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Sorglos ans Ziel: Keine Besch­leu­ni­gungs­kor­rup­tion bei Nut­zung von Fast Lanes

von Philip Kroner

03.05.2024

Schild Fast Lane an einem Flughafen

Schneller zum Abflug-Gate. Die Einrichtung von Fast Lanes an Flughäfen ist rechtlich umstritten. | Bild: daliu - stock.adobe.com

Flughafenbetreiber, Airlines und Passagiere sollen sich durch Fast Lanes an Flughäfen wegen Korruption strafbar machen, sobald für die Nutzung Geld fließt. Dieser Vorwurf ist rechtlich unhaltbar, meint Philip Kroner.

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"Über den Wolken muss die Freiheit wohl grenzenlos sein", sang Reinhard Mey im Jahr 1974. Das Flugzeug hebe ab und lasse alle Ängste und alle Sorgen zurück. Dem Gastbeitrag von Prof. Dr. Till Zimmermann und Julian Stolz zufolge sollen bei manchen Passagieren allerdings ab sofort Angst und Sorge vor strafrechtlichen Konsequenzen mitfliegen. Das soll für diejenigen gelten, die zuvor am Flughafen gegen Entgelt die Fast Lane genutzt haben, um zur Sicherheitskontrolle zu gelangen. 

Zimmermann/Stolz rieten Flughafenbetreibern und Airlines daher, "die bisherige Fast-Lanes-Praxis umgehend zu beenden". Beteiligte machten sich angeblich der Bestechung (§ 334 StGB) bzw. Bestechlichkeit (§ 332 StGB) strafbar. Gleichzeitig prägten sie für das Phänomen – Geld gegen bevorzugte Behandlung – einen eingängigen Begriff: Es handle sich um "Beschleunigungskorruption".

Der Korruptionsvorwurf trifft die ganze Republik. Es geht um eine lange etablierte Praxis: An vielen deutschen Flughäfen haben die Flughafenbetreiber vor den Sicherheitskontrollen Fast Lanes eingerichtet. Passagiere mit einer bestimmten Ticketkategorie oder mit separat gebuchtem Zugang dürfen sie nutzen. Regelmäßig stehen Fast Lanes zudem kostenfrei mobilitätseingeschränkten Passagieren, Familien und in bestimmten Zeitfenstern allen Passagieren offen. Mitarbeiter des Flughafenbetreibers organisieren den Passagierstrom. Erst dahinter beginnt der Sicherheitsbereich. In diesem arbeitet und entscheidet die Bundespolizei, unterstützt von privatem Sicherheitspersonal. Sie ist als Luftsicherheitsbehörde für die hoheitlichen Passagier- und Gepäckkontrollen zuständig.

Die Idee, Fast Lanes an Flughäfen seien ein Anwendungsfall von Beschleunigungskorruption, ist spannend. Sie ist aber nicht überzeugend – oder in der englischen Redensart: Sie fliegt nicht. Zahlen Passagiere an Airlines und diese an Flughafenbetreiber für Fast Lanes, ist das zulässig. Für Bestechung und spiegelbildlich Bestechlichkeit mangelt es an mehreren Voraussetzungen. 

Flughafenbetreiber und ihre Mitarbeiter sind keine Amtsträger. Sie wirken an der hoheitlichen Aufgabe "Sicherheitskontrolle" nicht mit. Ihr Aufgabenbereich ist davon rechtlich getrennt. Selbst wenn sie aber Amtsträger wären, läge keine pflichtwidrige Amtshandlung vor. Der allgemeine Gleichheitssatz, den Zimmermann/Stolz anführen, genügt nicht, um eine strafrechtlich relevante Pflichtwidrigkeit zu begründen. Zudem erfolgt die Praxis der Entgelterhebung für Fast Lanes über die Entgeltordnungen oft staatlich genehmigt.

Organisatorische Trennung von Fast Lanes und Sicherheitsbereich

Zimmermann/Stolz verbinden die Sicherheitskontrolle und das Passagiermanagement in strafrechtlicher Hinsicht miteinander. Obwohl der Flughafenbetreiber privatrechtlich organisiert ist, betreibe de facto der Staat das Passagiermanagement vor dem Sicherheitsbereich. Organisiere der Flughafenbetreiber dort die Warteschlange, handle er daher als Amtsträger. Der Anwendungsbereich der Amtsträgerkorruption sei eröffnet. Diese Argumentation überzeugt aus mehreren Gründen nicht.

Die (Aufgaben-)Bereiche – Passagiermanagement einerseits und Sicherheitskontrolle andererseits – sind nach dem Luftsicherheitsgesetz getrennt zu betrachten. Der Flughafenbetreiber muss den Flughafen so einrichten, dass Passagiere und Gepäck zugeführt und Sicherungs- und Kontrollmaßnahmen ordnungsgemäß vollzogen werden können (§ 8 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 LuftSiG). Dazu zählt, die Passagiere auf geeignetem Weg vom Check-in in den Sicherheitsbereich zu leiten. Im Sicherheitsbereich ist anschließend nicht der Flughafenbetreiber, sondern ausschließlich die Luftsicherheitsbehörde zuständig. Sie führt Personen-, Handgepäcks- und, sofern aufgrund der Destination erforderlich, Grenzkontrollen durch (§ 5 Abs. 1 LuftSiG).

