Druckversion
Freitag, 7.11.2025, 16:10 Uhr


Legal Tribune Online
Schriftgröße: abc | abc | abc
https://www.lto.de//recht/hintergruende/h/kinderpornografie-184b-stgb-strafrahmen-verbrechen-vergehen-verfassungswidrig-buschmann
Fenster schließen
Artikel drucken
51295

Kinderpornografie im StGB: Marco Busch­mann schiebt Kor­rektur auf die lange Bank

von Hasso Suliak

13.03.2023

Bundesjustizminister Marco Buschmann und seine Vorgängerin Christine Lambrecht

Bundesjustizminister Marco Buschmann soll die Reform seiner Vorgängerin Christine Lambrecht bei der Kinderpornografie wieder zurückdrehen. Foto: picture alliance/dpa | Michael Kappeler

Ist es nur noch eine Frage der Zeit, bis die von der GroKo beschlossenen Strafverschärfungen im Bereich Kinderpornografie wieder zurückgenommen werden? 16 Landesjustizminister und nun auch die SPD fordern das BMJ zum Handeln auf.

Anzeige

Mit breiter Mehrheit hatten sich bereits im November vergangenen Jahres die Landesjustizminister:innen dafür ausgesprochen , die in der letzten Wahlperiode von der GroKo verabschiedeten und unter Strafrechtler:innen äußerst umstrittenen Verschärfungen  im Bereich Kinderpornografie teilweise wieder rückgängig zu machen. Jetzt scheinen sich laut Medienberichten auch die Rechtspolitiker:innen der Ampelfraktionen im Bundestag einig zu sein. Konkret heißt das: § 184b Strafgesetzbuch (StGB), der u.a. die Verbreitung und den Besitz kinderpornografischer Inhalte sanktioniert, könnte wieder vom Verbrechen zum Vergehen zurückgestuft werden. Alternativ könnte auch eine Regelung für minder schwere Fälle vorgesehen werden. Noch nicht hundertprozentig überzeugt von einer Korrektur scheint indes der Bundesjustizminister.


Es ist noch nicht lange her, dass sich die große Koalition aus SPD und Union nach dem Bekanntwerden tragischer Fälle von Kindesmissbrauch in Nordrhein-Westfalen in der vergangenen Wahlperiode den 13. Abschnitt des StGB vorknöpfte und im Rahmen eines "Reformpaketes zur Bekämpfung sexualisierter Gewalt gegen Kinder"  reihenweise Straftatbestände verschärfte: So etwa § 176 StGB, der sexuelle Handlungen an Kindern mit Körperkontakt unter Strafe stellt, wie auch § 184b StGB, der u.a. die Verbreitung und den Besitz kinderpornografischer Inhalte unter Strafe stellt.

Beide Tatbestände wurden von Vergehens- zu Verbrechenstatbeständen hochgestuft. Mindestfreiheitsstrafe ist nun ein Jahr, auf einen minder schweren Fall wurde im Gesetz verzichtet. Die damalige Bundesjustizministerin Christine Lambrecht (SPD) hatte bei dem Thema eine fulminante Kehrtwende  vollzogen: Erst sprach sie sich Bundesjustizministerin Christine Lambrecht gegen Strafverschärfungen für sexuellen Kindesmissbrauch und Kinderpornografie aus. Im Interview mit LTO sagte sie dann: "Ich will, dass auch der Besitz von Kinderpornografie zum Verbrechen hochgestuft wird."

Amtsgerichte und Strafverfolger: "Vorschrift unpraktikabel und verfassungswidrig"

In den vergangenen Monaten hatte es an der Neuregelung nunmehr zunehmend Kritik aus der Praxis, insbesondere von Strafverfolger:innen, gegeben.  Die Neuregelung führte dazu, dass sogar gegen Lehrer:innen, Betreuer:innen oder andere Aufsichtspersonen ermittelt werden musste, die kinderpornografisches Material an sich genommen hatten, ohne dass es ihnen dabei auf den Besitz des inkriminierten Inhalts selbst ankam. Eltern können sich nach der Regelung z.B. strafbar machen, wenn sie entsprechende Fotos auf den Handys ihrer Kinder finden und an andere Eltern der Schulklasse zur Warnung oder Prüfung weiterschicken. Auch "Spaßvideos", die Kinder auf dem Schulhof teilen, können in den Anwendungsbereich fallen. Durch die Heraufstufung zum Verbrechen würde den Ermittlern auch ein flexibles Instrumentarium aus der Hand genommen, nämlich Verfahren in bestimmten Konstellationen auch einzustellen – ggf. gegen Auflagen (§§ 153, 153a Strafprozessordnung).

