Was planen Union und SPD bei Digitalisierung und Datenschutz? Ein erster Entwurf der zuständigen Arbeitsgruppe legt den Fokus auf Datennutzung statt wie bisher auf Datenschutz. Für Digitales soll es ein eigenes Ministerium geben.
Die Koalitionsverhandlungen zwischen Union und SPD sind im vollen Gange. 16 Arbeitsgruppen sollen spätestens an diesem Montag erste Ergebnisse abliefern, einigen ist dies wohl bereits am Wochenende gelungen. Worauf sich die potenziellen Koalitionäre in den Fachbereichen konkret verständigt haben, ist noch nicht durchgesickert. Allerdings berichten Medien von größeren Differenzen in den Arbeitsgruppen zum Thema Steuern, zu der Sozialpolitik und der Eindämmung der irregulären Migration.
Vergleichsweise konfliktfrei könnte indes der Bereich Digitales zwischen CDU/CSU und SPD ausverhandelt werden. Zuständig hierfür ist die Arbeitsgruppe 3. Geleitet wird sie auf Unionsseite von Manuel Hage, dem CDU-Fraktionsvorsitzenden im baden-württembergischen Landtag. Auf SPD-Seite ist der Frankfurter Bundestagsabgeordnete Armand Zorn verantwortlich.
LTO liegt nun ein fünfseitiger interner Entwurf vor, datiert vom vergangenen Mittwoch*, aus dem hervorgeht, welche Schwerpunkte sich Schwarz-Rot nicht nur für die Digitalisierung, sondern auch für den Bereich Datenschutz vorstellen. Was auffällt: Der Terminus "Datenschutz" wird dabei tunlichst vermieden, der Fokus liegt auf "Datennutzung". Allem Anschein nach soll der Datenschutz unter Schwarz-Rot künftig geschleift werden. Außerdem ist ein neues Digitalministerium geplant.
Datenschutzbehörde BfDI soll umbenannt werden
Im kurzen Abschnitt, der im Papier das Thema Daten abhandelt, wird gleich zu Beginn eine Reform der bestehenden Datenschutzaufsicht angekündigt. Die Federführung und die Aufsicht über die Wirtschaft soll beim Bund angesiedelt werden. Die bislang für den Datenschutz zuständige Behörde "Bundesbeauftragte für Datenschutz und Informationsfreiheit (BfDI)" soll umbenannt werden in "Beauftragte für Datennutzung".
Ansonsten geht es den Fachpolitikern vor allem darum, künftig Daten zu verwenden, statt vor ihrem Missbrauch zu schützen. Bezugnehmend auf die seit 2018 in der EU geltende Datenschutzschutz-Grundverordnung (DSGVO) heißt es in dem Papier: "Wir nutzen alle Spielräume der DSGVO für risikoarme Datenverarbeitung. Wir schaffen Vereinfachungen und Standardisierungen für KMUs, das Ehrenamt, Vereine und Organisationen." Die "Datenpolitik" wolle man zu einer echten Datennutzungspolitik, die Innovation und Sicherheit vereine, entwickeln.
Dafür sollen die bestehenden Regelwerke in einem Datengesetzbuch zusammengefasst werden. Entgegenkommen will man wohl in erster Linie der Wirtschaft, die sich in der Vergangenheit immer wieder massiv über zu viel Datenschutz und konkret über die Anforderungen an sie aus der DSGVO beschwert hatte. Man strebe daher an, die DSGVO "innovationsfreundlich" zu novellieren. "Wir schaffen moderne Regelungen für Forschungs- und Mobilitätsdaten, die durch hohe Datenqualität und -verfügbarkeit Mehrwerte schaffen und berechtigte Interessen der Unternehmen schützen."
Neues Digital-Ministerium BMD soll "Leuchtturm" werden
Wesentlich mehr Raum als Datenschutz bzw. Datennutzung nimmt im Entwurf der Arbeitsgruppe unterdessen der Bereich Digitales ein. Die Digitalisierung, die derzeit noch im Verkehrsministerium ein Schattendasein fristet, soll mit einem eigenen Ministerium aufgewertet werden. "Ein eigenständiges Bundesministerium für Digitales (BMD) wird geschaffen, um die Verwaltungsdigitalisierung, digitale Identitäten, IT-Sicherheit und Plattformregulierung zu koordinieren", heißt es.
Das neue Ressort werde "zentraler Ansprechpartner für die Digitalwirtschaft und Startups sein. Es werde eine ressortübergreifende Digitalstrategie und verwaltet ein Digitalbudget, dass die IT-Architektur und ressortübergreifende Projekte finanzieren soll. Alle IT-Ausgaben des Bundes müssten vom BMD künftig genehmigt werden. "Das BMD soll ein Leuchtturm für digitale Arbeitsmethoden sein." Bereits vor der Wahl hatte sich das Gerücht erhärtet, dass die Digitalisierung ein eigenes Ministerium erhält, die FAZ sprach von einem "Ministerium für Zauberei".
