Erst will die Stadt Köln gar nicht zahlen. Nach einem Gespräch mit dem WDR lenkt sie nun ein und begleicht zumindest so viel, wie sie vorher schon zahlen musste. Im LTO-Interview erklärt der Staats- und Medienrechtler Hubertus Gersdorf, wie er sich eine verfassungskonforme Finanzierung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks vorstellt: ein Beitrag pro natürliche und juristische Person.
LTO: Die Stadt Köln hatte vergangene Woche angedroht, den neuen Rundfunkbeitrag nicht zu zahlen. Nun heißt es, man habe sich mit dem WDR geeinigt und werde doch zahlen. Allerdings nur so viel wie bisher, also in Höhe der alten Rundfunkgebühr. Warum können Köln und der WDR eine solche Vereinbarung treffen? Ist der WDR überhaupt zuständig dafür, warum nicht der neue Beitragsservice, der aus der GEZ hervorgegangen ist?
Gersdorf: Der Beitragsservice zieht die Rundfunkbeiträge nur für den WDR ein, nimmt also eine Inkassofunktion wahr. Gläubiger sind die Landesrundfunkanstalten. Es ist daher formal korrekt, wenn die Gespräche, wenn solche denn zulässig sind, zwischen dem WDR und der Stadt Köln geführt werden.
LTO: Warum beschweren sich die Kommunen erst jetzt? Hatten sie auf die Aushandlung des aktuellen Rundfunkstaatsvertrags keinen Einfluss?
Gersdorf: Doch. Die Diskussion ist intensiv geführt worden. Die Kollegen Paul Kirchhof und Christoph Degenhart haben Rechtsgutachten dazu vorgelegt. Alle Beteiligten wussten Bescheid. Viele haben auf Probleme hingewiesen. Manche melden sich erst jetzt, da feststeht, dass sie von der Regelung betroffen sind. Es ist ein typisch menschliches Phänomen, bestimmte Dinge erst wahrzunehmen, wenn der Vollzug ansteht. Die Kommunen hatten durchaus die Chance, sich an dem Diskurs zu beteiligen.
LTO: Gilt das auch für die Unternehmen?
Gersdorf: Ja, selbstverständlich. Und die haben ihre Einwände ja auch vorgetragen.
"Jetzt wird darüber gestritten, was eine Betriebsstätte ist"
LTO: Sie haben eben angedeutet, dass eine Vereinbarung, wie sie die Stadt Köln und der WDR jetzt getroffen haben, eventuell gar nicht zulässig ist. Was spricht dagegen?
Gersdorf: Man weiß ja im Moment noch gar nicht wie das neue Gesetz funktioniert, was also im Einzelnen eine Betriebsstätte ist und damit die Abgabenpflicht begründet. Eigentlich muss das erst einmal ermittelt werden. Diese Unklarheiten versucht man nun offenbar wegzudealen.
Im Grunde ist damit doch das eingetreten, was zu erwarten war. In der Vergangenheit kreiste die Diskussion um die Frage, was ein Rundfunkempfangsgerät ist. Nun wird darüber gestritten was eine Betriebsstätte ist. Der Staatsvertrag hat also nicht zur Befriedung beigetragen, sondern nur die Probleme verlagert. Vielleicht wäre es glücklicher gewesen, wenn man an juristische und natürliche Personen angeknüpft hätte. Würde man einen Beitrag pro Person erheben, gebe es keine Unsicherheit bei der Auslegung von Begriffen. Aber die Länder meinten diesen Weg nicht wagen zu müssen.
"Ein Rundfunkbeitrag für einen Friedhofsbagger?"
LTO: Warum ist es so kompliziert auszulegen, was eine Betriebsstätte ist?
Gersdorf: Der Begriff ist zwar im Staatsvertrag legaldefiniert, aber das löst die Probleme nicht. Da geistern ja diverse Beispiele durch die Gegend: Ist eine Imbissbude eine Betriebsstätte? Selbstverständlich. Aber auch der Friedhofsbagger? Die Gemeinden ärgern sich darüber, dass sie eine Vielzahl von Betriebsstätten haben, um eine bürgernahe Verwaltung zu organisieren. Je mehr Betriebsstätten sie nun aber schaffen, desto mehr Rundfunkbeiträge müssen sie zahlen. Ob das politisch so gewollt ist?
An vielen Stellen übernimmt der neue Staatsvertrag außerdem das alte Modell. So bemessen sich die Beiträge zwar grundsätzlich nach der Anzahl der Beschäftigten; hinzu kommt dann aber beispielsweise, dass manche Mitarbeiter einen Firmenwagen fahren, für den ein gesonderter Beitrag anfällt. Für Hotels und Autovermietungen gibt es Ausnahmen, da knüpft der Staatsvertrag dann wieder an das Rundfunkempfangsgerät an. All das sind Systembrüche und ob die sachgerecht sind, das möchte ich bezweifeln.
Etwa bei den Drogerieketten kann man ja klar nachweisen werden, dass in den Filialen überhaupt keine Fernsehgeräte stehen und vertraglich auch gar nicht stehen dürfen. Gleichwohl soll für diese Betriebe ein Rundfunkbeitrag gezahlt werden. Das könnte in der Tat zu Problemen mit dem Gleichheitssatz führen, wie sie der Kollege Degenhart in seinem Gutachten für die Autovermietung Sixt rügt.
Kommunen lehnen Rundfunkbeitrag ab: . In: Legal Tribune Online, 08.02.2013 , https://www.lto.de/persistent/a_id/8124 (abgerufen am: 02.11.2024 )
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