Inzwischen halten auch diverse Gerichte die Vorschrift des § 184b für verfassungswidrig. Zwei Amtsgerichte (AG), darunter das AG München , haben sie per Richtervorlage zur Prüfung dem Bundesverfassungsgericht (BVerfG) vorgelegt. Laut BVerfG halten sie "die im Gesetz vorgesehene Mindeststrafe von einem Jahr bei atypischen Grenzfällen, wie dem unbedachten Versand eines Screenshots eines Chats von Schülerinnen mit einer Nacktaufnahme einer Schülerin in der Elternchatgruppe der Klasse für eine unverhältnismäßige Sanktion". Die Vorschrift verletze das verfassungsrechtliche Übermaßverbot.

Nun hatten die Landesjustizminister:innen schon im November 2022 Bundesjustizminister Marco Buschmann (FDP) darum gebeten, die Verschärfung wieder rückgängig zu machen. Er soll einen Gesetzentwurf vorlegen, der für die Tatbestände des § 184b Absatz 1 StGB "entweder eine Herabstufung zum Vergehen oder eine Regelung für minder schwere Fälle vorsieht und die Mindeststrafe in § 184b Absatz 3 StGB im Hinblick auf die Bandbreite des möglichen Handlungsunrechts auf unter ein Jahr Freiheitsstrafe festlegt", wie es in dem damaligen Beschluss heißt.

Buschmanns Sorge vor politischer Diffamierung

Indes: Ob der Bundesjustizminister dieser Forderung allerdings nachkommt, ist noch immer nicht klar. Seit Monaten heißt es aus dem Ministerium, man prüfe gesetzgeberischen Handlungsbedarf. Verwunderlich, da dieser eigentlich längst feststeht. Und auch, nachdem sich nun offenbar auch die Fraktionen über eine Entschärfung des Tatbestandes einig sind, gibt es von Marco Buschmann noch keine klare Ansage. Das Bundesministerium der Justiz nehme die in jüngerer Zeit vermehrt geäußerten Bedenken gegen die Neufassung von § 184b StGB sehr ernst. "Man prüfe derzeit gesetzgeberischen Handlungsbedarf und mögliche Handlungsoptionen", so eine Sprecherin zu LTO am Montag. Es ist nahezu derselbe "Sprech" wie im November.

Womit Buschmanns Zurückhaltung zusammenhängt, darüber kann nur spekuliert werden. Bayern Justizminister Georg Eisenreich (CSU) hatte nach der letzten Justizministerkonferenz berichtet, dass Buschmann in der internen Runde auf das "politische Diffamierungspotential" bei diesem Thema hingewiesen habe. Nachvollziehbar, denn eine Botschaft "Ampel entschärft die Strafbarkeit bei Kinderpornografie" ist zumindest für den strafrechtlich nicht vorgebildeten Bürger erklärungsbedürftig.

SPD fordert Gesetzesvorschlag aus dem BMJ

Eine andere Erklärung für Buschmanns Zögern könnte aber auch sein, dass er bei dem heiklen Thema erst einmal die Position des stärksten Koalitionspartners SPD abwarten wollte. Schließlich waren es die Sozialdemokraten, die in der Großen Koalition die Änderungen gegen die Bedenken von FDP und Grünen verabschiedet hatten.

Gut möglich also, dass nach aktuellen Aussagen des parlamentarischen Geschäftsführers der SPD-Bundestagsfraktion, Johannes Fechner, auch der Bundesjustizminister bald beim unangenehmen Thema Kinderpornografie aus der Deckung kommt. Denn ausgerechnet die SPD setzt Buschmann nun unter Druck und fordern von ihm einen Gesetzesvorschlag:

"Staatsanwälte brauchen die Möglichkeit, bei Bagatellfällen von der Strafverfolgung absehen zu können. Heute binden Bagatellfälle viel Personal bei Polizei und Justiz, das dringend für die Verfolgung von schweren Sexualstraftaten benötigt wird. Um schwere Sexualstraftaten effektiver verfolgen zu können, sollten wir das Gesetz ändern. Dafür sehe ich Zuspruch in den Ampelfraktionen, weshalb Minister Buschmann rasch einen entsprechenden Gesetzesvorschlag vorlegen sollte", so Fechner auf LTO-Anfrage. Eine frühere Korrektur, so der SPD-Mann, habe zu GroKo-Zeiten die Union verhindert.

