Mitarbeiter machen sich künftig schon wegen Bestechlichkeit strafbar, wenn sie Schmiergeld als Gegenleistung für eine Pflichtverletzung gegenüber ihrem Arbeitgeber annehmen. Ein Risiko für sie und die Unternehmen, erklärt David Pasewaldt.
Der Bundesrat hat am vergangenen Freitag das am 15. Oktober 2015 vom Bundestag beschlossene Gesetz zur Bekämpfung der Korruption gebilligt. Kernstücke dieses Gesetzes sind die Ausdehnung der Strafbarkeit wegen Bestechlichkeit und Bestechung in der Privatwirtschaft (§ 299 Strafgesetzbuch, StGB) sowie eine Ausweitung der Tatbestände zur Amtsträgerkorruption (§§ 331 ff. StGB) und deren Anwendbarkeit auf Auslandstaten. Darüber hinaus sieht das Gesetz, das am Tag nach seiner Verkündung in Kraft treten wird, verschiedene Verschärfungen der Geldwäschestrafbarkeit (§ 261 StGB) vor.
Die Neuregelung dient im Wesentlichen der Umsetzung internationaler Vorgaben zur Bekämpfung der Korruption in das deutsche Recht. Darüber hinaus will der Gesetzgeber einige Antikorruptionsvorschriften übersichtlicher gestalten, die bisher in verschiedenen Gesetzen verstreut sind. Er schießt dabei manchmal über das Ziel hinaus. Und schafft mit dem Gesetz neue Risiken für Unternehmen, Mitarbeiter durch arbeitsvertragliche Regelungen unnötigen Strafbarkeitsvorwürfen auszusetzen.
Ausdehnung der Strafbarkeit wegen Korruption in der Privatwirtschaft
Derzeit setzt eine Strafbarkeit wegen Bestechlichkeit im geschäftlichen Verkehr (§ 299 StGB) – nach dem sogenannten Wettbewerbsmodell – voraus, dass sich ein Angestellter oder Beauftragter eines Unternehmens einen Vorteil als Gegenleistung für eine künftige unlautere Bevorzugung im Wettbewerb versprechen lässt, einen solchen fordert oder annimmt. Wegen Bestechung im geschäftlichen Verkehr macht sich spiegelbildlich strafbar, wer einen solchen Vorteil anbietet, verspricht oder gewährt.
Bislang erfassen die Straftatbestände etwa Fälle, in denen Einkaufsmitarbeiter für ihr Unternehmen Leistungen eines Anbieters beziehen, obwohl dieser im Vergleich zu Wettbewerbern zwar nicht das günstigste Angebot macht, aber dem Einkaufsmitarbeiter im Gegenzug für die Beauftragung einen persönlichen Vorteil gewährt. Die Rechtsprechung geht dabei von einem weiten Vorteilsbegriff aus. Über sogenannte Kick-Back-Provisionen und sonstige Schmiergeldzahlungen hinaus können auch schon Essenseinladungen oder Weihnachtsgeschenke darunter fallen.
Nach der Reform des § 299 StGB wird der Tatbestand künftig – nach dem sogenannten Geschäftsherrenmodell – auch Vorteile erfassen, die einem Angestellten oder Beauftragten eines Unternehmens ohne dessen Einwilligung als Gegenleistung für die künftige Verletzung einer gegenüber dem Unternehmen bestehenden Pflicht gewährt werden.
Nach dem Willen des Gesetzgebers wird damit der Schutzzweck der Vorschrift erweitert. Über die Funktionsfähigkeit des Wettbewerbs hinaus soll § 299 StGB künftig auch die Interessen des Arbeitgebers an einer loyalen und unbeeinflussten Erfüllung von Pflichten durch seine Mitarbeiter schützen. Relevante Pflichten von Mitarbeitern sollen sich dabei aus Gesetz oder Vertrag ergeben können, insbesondere also aus ergänzenden arbeitsvertraglichen Regelungen in Form von unternehmensinternen Richtlinien.
