Im Prozess gegen Christina Block entbrennt eine hitzige Auseinandersetzung um Verteidigerrechte. Nebenkläger Hensel berichtet über die psychische Belastung der Kinder mit Aussagen, die stellenweise für Irritationen im Saal sorgten.
Nach einer fast dreiwöchigen Sitzungspause ging das Verfahren gegen Christina Block und sechs weitere Angeklagte am 11. Verhandlungstag weiter. Der Saal war gefüllt, die Atmosphäre angespannt. Die Angeklagten, darunter Block und Gerhard Delling, betraten den Raum verspätet, aber in gelöster Stimmung. Sie begrüßten die Anwesenden mit auffälliger Freundlichkeit. Währenddessen herrschte im Zuschauerraum rege Unruhe, Kommentare und Tuscheln verstärkten den Eindruck, dass es inzwischen weniger um die Sache selbst, sondern vielmehr um öffentliche Meinungsbildung im Rahmen eines Spektakels geht.
Die Befragung des Nebenklägers Stephan Hensel sollte fortgeführt werden. Seine demonstrativ ruhigen, beinahe geflüsterten Antworten auf Fragen von Blocks Anwalt Ingo Bott fielen besonders auf. So sehr, dass sie an der ein oder anderen Stelle zu Anmerkungen der Vorsitzenden Richterin Isabel Hildebrandt und Bemerkungen weiterer Verteidiger führten.
Hensels Erinnerungslücken und der Zustand der Kinder
Hensel berichtete auf Nachfrage der Sachverständigen Kinderpsychologin ausführlich von den psychischen Belastungen der Kinder, vor allem des jüngeren Sohnes, insbesondere nach der Silvesternacht 2023/24: Albträume, Angstattacken, Einnässen. Besonders betonte er die Furcht vor "dunklen, südländischen Menschen", die die Kinder nach der Silvesternacht 2023/2024 entwickelt hätten. Dazu Hensel: "In Dänemark haben wir nicht so viele Leute davon." - ein Zusatz, der Befremden im Saal auslöste.
Er berichtete von wiederholten Umzügen zwischen "Safehouses" und dem Verlust jeglicher Normalität seit 2021. Die jüngere Tochter sorge sich insbesondere um ihren Vater und ihren Bruder. Die Anspannung habe sich vor allem auch bemerkbar gemacht, als die Familie nach Hamburg gefahren sei und dort übernachtet habe. Der Sohn habe eine Panikattacke bekommen. Dies habe sich neben "weichen Knien" durch "Zähneklappern" geäußert.
Blocks Verteidiger Bott bohrte immer wieder nach, er fragte vor allem nach konkreten Daten. Dabei verwies Hensel auf Erinnerungslücken: Wann er die einzige bei Block lebende Tochter zuletzt gesehen oder kontaktiert habe, wisse er beispielsweise nicht mehr genau. Auf konkrete, von ihm erhobene Vorwürfe oder Situationen angesprochen, insbesondere des Vorwurfs, Block habe Gewalt gegenüber den gemeinsamen Kindern ausgeübt, verwies er mehrfach darauf, er könne sich nicht erinnern und habe bei den Kindern nicht weiter nachgehakt. Hierzu führte Hensel aus: “Ich habe die Kinder immer erstmal gelassen. Ich höre nur zu. Astrid und ich verhalten uns so zurückhaltend, wie es nur geht."
Die Vorsitzende Hildebrandt intervenierte einige Male, was die Relevanz der Fragen Botts an Hensel anging und soweit sie das Vorgeschehen zur Silvesternacht betrafen. Beispielsweise ging es einmal darum, wie Hensel deutschen Behörden gegenüber eingestellt sei. Dabei stellte sich unter anderem heraus, dass Hensel seine Kinder lediglich in Dänemark unter psychologische Betreuung gestellt hat. Auf Nachfrage der Vorsitzenden kommentierte Bott, dass es um die Glaubwürdigkeit des Hauptbelastungszeugen Hensel gehe. So, wie Hensel antworte, sei zweifelhaft, "dass irgendetwas, was hier gesagt wird, auch nur im Ansatz der Wahrheit entspricht."
Hensel berichtete auch von der Zeit vor August 2021, als die Kinder noch bei Block in Hamburg lebten. Wenn sie zurückkamen, habe es im Auto gestunken. Sie hätten fettige Haare gehabt und schmutzige Kleider getragen. Bei den Ausführungen Hensels zum angeblich desolaten Hygienezustand der Kinder bei den Umgangswochenenden kam es zu lautem Gelächter im Zuschauerraum, wogegen die Vorsitzende entschieden intervenierte. Diese ermahnte scharf: "Das ist hier kein Unterhaltungstheater! Es geht hier um sehr viel und ich bitte um Ruhe."
