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Kinderrechte im Grundgesetz: Bun­des­tags­ju­risten bemän­geln BMJV-Ent­wurf

von Hasso Suliak

21.01.2020

Kinder

(c) Mikhaylovskiy - stock.adobe.com

Kinderrechte sollen gestärkt und im Grundgesetz fest verankert werden. Ein vom BMJV vorgelegter Gesetzentwurf genügt nach Meinung des wissenschaftlichen Dienstes des Bundestages jedoch nicht den Vorgaben der UN-Kinderrechtskonvention.

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Im Koalitionsvertrag haben sich Union und SPD darauf verständigt: "Wir werden ein Kindergrundrecht schaffen". Gesagt, getan: Im November vergangenen Jahres präsentierte Bundesjustizministerin Christine Lamprecht nach Auswertung eines umfangreichen Abschlussberichtes einer Bund-Länder-Arbeitsgruppe ihren Vorschlag für eine Ergänzung von Art. 6 Grundgesetz (GG) um einen neuen Absatz 1a.

Dieser lautet: "Jedes Kind hat das Recht auf Achtung, Schutz und Förderung seiner Grundrechte einschließlich seines Rechts auf Entwicklung zu einer eigenverantwortlichen Persönlichkeit in der sozialen Gemeinschaft. Das Wohl des Kindes ist bei allem staatlichen Handeln, das es unmittelbar in seinen Rechten betrifft, angemessen zu berücksichtigen. Jedes Kind hat bei staatlichen Entscheidungen, die seine Rechte unmittelbar betreffen, einen Anspruch auf rechtliches Gehör."

Nach Einschätzung eines LTO vorliegenden Gutachtens des wissenschaftlichen Dienstes des Deutschen Bundestages bleiben diese Formulierungen jedoch "bezüglich der Beteiligungs- und Mitspracherechte der Kinder hinter den völkerrechtlichen Staatenverpflichtungen aus Art. 12 UN-Kinderrechtskonvention (UN-KRK) zurück". Es könnten sich Interpretationsprobleme ergeben, warnen die Bundestagsjuristen.

Linke: GG-Änderung so "nicht zustimmungsfähig"

Die UN-KRK enthält in ihrem Art. 12 umfassende Mitwirkungsrechte für Kinder. Sie sollen zum Beispiel das Recht bekommen, sich in allen sie berührenden Angelegenheiten frei zu äußern, ihre Meinung soll entsprechend ihres Alters und ihrer Reife angemessen berücksichtigt werden und sie sollen bei allen sie tangierenden Gerichts- oder Verwaltungsverfahren entweder unmittelbar oder durch einen Vertreter oder eine geeignete Stelle im Einklang mit den innerstaatlichen Verfahrensvorschriften gehört werden.

Kritisiert wird nunmehr von einigen Juristen, worauf sich auch die Gutachter des Bundestages beziehen: Im Gesetzentwurf des BMJV werde nur auf bloße Selbstverständlichkeiten hingewiesen und nicht im nicht im Sinne der UN-KRK eine alters- und reifeangemessene Berücksichtigung von Kindern präzisiert, die über das bloße rechtliche Gehör nach Art. 103 Abs. 2 GG hinausgeht. Der Linken-Bundestagsabgeordnete Norbert Müller, der das Gutachten in Auftrag gegeben hatte, sagte dazu gegenüber LTO: "Nach den ausgiebigen Diskussionen der vergangenen Jahre glaube ich nicht, dass diese Lücke auf ein Versehen zurückzuführen ist. Beteiligung von Kindern und Jugendlichen wird hier bewusst ausgeklammert. Die Bundesregierung muss jetzt dringend nacharbeiten. In der jetzigen Form ist die Grundgesetzänderung für uns so nicht zustimmungsfähig."

Um das neue Kindergrundrecht im Grundgesetz zu verankern, müsste in Bundestag und Bundesrat jeweils eine Zweidrittelmehrheit dafür stimmen. Bei dem aktuellen Entwurf könnte es offenbar schwer werden, diese zu erreichen – zumal der Entwurf nicht nur wegen seines Verhältnisses zu geltendem internationalen Recht kritisiert wird.

Ein Eingriff ins Elterngrundrecht?

Denn während Grünen und Linken der Entwurf aus dem BMJV nicht weit genug geht, befürchtet die FDP, dass zu starke Formulierungen zu Eingriffen des Staats in die Familie führen könnten. Konkret denken die Liberalen dabei an das sogenannte Elterngrundrecht aus Art. 6 Abs. 2 S. 1 GG, das die Beziehung zwischen Eltern und Kind vor staatlichen Eingriffen schützt. Dem Staat kommt in dieser Beziehung nur ein Wächteramt zu (Art. 6 Abs. 2 S. 2 GG).

Auch unter diesem Aspekt gibt der Vorschlag aus dem BMJV den Juristen des Bundestages Anlass zur Sorge: Zwar heiße es in der Gesetzesbegründung, dass die Rechte der Eltern nach Art. 6 GG "nicht angetastet" würden. Es sei aber offen, so die Gutachter, "ob die Hervorhebung der Kinderechte (durch explizite Nennung der Rechte auf Achtung, Schutz und Förderung, einschließlich des Rechts auf Entwicklung) nicht eine veränderte Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts nach sich ziehen könnte, in der sich die Hervorhebung auch gegenüber dem Elterngrundrecht niederschlägt".

Unterdessen zeigt man sich im BMJV von der Kritik der Bundestagsjuristen einigermaßen unbeeindruckt. Ein Ministeriumssprecher sagte zu LTO: "Die Ziele der UN-Kinderrechtskonvention, den Rechten des Kindes Aufmerksamkeit und Geltung zu verschaffen, sie zu beachten, zu schützen, zu gewährleisten und zu fördern sowie staatliches und elterliches Verhalten am Wohl des Kindes zu orientieren, lassen sich schon heute unter Berücksichtigung der umfangreichen Rechtsprechung auch aus dem Grundgesetz ableiten. Dies ist in der Begründung des Gesetzentwurfs ausgeführt." Und außerdem, so der Sprecher, verpflichte "weder die UN-KRK noch das übrige Völkerrecht dazu, Kinderrechte in nationale Verfassungen aufzunehmen".

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Kinderrechte im Grundgesetz: . In: Legal Tribune Online, 21.01.2020 , https://www.lto.de/persistent/a_id/39811 (abgerufen am: 16.11.2025 )

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