Wie ist der Kontakt zur Firma zustandegekommen, die die Block-Kinder in der Silvesternacht 2023/24 gewaltsam nach Deutschland geholt haben soll? Am Mittwoch sagte ein geheimnisvoller Zeuge aus, der "in höchsten Sicherheitskreisen" verkehrt.
Am 18. Verhandlungstag geht es im Hamburger Block-Prozess um die Zeugenvernehmung eines israelischen Unternehmers. Der soll nach Erkenntnissen der Ermittler als Kontaktperson zur israelischen Cyberfirma fungiert haben. Jene Firma, die die Entführung der jüngeren Block-Kinder in der Silvesternacht 2023/24 aus Dänemark durchgeführt haben soll.
Als der Zeuge aufgerufen wird, wirkt er zunächst unsicher. Er erscheint in Begleitung seines Rechtsanwalts. Lange sucht er seinen Platz im Gerichtssaal, bis die Vorsitzende Richterin Isabel Hildebrandt ihm den Weg weist. Danach beginnt die Befragung zu seinen Personalien. Der Zeuge gibt an, im Bereich Cyber Security tätig zu sein. Seine Antworten bleiben kurz und defensiv, der Mann ist sichtlich angespannt. Mehrmals äußert die Vorsitzende, dass sie kein Misstrauen hege und nur Fragen stelle.
Mit der Zeit wird der Mann selbstsicherer. Auf die Aufforderung Hildebrandts, er solle schildern, was er mit der Kindesentführung zu tun gehabt habe beziehungsweise dazu wisse, antwortet er trocken: "Ich könnte auch erzählen, was ich nicht damit zu tun habe". Er betont mehrfach, er habe "mit der Entführung nichts zu tun", er habe nichts davon gewusst, geschweige denn auch nur irgendetwas mit der Planung zu tun gehabt. Die ganze Sache, so sagt er, "ist strange" und definitiv nicht sein "cup of tea".
Er berichtet im Folgenden von einer Hausdurchsuchung, die ihn völlig überrascht habe. Sieben bewaffnete Beamte seien in seiner Wohnung erschienen, "sie wirkten bedrohlich". Er habe sich gefragt, "wegen was" gegen ihn vorgegangen werde. Er ergänzt, es sei "schade", da er "für dieses Land (Anm. d. Redaktion: Deutschland) so viel gemacht" habe.
Als Sicherheitsmann sorge er sich außerdem um seinen guten Ruf in den geschäftlichen Kreisen, in denen er sich bewege. Dann merkt er an: Nach dem 7. Oktober 2023 sei er "mit anderen Entführungen beschäftigt" gewesen – offenbar eine Anspielung auf seine Tätigkeit im Zusammenhang mit der Rückführung israelischer Geiseln nach dem Hamas-Angriff.
Kontakt zur israelischen Sicherheitsfirma hergestellt
Der Israeli erklärt im Laufe der Vernehmung, er kenne den mitangeklagten Familienanwalt der Familie Block, Christina Block und deren Lebensgefährten Gerhard Delling. Den Anwalt habe er vor Jahren über einen gemeinsamen Freund kennengelernt. Der erste Kontakt im Zusammenhang mit der Block-Familie habe allerdings erst im September 2022 stattgefunden. Der Anwalt habe ihm den damals familienrechtlichen Konflikt um die jüngeren Kinder geschildert, die nach einem Besuch beim Vater Stephan Hensel in Dänemark nicht zur Mutter zurückkehrten, und seine Meinung zu dem Thema haben wollen. "Vermutlich, weil ich einen guten Ruf in der Branche habe", so der Zeuge.
