Am 15. Verhandlungstag berichten Augenzeugen von der Entführung in der Silvesternacht 2023/24, während ein emotionaler Brief der Großeltern und Erklärungen zu psychischer Belastung der Kinder sowie Blocks Einlassungen für Spannung sorgen.
Der am Dienstag stattgefundene Verhandlungstag im Prozess gegen Christina Block und weitere Angeklagte beginnt in bemerkenswert ruhiger Atmosphäre. Der Verhandlungssaal wirkt geordnet, konzentriert, beinahe routiniert. Block zeigt sich wach und gefasst, während Nebenkläger Stephan Hensel ernst, angespannt und sichtlich erschöpft erscheint.
Für den Tag sind vier Zeugen geladen: drei aus Dänemark für den Vormittag, sowie ein Mitarbeiter einer Autovermietung für den Nachmittag. Der israelische Mitangeklagte betritt wie gewohnt den Saal, grüßt knapp mit einer kurzen Kopfbewegung in alle Richtungen. Niemand reagiert, nur Hensel erwidert den Gruß mit einem angedeuteten Lächeln.
Die Atmosphäre bleibt angespannt. Regelrecht greifbar die Gegensätze im Saal: die gegenseitige Abneigung der beiden Parteien und gleichzeitig ihre unauflösliche Verstrickung. Das zeigt sich neben den stetigen Bemerkungen besonders, als die Sitzordnung für die Zeugenvernehmungen geändert werden soll, um allen Beteiligten den Blickkontakt mit den Zeugen zu ermöglichen, und dennoch auf ausreichend räumlichen Abstand zwischen Block und Hensel zu achten.
Erklärungen der Verfahrensbeteiligten
Gül Pinar, die Verteidigerin des mitangeklagten Sicherheitsunternehmers, ergriff zuerst das Wort. In ihrer Erklärung gemäß § 257 Abs. 1 Strafprozessordnung (StPO) im Anschluss an die Vernehmung und Befragung Hensels betont sie, die psychische Beeinträchtigung der Kinder sei bereits durch deren Entziehung durch Hensel und die anschließende Lebenssituation unter Hensels Obhut begründet. Eine spätere Entwicklung könne daher nicht Ausdruck einer stabilen, unbelasteten Situation sein, sondern müsse als Folge der bereits zuvor eingetretenen Entfremdung gewertet werden. Damit stellte sie infrage, inwieweit die nach der Silvesternacht festgestellten psychischen Belastungen isoliert betrachtet werden können. Hensel hatte die gemeinsamen jüngeren Kinder nach einem Umgangswochenende im August 2021 bei sich in Dänemark behalten. Sie sind daraufhin nicht mehr zu Block zurückgekehrt, obwohl sie zu diesem Zeitpunkt das alleinige Aufenthaltsbestimmungsrecht für die Kinder hatte.
Die Einlassung Blocks, so Pinar, bestätige zugleich, dass ihr Mandant zu Christina Block selbst keinerlei Kontakt gehabt habe. Ansprechpartner und Auftraggeber einer Geschenkübergabe im Dezember 2023, welche ihr Mandant durchgeführt haben soll, sei allein Eugen Block gewesen. Dies gelte darüber hinaus auch für die Überwachung Blocks Wohnhauses im Anschluss an die Silvesternacht 2023/24, welche aufgrund des erheblichen Medienaufkommens erforderlich gewesen sei.
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Dr. Philip von der Meden, Vertreter der Nebenklage, wendet sich daraufhin mit einer Erklärung der Nebenklage in Bezug auf die Einlassung und Antworten Blocks gemäß § 397 Abs. 1 Satz 1 in Verbindung mit § 257 Abs. 1 StPO an das Gericht und verweist auf ein Teilschweigen Blocks. Er betont, sie habe sich auf einige der von ihm gestellten Fragen hinsichtlich Inhalten ihres Mobiltelefons nicht eingelassen. Ausdrücklich bezieht er sich dabei auf einen Tagebucheintrag Blocks auf ihrem Handy unmittelbar vor der Silvesternacht 2023/24: "Ich weiß nicht wann es losgeht, sie sagen mir nichts." Die Verwertbarkeit dieser IT-Asservate ist aufgrund einer bislang ungeklärten Beschlagnahmesituation derzeit offen.
Als er im Anschluss ausführliche Darstellungen zu der familienrechtlichen Situation zwischen deutschen und dänischen Gerichtsentscheidungen vornimmt, kommt es zu einer deutlichen Verwarnung der Vorsitzenden Richterin Isabel Hildebrandt: Sie mahnt von der Meden, den Rahmen zulässiger Erklärungen in Bezug auf die Einlassung der Angeklagten einzuhalten, nachdem dieser juristische Wertungen abgegeben hatte. Als von der Meden fortführt und Pinar ihn unterbricht, kommt es zu einer kurzen, aber aufgeheizten lautstarken Auseinandersetzung zwischen ihr und der Vorsitzenden. Die Vorsitzende nimmt zu Protokoll auf, dass Pinar ordnungswidrig das Wort ergreife, obwohl die Vorsitzende von der Meden das Wort erteilt habe.