Das Passagiermanagement ist eine Maßnahme, die die spätere Sicherheitskontrolle nur ermöglichen soll. Sie ist der Sicherheitskontrolle damit ausdrücklich vorgelagert und gerade kein Bestandteil von dieser. Zudem hat der Gesetzgeber in § 8 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 LuftSiG dem Flughafenbetreiber im Jahr 2017 zusätzlich die Pflicht auferlegt, die Passagierleitsysteme und anderen Einrichtungen ausdrücklich auch "zu unterhalten". Das unterstreicht, dass der Bereich außerhalb der Sicherheitskontrolle – einschließlich der Warteschlangen – dauerhaft originäre Aufgabe des Flughafenbetreibers sein soll und gerade nicht zu den hoheitlichen Aufgaben zählt.

Flughafenbetreiber sind kein verlängerter Arm der Bundespolizei

Außerdem könnten Flughafenbetreiber – als Private – Amtsträgern nur gem. § 11 Abs. 1 Nr. 2 c) StGB gleichgestellt sein, wenn sie bei einer sonstigen Stelle oder im Auftrag einer Behörde oder sonstigen Stelle Aufgaben der öffentlichen Verwaltung wahrnehmen würden. Das erfordert nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGH) eine Gesamtabwägung. Flughafenbetreiber erscheinen aber nicht als verlängerter Arm des Staates. Der Sicherheitsbereich ist mit Absperrbändern und Beschilderung optisch abgegrenzt. In diesem tritt der Flughafenbetreiber gerade nicht in Erscheinung. Für Passagiere ist die rechtlich vorgegebene organisatorische Trennung daher auch sichtbar.

Die von Zimmermann/Stolz angeführte Entscheidung des BGH (Urt. v. 08.12.2022, Az. III ZR 204/21) zwingt nicht zu einem anderen Ergebnis. Danach soll die Bundespolizei für Warteschlangen bei Passkontrollen verantwortlich sein. Die Entscheidung ist aber nicht übertragbar. Die gegenständlichen Warteschlangen befanden sich im Sicherheitsbereich und führten nicht wie die Fast Lanes dorthin. Dasselbe gilt für das Argument, die Bundespolizei behalte sich vor, Fast Lanes zu schließen, weshalb der Flughafenbetreiber sichtbar in die Sicherheitskontrolle eingebunden sei. Die gegenteilige Schlussfolgerung liegt näher: Wenn die Fast Lanes für die Bundespolizei nicht verbindlich sind, kann ihre Einrichtung schon aus diesem Grund nicht als Teil des Sicherheitsbereichs erscheinen.

Pflichtwidriges Verhalten ausgeschlossen

Korruption erfordert zudem, dass der Amtsträger (an dem es vorliegend ohnehin mangelt) pflichtwidrig handelt. Steht ihm Ermessen bei seiner Entscheidung zu, kann das der Fall sein, wenn sie auf sachwidrigen Erwägungen beruht. Die Fast Lane führt Passagiere aber nicht an der Sicherheitskontrolle vorbei. Sie werden der Kontrolle wie jeder andere Passagier unterzogen. Der Flughafenbetreiber nimmt keinen Einfluss, sondern avisiert allenfalls eine Bearbeitungsreihenfolge – ohne Bindungswirkung. 

Ohnehin ist die Entscheidung, wann welcher Passagier überprüft wird, eine reine Verfahrensermessensentscheidung. Sie bereitet die eigentliche Entscheidung in der Sicherheitskontrolle lediglich vor, die dann pflichtgemäß erfolgt. Würde bereits in diesem Stadium auf Basis des allgemeinen Gleichbehandlungssatzes strafrechtlich sanktioniert, widerspräche das dem Ultima Ratio-Charakter des Strafrechts.

Für einige Flughafenbetreiber kommt noch Folgendes hinzu: Ihre Praxis, für Fast Lanes Entgelte zu erheben, ist staatlich genehmigt. Flughafenbetreiber legen die Entgelte, die sie von Airlines erheben, in einer Entgeltordnung fest. Diese wird gem. § 19b Abs. 1 LuftVG auf Diskriminierungsfreiheit geprüft und behördlich genehmigt, d.h. einschließlich enthaltener Entgeltposten für die Einrichtung von Fast Lanes.

Am Ende können Flughafenbetreiber, Airlines und Passagiere also aufatmen und letztere sorglos an ihr Ziel gelangen. Das aktuelle Fast Lane-System an Flughäfen ist zulässig und taugt daher nicht als Beispiel für "Beschleunigungskorruption". Der Vorwurf ist zwar spannend, eine Debatte darüber eignet sich aber höchstens für den Zeitvertreib in der Warteschlange. 

 

Philip KronerRechtsanwalt Philip Kroner ist Principal Associate der Kanzlei Freshfields Bruckhaus Deringer und widmet sich dort den Bereichen White-Collar Defence und Global Investigations.

Er ist außerdem als Lehrbeauftragter an der Universität Hamburg tätig.

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Sorglos ans Ziel: . In: Legal Tribune Online, 03.05.2024 , https://www.lto.de/persistent/a_id/54481 (abgerufen am: 21.05.2025 )

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