Als operative Umsetzungseinheit für die Digitalisierung des Bundes soll zudem eine unabhängige "Deutsche Digitalservice Einheit" geschaffen werden, die auch nachgeordnete Bereiche, respektive Regulierungsbehörden bündele.
"Verwaltungsrevolution" mit Hilfe von KI
Großes schwebt den mutmaßlichen künftigen Koalitionspartnern auch in Sachen Künstliche Intelligenz (KI) vor. Diese biete ein "enormes Potenzial zur Transformation in Wirtschaft, Wissenschaft und Verwaltung", heißt es. Deutschland soll künftig ein führender Akteur in der Entwicklung und Anwendung von KI werden, indem es seine domänenspezifische Expertise in Schlüsselbranchen nutze.
Durch Förderung und den Einsatz von KI soll weiter nicht nur die Wirtschaft angekurbelt werden, KI soll auch für nichts weniger als eine "Verwaltungsrevolution" sorgen. Dazu werde die KI-Strategie der Bundesregierung erneuert, um die Anwendungsorientierung zu fördern.
Ein Dorn im Auge ist den Fachpolitikern offenbar der bestehende KI-Rechtsrahmen, der Artificial Intelligence (AI) Act. "Der AI Act soll überarbeitet werden, um ihn innovationsfreundlicher und bürokratieärmer zu machen." Die nationale Umsetzung des AI Act werde schlank gestaltet, eine Zersplitterung der Marktaufsicht dabei vermieden.
Einen weiteren Schwerpunkt setzen die Digitalpolitiker von Union und SPD auch im Bereich IT-Sicherheit werden. "Wir stärken die Resilienz unseres Landes durch die Erhöhung der IT-Sicherheit, insbesondere bei kritischen Infrastrukturen und machen sie zu einem zentralen Handlungsfeld der Digitalstrategie", heißt es. Die öffentliche IT-Sicherheit werde durch Notallmanagement und das Angebot von Souveränitätschecks, um die Integration in die Wirtschaft zu erleichtern, verbessert. Gestärkt werden soll außerdem der Rechenzentrumsstandort Deutschland mit einer nationalen Rechenzentrumsstrategie. Man wolle bestehende Cluster fördern und regionale Ansiedlungen unterstützen – und so zum europäischen Leuchtturm werden.
Altersgrenzen für Social-Media-Nutzung?
Nach dem Willen der Fachpolitiker soll der künftige Koalitionsvertrag auch ein klares Bekenntnis zum Digital Market Act (DMA) enthalten, ein EU-Gesetz, das den Wettbewerb im Internet fairer machen soll und an den sich seit gut einem Jahr alle Unternehmen und Plattformbetreiber halten müssen. "Wir setzen den Digital Markets Act konsequent um und bekämpfen unlauteren Wettbewerb."
Außerdem wollen Union und SPD ran an die Regelungen im Kontext des europäischen
Digital Services Act (DSA). Dieser regelt seit Februar 2024 die Pflichten von Online-Plattformen und Diensteanbietern in der EU, indem er klare Anforderungen an die Moderation von Inhalten, den Schutz der Nutzerrechte und den Umgang mit illegalen Inhalten im Internet formuliert. Das Grundrecht auf Meinungsfreiheit sei zwar essenziell, dennoch brauche es klare Regeln gegen Desinformation und strafbare Inhalte. "Eine verpflichtende Identifizierung für algorithmische Systeme in Umsetzung des Digital Services Act prüfen wir, um digitale Diskurse zu schützen", lautet die Ankündigung.
Als konkrete Maßnahme bringt die Arbeitsgruppe etwa Altersbeschränkungen für den Gebrauch von Social Media ins Spiel: "Wir beobachten die Korrelation zwischen dem Gebrauch sozialer Medien, psychischen Krankheiten oder Mobbing, vor allem bei jungen Menschen, kritisch. Zu ihrem Schutz führen wir eine verbindliche Altersverifikation ein."
*UPDATE am 25.03.2025 (11:50 Uhr): Inzwischen liegt LTO ein aktualisiertes, als “final” bezeichnetes Papier datiert vom 22.03.2025 der Koalitionsarbeitsgruppe Digitales vor. In diesem ist z.B. die Schaffung eines eigenen Ministeriums für Digitales nicht mehr enthalten.
Pläne der Koalitionsarbeitsgruppe Digitales: . In: Legal Tribune Online, 24.03.2025 , https://www.lto.de/persistent/a_id/56858 (abgerufen am: 29.04.2025 )
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