Das alleinige Aufenthaltsbestimmungsrecht Blocks bestand bis zum 05. Januar 2024, als das Hamburger Oberlandesgericht es ihr infolge der Vorfälle der Silvesternacht 2023/24 entzog. Im Hinblick darauf stellte der Verteidiger des mitangeklagten Rechtsanwalts der Familie in den Raum, ob eine Verwirklichung des Tatbestandes der Kindesentziehung gemäß § 235 StGB in Fällen bereits erfolgter Kindesentziehung, in diesem Fall mutmaßlich durch den Kindesvater Hensel durch das Zurückhalten der Kinder in Dänemark, überhaupt möglich sei.
Zeugen aus Dänemark berichten über die Silvesternacht
Im Mittelpunkt des heutigen Beweisprogramms standen die Aussagen der dänischen Zeugen, die in der Silvesternacht 2023/24 Beobachtungen am Hafen der dänischen Stadt Gravenstein gemacht hatten. Dabei handelt es sich um den Tatort und den damaligen Wohnort Hensels.
Der anwesende Zeuge schilderte, er habe kurz vor Mitternacht mehrere graue Fahrzeuge gesehen, die sich in der Nähe des Kais positioniert hätten. Eine Viertelstunde später habe er beobachtet, wie "ein Kind in ein Auto verfrachtet" und "ein zweites Kind sich erheblich gewehrt" habe. Zwei Personen hätten es "an Armen und Beinen festgehalten." Ein Mann sei hinter den Fahrzeugen hergelaufen, habe gerufen und etwas geworfen.
Die beiden weiteren dänischen Zeugen erschienen nicht zur Aussage. Ihre, von der dänischen Polizei angefertigten, Vernehmungsprotokolle wurden gemäß § 249 Abs. 1 StPO von der Vorsitzenden verlesen. Die Verlesung stellt eine Ausnahme vom Unmittelbarkeits- und Mündlichkeitsgrundsatz der §§ 250 ff. StPO dar, die die Zustimmung aller Verfahrensbeteiligten und einen gerichtlichen Beschluss voraussetzt. Die Vernehmungsprotokolle bestätigen den Aufenthalt der Fahrzeuge und die Mitnahme der beiden Kinder. Insbesondere sei deutlich gewesen, dass zumindest ein Kind "offensichtlich nicht mitwollte", da es nicht selbstständig eingestiegen sei.
Der Brief der Großeltern
Sodann verlas die Vorsitzende einen von den dänischen Zeugen in Bezug genommenen Brief Christa und Eugen Blocks an die Nachbarn Hensels in Gravenstein, datiert auf den 24. Januar 2023. Die Großeltern schilderten darin ihre tiefe Sorge: "Wir sind zutiefst besorgt und in Aufregung. Wir haben unsere Enkelkinder seit 17 Monaten nicht mehr gesehen oder in Freiheit gesprochen."
Sie baten die Nachbarn, die Kinder anzusprechen, falls sie ihnen begegneten, und ihnen zu sagen, dass "ihre Mutter, die große Schwester und die Großeltern in Gedanken bei ihnen sind."
Der Brief wurde von der Verteidigung Blocks als Beleg dafür angeführt, dass sich die Familie bereits lange vor der Tat selbstständig und ohne Beteiligung Christina Blocks um eine Annäherung bemüht habe.
Lichtbilder der Fahrzeuge: Spur zum Grand Elysée
Am Nachmittag nahm das Gericht Lichtbilder der sichergestellten Fahrzeuge in Augenschein. Die Vernehmung des Mitarbeiters einer am Hamburger Flughafen ansässigen Autovermietung, deren Fahrzeuge in der Silvesternacht genutzt wurden, ergab den Anmietungszeitraum vom 29. Dezember 2023 bis 05. Januar 2024. Die Autos wurden allerdings bereits am 01. Januar zurückgegeben. Die Navigationssysteme zeigten das der Familie Block gehörende Hotel Grand Elysée als eines der letzten Ziele. Parktickets stammten ebenfalls von dort. Nachweislich hielt sich Block in der Silvesternacht selbst im Hotel auf.
Der Verhandlungstag endete ungewöhnlich früh, rund zwei Stunden vor dem regulären Sitzungsende.
Weiter geht es am Mittwoch, den 8. Oktober 2025.
Kindesentziehungsprozess gegen Christina Block: . In: Legal Tribune Online, 07.10.2025 , https://www.lto.de/persistent/a_id/58328 (abgerufen am: 07.11.2025 )
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