Die Kritik am Geschäftsherrenmodell
Die Neufassung von § 299 StGB stößt zum Teil auf erhebliche Kritik, weil es Unternehmen künftig selbst in der Hand haben werden, strafbarkeitsbegründende Pflichten für Ihre Mitarbeiter zu normieren, etwa durch interne Richtlinien. Die Kritiker sehen darin einen Verstoß gegen den Bestimmtheitsgrundsatz (Art. 103 Abs. 2 GG), insbesondere da Außenstehende den internen Pflichtenkreis von Mitarbeitern eines Unternehmens gar nicht gut genug kennen können.
Die einzige wesentliche Begrenzung der strafbarkeitsbegründenden Pflichten liegt darin, dass sie im Zusammenhang mit dem Bezug von Waren und Dienstleistungen stehen müssen.
Folglich kann sich etwa ein Mitarbeiter strafbar machen, der für eine Gegenleistung pflichtwidrig einen Auftrag vergibt, ohne zuvor ein Vergleichsangebot eines Wettbewerbers einzuholen – ohne dass es dabei etwa noch darauf ankäme, ob das Angebot des Wettbewerbers tatsächlich günstiger gewesen wäre. Nach einem von Kritikern vorgebrachten Beispiel sollen sich nach der Neuregelung aber auch etwa Mitarbeiter eines Catering-Unternehmens strafbar machen können, wenn sie auf einer Veranstaltung eines Fußballvereins im Gegenzug für Freikarten für das nächste Spiel des Vereins in dessen Trikots servieren, obwohl sie laut Arbeitsvertrag ihre Dienstkleidung mit dem Logo ihres Arbeitgebers tragen müssen.
Relativiert wird das Risiko von Korruptionsermittlungen gegen Mitarbeiter und Vertragspartner von Unternehmen allerdings dadurch, dass Verstöße gegen § 299 StGB nach dem sogenannten Geschäftsherrenmodell nur auf Antrag des Unternehmens verfolgt werden, wenn nicht die Staatsanwaltschaft ausnahmsweise ein besonderes öffentliches Interesses an der Strafverfolgung bejaht. Dies wird in dem Beispiel des Catering-Unternehmens wohl kaum der Fall sein.
2/2: Ausgeweitete Amtsträgerkorruption
Das vom Bundesrat gebilligte Gesetz sieht zudem vor, in den Straftatbeständen zur Amtsträgerkorruption der §§ 331 ff. StGB jeweils ausdrücklich auch europäische Amtsträger zu erfassen.
Mit dieser Änderung sollen die bisherigen Regelungen des EU-Bestechungsgesetzes (EUBestG) zur Gleichstellung von Amtsträgern anderer Mitgliedstaaten der Europäischen Union mit deutschen Amtsträgern in das StGB überführt werden.
Allerdings gehen die beschlossenen Änderungen über das EUBestG hinaus, da eine Gleichstellung nicht nur für die qualifizierten Tatbestände der Bestechung (§ 334 StGB) und Bestechlichkeit (§ 332 StGB) gilt. Auch schon die Grundtatbestände der Vorteilsgewährung (§ 333 StGB) und der Vorteilsannahme (§ 331 StGB) werden angeglichen.
Diese Grundtatbestände setzen lediglich voraus, dass einem Amtsträger ohne Genehmigung der zuständigen Behörde ein Vorteil gewährt oder ein solcher von ihm angenommen wird. Die qualifizierten Tatbestände setzen hingegen zusätzlich voraus, dass der Vorteil dafür gewährt werden soll, dass der Amtsträger als Gegenleistung seine Dienstpflichten verletzt.
Zu viel des Guten?
Zudem sieht das Gesetz eine Gleichstellungsregelung für ausländische und internationale Bedienstete in einem neuen § 335a StGB vor. Nach der Vorschrift werden bestimmte Bedienstete ausländischer Staaten und internationaler Organisationen für die Straftatbestände zur Amtsträgerkorruption Beamten nach deutschem Recht gleichgestellt. Diese Änderungen zielen auf eine Überführung der bisherigen Gleichstellungsregelungen des Gesetzes zur Bekämpfung internationaler Bestechung (IntBestG) in das StGB ab.
Doch gehen auch diese Neuregelungen über das IntBestG hinaus, da sie nicht nur für den Straftatbestand der Bestechung, sondern auch für den Straftatbestand der Bestechlichkeit gelten sollen.
