Patente, Marken- und Urheberrechte sind für Unternehmen ein Thema, aber Know-how und sonstige Geheimnisse bleiben oft ungesichert. Warum man sich hier dringend mehr an Coca Cola orientieren sollten, erklärt David Ziegelmayer.
Das Thema erscheint sperrig: Know-how-Schutz? Technologieunternehmen mit Patent/-und Markenabteilungen werden reflexartig einwenden: "Haben wir schon, machen wir schon". Handels-oder Dienstleistungsunternehmen werden abwinken: "Brauchen wir nicht". Beides ist mehr als fahrlässig.
Denn Know-how ist mehr als das und erfasst prinzipiell alles, was nach dem Willen eines Unternehmens nicht in die Hände von Wettbewerbern oder außenstehender Dritter gehört. Das können z.B. Konstruktionszeichnungen, Rezepte, Kundendaten und sogar Ideen sein, die man bekanntlich nirgendwo "anmelden", sehr wohl aber geheim halten kann.
Ein Unternehmen, das von sich sagt: "Wir haben keine Geheimnisse", dürfte nicht ernst zu nehmen sein. Denn vor allem über nicht-technische Geheimnisse, die einen wirtschaftlichen Wert haben, verfügen alle. Fragen Sie Coca-Cola: Obwohl unser Recht die Patentierbarkeit eines Rezepts für ein Erfrischungsgetränk nicht kennt, pflegt das Unternehmen seinen Mythos und schützt sein Geheimnis – dem Vernehmen nach noch heute in einem Tresor.
Und dennoch: Der rechtliche Schutz von Know-how ist noch immer ein "Stiefkind" des geistigen Eigentums, wie es der Münchener Professor Christoph Ann seit vielen Jahren anprangert. Anstatt sich über den Abfluss von Know-how zu beklagen, sollten sich Unternehmen zuerst fragen, ob sie auch alles zu seinem Schutz und zur Verfolgung ihrer Rechte getan haben.
Vor dem Hintergrund einer näher rückenden Direktive aus Brüssel kann man sich nun erst Recht nicht mehr zurücklehnen: Denn in Zukunft werden der Schutz und die gerichtliche Verfolgung von der Verletzung von Betriebsgeheimnissen wohl davon abhängen, dass man sich zuvor auch ausreichend um ihren Schutz gekümmert hat.
Richtlinie wird ein "Mehr" an Schutz für Geheimnisse verlangen
Die Kommission sah bereits vor Jahren Handlungsbedarf, weil die aktuellen Regeln der Mitgliedsländer höchst unterschiedlich ausgestaltet sind und strebt einen einheitlichen Schutz an. Der entsprechende Richtlinienentwurf zum Schutz vertraulichen Know-hows und vertraulicher Geschäftsinformationen (COM 2013, 183) steht nun im November 2015 bereits zur ersten Lesung im EU-Parlament an, nachdem auch der Rechtsausschuss des EU-Parlaments den Text mit Änderungen angenommen hat. Das deutet darauf hin, dass die Richtlinie schon bald verabschiedet werden könnte.
Dem Entwurfstext ist auch weiterhin zu entnehmen, dass derjenige, der seine Geheimnisse schützen und ihre Verletzung vor Gericht bringen will, zukünftig "angemessene Geheimhaltungsmaßnahmen" ergreifen muss. Das wird nach Ansicht vieler Juristen die Rechtslage in Deutschland entscheidend verändern, auch wenn das Völkerrecht (TRIPS Abkommen) derartige Maßnahmen schon jetzt vorsieht.
Denn bislang forderte die Rechtsprechung mit dem BGH lediglich einen erkennbaren "subjektiven Geheimhaltungswillen, der sich in objektiven Umständen manifestiert", um Informationen als schutzfähig anzuerkennen. An diese Umstände sind nach aktueller Fassung des § 17 Gesetz gegen den Unlauteren Wettbewerb (UWG) keine hohen Anforderungen zu stellen (BGH Urt. v. 10.05.1995, Az. 1 StR 764/94). Der Geheimhaltungswille wurde also vermutet und damit faktisch mit Geheimhaltungsmaßnahmen gleichgesetzt. Das führte bislang quasi zu einer Umkehr der Beweislast: Derjenige, der das Geheimnis verletzt, muss den fehlenden Geheimhaltungswillen im Unternehmen nachweisen.