Verteidiger kritisieren Verfahrensführung durch die Vorsitzende
Bereits zu Beginn des elften Verhandlungstages entbrannte ein Konflikt um einen "unaufschiebbaren Antrag" des Verteidigers Dr. Voss, dem Anwalt von Blocks Familienanwalt. Dieser richtete sich gegen die Befragung Hensels durch die Sachverständige Kinderpsychologin zur Gesundheit der entführten Kinder im Anschluss an die Silvesternacht 2023/24. Dieser Streit mit der Vorsitzenden Richterin Hildebrandt sollte Anfang und Ende des Verhandlungstages bestimmen. Die Verteidigung pochte auf ihr Recht, diesen Antrag noch vor der Fortführung der Befragung Stephan Hensels stellen zu dürfen. Wegen der Verweigerung der Worterteilung durch die Vorsitzende Richterin stellte Voss einen Beanstandungsantrag gegen die Verfahrensleitung nach § 238 Abs. 2 Strafprozessordnung (StPO).
Die Vorsitzende jedoch verweigerte wiederholt die Worterteilung und stellte auf den Standpunkt ab, dass die Antragstellung auch zu einem späteren Zeitpunkt ohne Rechtsverlust möglich sei. Voss empfand diese Entscheidung allerdings als einen gravierenden Eingriff in die Verfahrensrechte. Auslöser für den Streit war, dass die Sachverständige erstmals an einem Verhandlungstag dabei war, an dem die Hauptbelastungszeugen, Hensel und dessen Lebensgefährtin Have, geladen waren. Die Verteidigung befürchtete, dass hierdurch der Eindruck der Sachverständigen verstellt werden könne, was die psychische Gesundheit der Kinder nach der Entführung in der Silvesternacht 2023/24 angeht. Schließlich sei eine einseitige Beeinflussung der Sachverständigen zu befürchten, wenn sie immer nur dann im Gerichtssaal sitzt, wenn auch Hensel und Have da sind. Ein unverstellter, ungefilterter Blick sei auch im Nachhinein durch Akteneinsicht nicht mehr gewährleistet.
Am Ende bestätigte die Kammer die Anordnung der Vorsitzenden: Die Anträge müssten nicht sofort behandelt werden, die Vorsitzende müsse den Verfahrensbeteiligten hierfür das Wort gewähren. Verteidiger Voss sah darin eine formelhafte Ablehnung, die den Kern des Problems nicht beantwortete. Als er am Ende des Verhandlungstages das Wort erhielt, lehnte er es ab, den Antrag zu stellen. Der sei nun prozessual überholt. Er stellte stattdessen einen Protokollierungsantrag mit dem Inhalt, dass die Kammer am Vormittag einen unaufschiebbaren Antrag abgelehnt habe, obwohl ihr bekannt gewesen sei, dass ein Rechtsverlust durch Zeitablauf bis zum Abend erfolgen werde. Diese Auseinandersetzung solle nach § 273 Abs. 3 StPO festgehalten werden. Nur so bleibt der Vorgang später im Rechtsmittelverfahren angreifbar.
Am Ende des Tages ging es verbal persönlich und scharf gegen die Arbeitsweise der Vorsitzenden Richterin. Verteidiger Voss: "Es kann nicht sein, dass Sie sämtliche Anträge der Verteidigung einseitig ablehnen." Als die Vorsitzende anmerkte, dass er den Antrag noch gar nicht stellen konnte, weil sie ihm das Wort nicht erteilt habe, entgegnete dieser: "Unsere Pflicht als Verteidiger ist es, das Wort zu erheben, wenn es für die Durchsetzung unserer Rechte notwendig ist." Er drohte der Vorsitzenden mit der erneuten Stellung eines Befangenheitsantrags. Die Verteidigerin des angeklagten Inhabers einer Sicherheitsfirma, Gül Pinar, formulierte den Widerspruch besonders deutlich mit einer Frage in Richtung der Vorsitzenden: "Wie soll die Verteidigung unter diesen Umständen von nun an mit Ihnen umgehen? Ihr Verhalten wird den Ansprüchen an ein faires Verfahren nicht gerecht."
Schon am Dienstag, 23. September, geht es mit dem zwölften Verhandlungstag weiter.
Kindesentführungsprozess gegen Christina Block: . In: Legal Tribune Online, 22.09.2025 , https://www.lto.de/persistent/a_id/58201 (abgerufen am: 09.11.2025 )
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