Folglich können künftig weltweit Amtsträger von deutschen Strafverfolgungsbehörden nach deutschem Korruptionsstrafrecht belangt werden, wenn sie einen Vorteil als Gegenleistung für die Verletzung einer Amtspflicht annehmen. Das kann etwa ein ausländischer Zollbeamter sein, der für eine Bargeldzahlung die Warenlieferung eines deutschen Unternehmens unzulässig bevorzugt behandelt.
Mit Blick auf den völkerrechtlichen Grundsatz der Nichteinmischung wird man die Frage stellen müssen, ob das Gesetz über das im Grundsatz legitime Ziel der weltweiten Korruptionsbekämpfung nicht weit hinausschießt.
Auch Selbstgeldwäsche kann künftig strafbar sein
Schließlich nimmt das Gesetz zur Bekämpfung der Korruption die Bestechlichkeit und Bestechung im geschäftlichen Verkehr unter bestimmten Voraussetzungen als Vortat des Geldwäschetatbestands (§ 261 StGB) auf. Künftig kann sich wegen Geldwäsche also auch strafbar machen, wer etwa die Herkunft einer Bargeldzahlung verschleiert, die ein anderer als Mitarbeiter eines Unternehmens als Gegenleistung für eine unlautere Bevorzugung im Wettbewerb oder eine Pflichtverletzung gegenüber diesem Unternehmen erhalten hat.
Darüber hinaus sieht das neue Gesetz die Einführung der sogenannten Selbstgeldwäsche vor. Nach derzeitigem Recht wird wegen Geldwäsche nicht bestraft, wer bereits an der Vortat beteiligt ist, also etwa derjenige, der sich selbst als Amtsträger wegen Bestechlichkeit strafbar gemacht hat und einen aus dieser Tat illegal erlangten Vorteil nun in den legalen Wirtschafts- und Finanzkreislauf einschleust.
Begründet wird dieser Strafausschließungsgrund bisher damit, dass Geldwäschehandlungen von Vortatbeteiligten ein typisches Nachtatverhalten darstellen, die keinen eigenen Unrechtsgehalt aufweisen und deshalb nicht zusätzlich zur Vortat bestraft werden sollen.
Die Neuregelung durchbricht diese Wertung zum Teil. Nach ihr werden künftig nur noch bestimmte Geldwäschehandlungen des Vortäters straffrei bleiben, die auf ein Behalten des illegal erlangten Tatvorteils abzielen, wie beispielsweise dessen Verbergen. Soweit Geldwäschehandlungen hingegen einen eigenen Unrechtsgehalt aufweisen, werden sie künftig neben der Vortat bestraft werden können. Dies wird namentlich für den Vortäter gelten, der das aus seiner Korruptionsstraftat erlangte Schmiergeld in den Verkehr bringt und dabei dessen rechtswidrige Herkunft verschleiert.
Folgen für die Compliance-Praxis
Die Compliance-Abteilungen von Unternehmen und ihre Berater wird das Gesetz zur Bekämpfung der Korruption vor neue Herausforderungen stellen.
Wegen der Ausdehnung der Vorschriften zur Amtsträgerkorruption sollten Unternehmen insbesondere ihre Richtlinien und ihre Praxis zu Einladungen und zu Bewirtungen von ausländischen Amtsträgern und internationalen Bediensteten auf deren Vereinbarkeit mit den neuen gesetzlichen Vorgaben überprüfen. Auch interne Vorgaben im Zusammenhang mit Beschaffungsprozessen sollten einer kritischen Prüfung unterzogen werden, um angesichts der Ausweitung der Strafbarkeit wegen Bestechlichkeit und Bestechung im geschäftlichen Verkehr keine unnötigen Strafbarkeitsrisiken für Mitarbeiter zu schaffen.
Der Autor Dr. David Pasewaldt, LL.M. ist Senior Associate im Frankfurter Büro der internationalen Anwaltssozietät Clifford Chance.
Dr. David Pasewaldt, Bundesrat billigt Gesetzesvorhaben: Korruptions- und Geldwäschestrafbarkeit verschärft . In: Legal Tribune Online, 09.11.2015 , https://www.lto.de/persistent/a_id/17477/ (abgerufen am: 19.04.2024 )
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