Tritt aber die Richtlinie in Kraft, muss man davon ausgehen, dass die Rechtsprechung hierzulande wesentlich strenger werden wird, wenn sie das deutsche Recht im Lichte der Richtlinie auslegt.
2/2: Allgemeine Geheimhaltungsklauseln nützen nichts
Wer sich die Bestrebungen auf EU-Ebene ansieht, erkennt, dass es nicht ausreichen wird, sich auf allgemeine Compliancemaßnahmen, übliche Geheimhaltungsklauseln, konformen Datenschutz im Betrieb, IT-Sicherheit usw. zu berufen:
Vielmehr wird ein umfassendes Know-how-Schutzkonzept nötig sein. Dies erfordert in tatsächlicher Hinsicht, "Mitwisserkreise" und Zugangsberechtigungen zu begrenzen und die Mitarbeiter zu schulen. Darüber hinaus zwingt das Konzept vor allem zu einer Änderung der Vertragspraxis: Die bislang wettbewerbsrechtlich ohnehin unwirksame Klausel "Der Arbeitnehmer verpflichtet sich auch bei Ausscheiden aus dem Arbeitsverhältnis zur Geheimhaltung" wird sich demnach schlicht als wertlos erweisen.
Die Herausforderung für die "interne" Vertragscompliance wird in Zukunft vielmehr darin bestehen, Unternehmensgeheimnisse nach Schutzklassen zu klassifizieren und Berechtigungen der Mitarbeiter beim Zugang etwa zu Geheimrezepten abzustufen. Daneben müssen die Unternehmen ihre Angestellten im Hinblick auf konkret bezeichnete Unternehmensgeheimnisse, die z.B. keinem Sonderrechtsschutz unterliegen, sensibilisieren und zur Geheimhaltung verpflichten.
Interne und externe Compliance
Aber damit nicht genug: Auch die "externe" Vertragscompliance wird man "umschreiben" müssen: Etwa in Forschungs- und Entwicklungsverträgen, in denen die bisherigen Standardklauseln nicht mehr ausreichen werden, um sich gegen den Verrat von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen bzw. Know-how angemessen abzusichern.
All das ist die Kernaufgabe des Informationsmanagements im Betrieb. Unternehmen müssen dringend weg von dem Denken, wonach Innovationen und Ideen nur dann geschützt werden, wenn sie patent-, urheberrechts- oder markenfähig sind. Wer sein geistiges Eigentum auf diese Art sortiert, dürfte in Zukunft auf dem Markt den Kürzeren ziehen.
Und nochmal: Das gilt nicht allein für Technologieunternehmen, sondern genauso für Versicherungs- Handels– oder Dienstleistungsunternehmen. Für diese sind bestimmte Informationen ebenso bestandskritisch und vertraulich - so zum Beispiel im in der Praxis häufigen Fall von Kundendaten oder Kalkulationen, die ein ehemaliger Mitarbeiter "mitgehen" lässt. Hier gilt der Grundsatz: Was der Wettbewerber nicht kennt, kann er nicht kopieren. Wer hier nachlässig handelt und es darauf ankommen lässt, wird in Zukunft vor Gericht schlechte Karten haben.
Der Autor David Ziegelmayer ist Rechtsanwalt bei der Kanzlei CMS Hasche Sigle in Köln. Er ist als Fachanwalt für gewerblichen Rechtsschutz spezialisiert auf den Schutz von Know-how- und Reputation von Unternehmen.
David Ziegelmayer, Know-how-Schutz im Umbruch: Geheim ist, was geheim gemacht wird . In: Legal Tribune Online, 21.08.2015 , https://www.lto.de/persistent/a_id/16675/ (abgerufen am: 24.04.2024 )
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