Im weiteren Verlauf der Dinge habe er dem Anwalt den Kontakt zu David Barkay vermittelt. Barkay ist Geschäftsführer der israelischen Cyberfirma, die die Block-Kinder in der Silvesternacht 2023/24 nach Deutschland geholt haben soll. Mit Barkay selbst habe er allerdings nichts Tiefergehendes zu tun gehabt, betont der israelische Kontaktmann. Er habe Barkay im Februar 2023 nur einmal rein zufällig kurz in einem Hotel in Berlin gesehen. Ansonsten standen sie telefonisch im Kontakt. Er habe stets unseriös gewirkt. Dazu kommentiert Zeuge: "Er [Anm. d. Red.: Barkay] ist nicht mein Typ, er erzählt zu viel."
Diese Einschätzung habe er auch dem Familienanwalt mitgeteilt, so der Zeuge. Er habe den Kontakt zu Barkay auch nur hergestellt, "um Informationen für die Familienangelegenheit über Hensel herauszubekommen", nicht wegen Cybersicherheitsfragen. Die Geschichte mit der Kindesentführung, so betont der Zeuge erneut, "war kein Thema für mich".
Nebenklage bohrt nach: Woher kennt der Zeuge Barkay?
Als die Nebenklage wissen will, wer den Kontakt zwischen dem Zeugen und Barkay hergestellt habe, spitzt sich die Situation zu. Der israelische Kontaktmann weigert sich, den Namen zu nennen. "Sensible Informationen, wie Namen, kann ich nicht herausgeben", erklärt er. Die Fragestellung halte er im Übrigen für unzulässig. Er griff auch den Nebenklagevertreter Dr. Philip von der Meden an: "Sie haben keine Ahnung in diesem Bereich und versuchen, mir das vorzuhalten." Eine andere Frage von der Medens im Zusammenhang mit einer früheren Firma des Zeugen im Zusammenhang mit Barkay und dem Block-Fall bezeichnete dieser als "dumm".
Der Anwalt des Zeugen greift ein und stellt infrage, ob die Frage überhaupt prozessrelevant sei. Der Zeuge weist vehement auf seine Geheimhaltungspflicht in israelischen Sicherheitskreisen hin. Hildebrandt überlegt und weist die Frage der Nebenklage zunächst zurück. Sie hält es für möglich, dass Leib und Leben der betroffenen Person gefährdet sein könnten, wenn der israelische Kontaktmann jetzt Namen offenlegte.
Die Staatsanwaltschaft und von der Meden halten dagegen. Er erklärt, die Begründung für die Geheimhaltung der Namen sei "nicht nachvollziehbar", zudem sei es "nicht irrelevant", unter welchen Umständen der Kontakt zwischen dem Zeugen und Barkay zustande gekommen sei.
Dann wird es richtig geheimnisvoll: Als im weiteren Verlauf eine Befragung des Zeugen unter Ausschluss der Öffentlichkeit erwogen wird, beruft sich der Israeli auf ein Auskunftsverweigerungsrecht für Berufsgeheimnisträger nach § 53 Strafprozessordnung (StPO). Er sei schließlich ehemaliger Mitarbeiter des israelischen Geheimdienstes gewesen. Auch ein Verweigerungsrecht nach § 55 StPO wirft er in den Raum, da ihm unter Umständen eine strafrechtliche Verfolgung in Israel drohe. Als von der Meden dieses infrage stellt, mahnt die Vorsitzende den Anwalt: "Sehr gefährliches Terrain, auf das Sie sich begeben, sehr heikel." Daneben sei es, so der Zeuge, praktisch ohnehin irrelevant, ob die Öffentlichkeit ausgeschlossen werde. Es seien während der gesamten Zeit sensible Informationen, die nicht Gegenstand des Prozesses waren, an die Presse weitergegeben worden.
Befragung unter Ausschluss der Öffentlichkeit
Nach längerer Beratung entscheidet die Kammer, die Öffentlichkeit für diesen Teil der Vernehmung auszuschließen. Grundlage hierfür ist § 172 Nr. 1a Gerichtsverfassungsgesetz (GVG), der von dem Grundsatz der Öffentlichkeit (§ 169 Abs. 1 Satz 1 GVG) bei Gefährdung des Lebens, des Leibes oder der Freiheit eines Zeugen oder einer anderen Person eine Ausnahme macht.
