigen Oberlandesgerichten, verlangten nun den Nachweis der Existenz der Gesellschaft und der Vertretungsberechtigung der Gesellschafter.

Doch damit nicht genug: Der Nachweis sollte auch noch in der Form einer öffentlichen Urkunde eingereicht werden. Das Versprechen der Betreffenden, sie seien die Gesellschafter und die Gesellschaft bestehe auch wirklich, genügte nur dem Oberlandesgericht (OLG) Saarbrücken und dem OLG Brandenburg. Das OLG Oldenburg wollte dieses Versprechen noch zusätzlich eidesstattlich versichert wissen.

Andere, allen voran das OLG München, meinten, so könne ja jeder kommen und behaupten, er sei Gesellschafter einer existierenden GbR. Eine entsprechende Erklärung genüge daher in keinem Fall. Allenfalls könne sich die GbR (im zugrundeliegenden Grundstückskaufvertrag!) neugründen. Damit war die "adhoc-GbR" erfunden. Diese Konstruktion wiederum stieß vielfach auf Ablehnung, nicht zuletzt wegen der zusätzlichen Notarkosten. Ähnlich komplizierte Konstruktionen, wie etwa der "gespiegelte Kaufvertrag", konnten ebenfalls nicht auf breiter Front überzeugen. Auch der Vorsitzende des zuständigen BGH-Senats hielt einige der ablehnenden OLG-Entscheidungen für "indiskutabel" (Krüger, NZG 1010, 801).

Grundbuchrechtspfleger verweigern Eintragung auf breiter Front

Trotz dieser höchstgerichtlichen "Rüge" war die GbR jedenfalls im Grundstücksverkehr zunächst "klinisch tot", wie es ein Rechtspfleger in einer Fachzeitschrift ausdrückte (Bestelmeyer, RPfleger 1010, 169). Die Juristen wunderten sich, wie dieser "Schlamassel" auf die GbR-Entscheidung des BGH von 2008 zurückgeführt werden konnte, bei der gerade der Leitsatz das genaue Gegenteil aussagt (Hertel, DNotZ 2009, 121). Tatsache ist aber, dass seither die Grundbuchrechtspfleger fast ausnahmslos die Eintragung der GbR mit Berufung auf genau diese Rechtsprechung verweigern.

Das OLG Köln ist nun noch noch ein Stück weitergegangen (Beschl. v. 13.12.2010, Az.  2 Wx 137/10): Während der BGH hinsichtlich der verfahrensrechtlichen Voraussetzungen für die Eintragung der GbR den Gesetzgeber in der Pflicht sieht und damit die "dienende Funktion" des Verfahrensrechts anspricht, meinen die Kölner Richter, dass die Karlsruher Entscheidung "nicht mit dem Gesetz in Einklang" steht.

Aus diesem Grund könne es auch nicht Aufgabe des Gesetzgebers sein, seine Regelungen an die Rechtsauffassungen des Richters (gemeint ist hier der BGH) anzupassen.

Offenbar kein Änderungswille des Gesetzgebers

Diese offene Ablehnung der BGH-Rechtsprechung, verbunden mit der Weigerung, überhaupt eine Möglichkeit der Grundbucheintragung der GbR herbeizuführen, ist im Grundstücksrecht sicherlich einmalig. Folge ist, dass im Bereich des OLG Köln die Karlsruher Linie zur Grundbucheintragung der GbR derzeit nicht angewendet wird.

Während also im OLG Köln eine Eintragung überhaupt nicht mehr vorgenommen werden kann und sie in weiten Teilen des Bundesgebiets an praktisch unerfüllbare Hürden geknüpft wird, ist das Verfahren anderswo fast problemlos möglich. Für die Praxis besonders kritisch sind freilich die Gebiete, bei denen eine OLG-Entscheidung noch gar nicht vorliegt.

Eine Lösung ist jedenfalls nicht in Sicht: Anders als bei der Schaffung des § 899 a BGB scheint der Gesetzgeber derzeit nicht aktiv werden zu wollen. Deshalb ist es wahrscheinlich, dass der BGH den genannten Partikularismus dadurch beseitigt, dass er die Eintragung der GbR ohne große Hürden, das heißt allein durch die Erklärung der Beteiligten im Kaufvertrag, zulassen wird. Leider ist die passende Vorlage nach Karlsruhe noch nicht absehbar. Jedenfalls sollte sich jede GbR derzeit reiflich überlegen, ob sie Grundstücke erwerben will.

Der Autor Dr. Maximilian Zimmer ist Notar in Wernigerode, Honorarprofessor an der Hochschule Harz (FH) und Verfasser zahlreicher Veröffentlichungen.

 

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Maximilian Zimmer, Kritik an BGH-Judikatur zum Grundstücksrecht: Kölner Richter proben den Aufstand . In: Legal Tribune Online, 30.03.2011 , https://www.lto.de/persistent/a_id/2910/ (abgerufen am: 22.05.2022 )

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