CDU-Rechtspolitiker und MdB Prof. Günter Krings wies diesen Vorwurf gegenüber LTO zurück: "Hinsichtlich des Strafrahmens betreffend Kinderpornografie hatte die Union sich für eine differenzierte Lösung ausgesprochen, nachdem der Vorschlag der damaligen Bundesjustizministerin Lambrecht von verschiedenen Sachverständigen in der Anhörung des Rechtsausschusses kritisiert worden war. Unser damaliger rechtspolitische Sprecher hatte Frau Lambrecht sogar einen schriftlichen Vorschlag übermittelt, der aber von ihr abgelehnt wurde." *

*Anmerkung der Redaktion: Unions-Replik wurde am 17.03.2023 (11.15 Uhr) ergänzt.

  • Drucken
  • Senden
  • Zitieren
Zitiervorschlag

Kinderpornografie im StGB: . In: Legal Tribune Online, 13.03.2023 , https://www.lto.de/persistent/a_id/51295 (abgerufen am: 09.11.2025 )

Infos zum Zitiervorschlag
  • Mehr zum Thema
    • Strafrecht
    • Einstellungsvoraussetzungen
    • Kinderpornografie
    • Sexualstrafrecht
    • Sexueller Missbrauch
    • Staatsanwaltschaft
    • Strafverfahren
Icons verschiedener Messenger-Dienste 03.11.2025
Überwachung

Kompromiss auf EU-Ebene:

Umfas­sende Chat­kon­trolle vom Tisch

Die EU-Kommission wollte Nachrichten bei WhatsApp & Co. automatisch prüfen lassen, um gegen Kinderpornografie vorzugehen. Nach Kritik aus Deutschland und anderen Ländern wird es erstmal keine anlasslose Chatkontrolle geben.

Artikel lesen
Ein menschliches Skelett in Bewegung. 03.11.2025
Beweise

3D-Modell zur Analyse von Bewegungen von Tatverdächtigen:

Zweifel am Beweis­wert digi­taler Ske­lette

Bei den Taten im Budapest-Komplex werden 3D-Modelle zum Beweis der Täterschaft herangezogen.Die Berechnung erfolgt mit KI. Der Beweiswert im Strafverfahren ist daher höchst fraglich, meinen Dominik Brodowski und Anne Zettelmeier.

Artikel lesen
Das Bild zeigt einen Mann, der nachdenklich wirkt, während er über kontroverse Themen spricht, möglicherweise im Kontext rechtlicher Diskussionen. 01.11.2025
Podcast - Die Rechtslage

Bolz-Tweet / Diskriminieren in Gottes Namen / Jura-Noten-Irrsinn:

"Im Fall Bolz ist vor allem die Empörung unver­hält­nis­mäßig"

Einmal Provozieren auf Twitter und die Polizei kommt nach Hause? Dürfen die Kirchen bei Bewerbern diskriminieren? Horror-Noten und Willkürverdacht - wie fair ist das Jura-Studium? Dies und mehr in Folge 45 des LTO-Podcasts Die Rechtslage.
 

Artikel lesen
Logo und Schriftzug Friedrich-Ebert-Stiftung e. V 31.10.2025
Rechtsstaat

Ausgaben für die Justiz:

Deut­sch­land liegt im euro­päi­schen Mit­tel­feld

Wie viel Geld geben die Bundesländer für ihre Justiz aus? Eine neue Studie des ifo-Instituts zeigt: Deutschland liegt im europäischen Mittelfeld, ist aber undynamisch: Wirklich planvoll und mit Konzept wird die Justiz nicht finanziert.

Artikel lesen
Eine Ärztin und eine Patientin im Gespräch. 30.10.2025
Krankenversicherung

Versicherungen für Juristen im Staatsdienst:

"Pri­vate Kran­ken­ver­si­che­rungen sind verpf­lichtet, ein Angebot zu machen"

Was ist die Beihilfe, muss man sich immer privat krankenversichern, hat das Nachteile und was ist, wenn man Vorerkrankungen hat? Bei Versicherungen für Juristen im Staatsdienst gibt es viele Mythen. Andreas Becker klärt sie auf.

Artikel lesen
Die Kammer des Landgerichts Hamburg, die über Blocks Fall entscheidet 29.10.2025
Prominente

Erneut Befangenheitsanträge im Block-Prozess:

"Eine nicht mehr hin­nehm­bare Ver­let­zung der Unschulds­ver­mu­tung"

Während der ehemalige Chef des Bundesnachrichtendienstes seine Aussage verweigert, flammt der Streit über die ausgelesenen Handydaten von Christina Block wieder auf: Mehrere Verteidiger stellen Befangenheitsanträge am 19. Prozesstag.