In der Begründung dafür, warum die Öffentlichkeit auszuschließen sei, verweist das Gericht darauf, dass der Kontaktmann Teil der israelischen Einheit für elektronische Fernmeldeaufklärung gewesen sei. Er verkehre außerdem in “höchsten Sicherheitskreisen”, sogar die "Staatssicherheit der Bundesrepublik Deutschland" könne gefährdet werden.
Das große Finale bekommt also niemand von außen mit: Nach dem Ausschluss der Öffentlichkeit, welche ungefähr eine Stunde dauerte, kehrt das Publikum in den Saal zurück. Es herrscht angespannte Stille, als die Sitzung fortgesetzt wird. Der Zeuge wird unvereidigt entlassen.
Emotionale Einlassung Blocks am Ende des Tages
Im Anschluss an die Zeugenvernehmung äußert sich Christina Block erneut zu den Fragen der Nebenklage. Wieder geht es um die mögliche Unzulässigkeit der Fragen, denn es handelt sich um Vorhalte, die auf Erkenntnissen aus den von Blocks IT-Asservaten basieren. Schon früh warf die Verteidigung im Prozess die Frage auf, ob die Datenträger nicht einem Beweisverwertungsverbot unterliegen, weil sie nicht ordnungsgemäß beschlagnahmt worden seien. Die Kammer hält die Fragen gegenwärtig für zulässig, so auch am Mittwoch.
Block erklärt sich mit Blick auf laufende Berichterstattung: "Ich stehe massiv unter Druck." Sie beschreibt, dass die "Realität von außen die Realität im Gerichtssaal überholt" habe. Sie wolle, so ihre Worte, "auch wieder eine Stimme bekommen", auch damit ihre Kinder "hören, was ihre Mama sagt". Sie schildert ihre Lage als "kaum erträglich": "Ich frage mich mittlerweile: Wer schützt mich? Es kursieren so viele Falschinformationen. Ich werde flächendeckend vorverurteilt. Das ist nicht mehr auszuhalten für mich."
Sie betont erneut, sie habe "mit der Silvesternacht nichts zu tun". Auf die Frage, warum sie zum Zeitraum der Tat nach einem Kindertraumatherapeuten gegoogelt und einen Kontakt weitergeleitet habe, wie die Ermittler aus ihrem Handy ausgelesen hätten, sagt sie: "Ich mache das beinahe täglich." Sie habe sich daran gewöhnt, Funde und Erkenntnisse mit den Menschen in ihrem Umfeld zu teilen. In diesem Zusammenhang erklärt Block: "Ich bin eine Mutter, deren Kinder wie in einer dunklen Kiste verschwunden sind."
Über ihren Ex-Mann Stephan Hensel sagt sie: "Ich habe meine jüngeren Kinder zu wenig vor der Wut geschützt, die ihr Vater gegen ihre Mutter hat. Ich habe zu wenig bemerkt, wie er sie zerriss und innerlich entzweite." Unter Hinweis auf ihren christlichen Glauben äußert sie, allein die Hoffnung, dass eine Lösung für ihre Kinder möglich sei, gebe ihr die Kraft, morgens aufzustehen. Delling habe sie mit der Zeit ermutigt, ihr "Leid nicht andauernd nach außen hin zu kaschieren und zu zeigen: Ich bin eine verzweifelte Mutter! Mir war zum Weinen zumute und dem ist heute nicht anders. Mir wird Angst und Bange, wenn ich an meine Kinder denke."
Weiter geht es am Mittwoch, den 29. Oktober 2025.
Israelischer Kontaktmann sagt im Block-Prozess aus: . In: Legal Tribune Online, 15.10.2025 , https://www.lto.de/persistent/a_id/58394 (abgerufen am: 14.11.2025 )
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