Artikel lesen
lto karriere logo

LTO Karriere - Deutschlands reichweitenstärkstes Karriere-Portal für Jurist:innen

logo lto karriere
Jetzt registrieren bei LTO Karriere

Finde den Job, den Du verdienst 100% kostenlos registrieren und Vorteile nutzen

  • LTO Job Matching: Finde den Job & Arbeitgeber, der zu Dir passt.
  • Jobs per Mail: Verpasse keine neuen Job-Angebote mehr.
  • One-Klick Bewerbung: Dein Klick zum neuen Job, einfach und schnell.
Das Passwort muss mindestens 8 Zeichen lang sein und mindestens einen Großbuchstaben, einen Kleinbuchstaben, eine Zahl und ein Sonderzeichen enthalten (z.B. #?!@$%^&*-).
Pflichtfeld *

Nur noch ein Klick!

Wir haben Dir eine E-Mail gesendet. Bitte klicke auf den Bestätigungslink in dieser E-Mail, um Deine Anmeldung abzuschließen.

Weitere Infos & Updates einfach und kostenlos direkt ins Postfach.

LTO Karriere Newsletter

Das monatliche Update mit aktuellen Stellenangeboten & Karriere-Tipps.

LTO Daily

Jeden Abend um 18 Uhr die wichtigsten News vom Tag.

LTO Presseschau

Jeden Morgen um 7:30 Uhr die aktuelle Berichterstattung über Recht und Justiz.

Pflichtfeld *

Fertig!

Um die kostenlosen Nachrichten zu beziehen, wechsle bitte nochmal in Dein Postfach und bestätige Deine Anmeldung mit dem Bestätigungslink.

Du willst Dein Bewerberprofil direkt anlegen?

Los geht´s!
ads lto paragraph
lto karriere logo
ads career people

Wir haben die Top-Jobs für Jurist:innen

Jetzt registrieren
logo lto karriere
TopJOBS
Logo von Clifford Chance Partnerschaft mbB
BACKS­TA­GE - Das Pro­gramm für Prak­ti­kant*In­nen am Stand­ort Mün­chen Früh­jahr...

Clifford Chance Partnerschaft mbB , Mün­chen

Logo von Hessisches Ministerium der Justiz und für den Rechtsstaat
Voll­ju­ris­ten (m/w/d) – Ih­re Zu­kunft in der hes­si­schen Jus­tiz

Hessisches Ministerium der Justiz und für den Rechtsstaat , Wies­ba­den

Logo von Oberlandesgericht Celle
Rich­ter/-in (w/m/d) bzw. Staats­an­walt / -an­wäl­tin (w/m/d) im Be­zirk des...

Oberlandesgericht Celle , Bü­cke­burg

Logo von Schlun & Elseven Rechtsanwälte PartG mbB
Rechts­an­walt (w/m/d) – Straf­recht mit Schwer­punkt Aus­lie­fe­rungs­recht und...

Schlun & Elseven Rechtsanwälte PartG mbB , Köln

Logo von Oberlandesgericht Celle
Rich­ter/-in (w/m/d) bzw. Staats­an­walt / -an­wäl­tin (w/m/d) im Be­zirk des...

Oberlandesgericht Celle

Logo von Clifford Chance Partnerschaft mbB
BACKS­TA­GE - Das Pro­gramm für Prak­ti­kant*In­nen am Stand­ort Frank­furt...

Clifford Chance Partnerschaft mbB , Frank­furt am Main

Logo von Oberlandesgericht Celle
Rich­ter/-in (w/m/d) bzw. Staats­an­walt / -an­wäl­tin (w/m/d) im Be­zirk des...

Oberlandesgericht Celle , Ver­den (Al­ler)

Logo von Oberlandesgericht Celle
Rich­ter/-in (w/m/d) bzw. Staats­an­walt / -an­wäl­tin (w/m/d) im Be­zirk des...

Oberlandesgericht Celle

Mehr Stellenanzeigen
logo lto events
§ 15 FAO - Krisenprävention, Insolvenzreifeprüfung und Haftungsszenarien

17.11.2025, Hamburg

Logo von AnwaltVerein Stuttgart e.V. | AnwaltService Stuttgart GmbH
Baden-Württembergischer Mietrechtstag 2025

18.11.2025

Digitale Kamingespräche: Wie arbeitet man eigentlich im DFG-Fachkollegium Privatrecht?

19.11.2025

§ 15 FAO - AGB- und Vertragsrecht für Praktiker:innen

18.11.2025, Hamburg

Logo von FPS Rechtsanwaltsgesellschaft mbH & Co. KG
Hoch hinaus und großes Spiel: Privates Baurecht am Beispiel von Hochhäusern und Fußballstadien

27.11.2025, Frankfurt am Main

Mehr Events
Copyright © Wolters Kluwer Deutschland GmbH