Kinderpornografie im StGB: Marco Busch­mann schiebt Kor­rektur auf die lange Bank

von Hasso Suliak

13.03.2023

Ist es nur noch eine Frage der Zeit, bis die von der GroKo beschlossenen Strafverschärfungen im Bereich Kinderpornografie wieder zurückgenommen werden? 16 Landesjustizminister und nun auch die SPD fordern das BMJ zum Handeln auf.

Mit breiter Mehrheit hatten sich bereits im November vergangenen Jahres die Landesjustizminister:innen dafür ausgesprochen , die in der letzten Wahlperiode von der GroKo verabschiedeten und unter Strafrechtler:innen äußerst umstrittenen Verschärfungen  im Bereich Kinderpornografie teilweise wieder rückgängig zu machen. Jetzt scheinen sich laut Medienberichten auch die Rechtspolitiker:innen der Ampelfraktionen im Bundestag einig zu sein. Konkret heißt das: § 184b Strafgesetzbuch (StGB), der u.a. die Verbreitung und den Besitz kinderpornografischer Inhalte sanktioniert, könnte wieder vom Verbrechen zum Vergehen zurückgestuft werden. Alternativ könnte auch eine Regelung für minder schwere Fälle vorgesehen werden. Noch nicht hundertprozentig überzeugt von einer Korrektur scheint indes der Bundesjustizminister.


Es ist noch nicht lange her, dass sich die große Koalition aus SPD und Union nach dem Bekanntwerden tragischer Fälle von Kindesmissbrauch in Nordrhein-Westfalen in der vergangenen Wahlperiode den 13. Abschnitt des StGB vorknöpfte und im Rahmen eines "Reformpaketes zur Bekämpfung sexualisierter Gewalt gegen Kinder"  reihenweise Straftatbestände verschärfte: So etwa § 176 StGB, der sexuelle Handlungen an Kindern mit Körperkontakt unter Strafe stellt, wie auch § 184b StGB, der u.a. die Verbreitung und den Besitz kinderpornografischer Inhalte unter Strafe stellt.

Beide Tatbestände wurden von Vergehens- zu Verbrechenstatbeständen hochgestuft. Mindestfreiheitsstrafe ist nun ein Jahr, auf einen minder schweren Fall wurde im Gesetz verzichtet. Die damalige Bundesjustizministerin Christine Lambrecht (SPD) hatte bei dem Thema eine fulminante Kehrtwende  vollzogen: Erst sprach sie sich Bundesjustizministerin Christine Lambrecht gegen Strafverschärfungen für sexuellen Kindesmissbrauch und Kinderpornografie aus. Im Interview mit LTO sagte sie dann: "Ich will, dass auch der Besitz von Kinderpornografie zum Verbrechen hochgestuft wird."

Amtsgerichte und Strafverfolger: "Vorschrift unpraktikabel und verfassungswidrig"

In den vergangenen Monaten hatte es an der Neuregelung nunmehr zunehmend Kritik aus der Praxis, insbesondere von Strafverfolger:innen, gegeben.  Die Neuregelung führte dazu, dass sogar gegen Lehrer:innen, Betreuer:innen oder andere Aufsichtspersonen ermittelt werden musste, die kinderpornografisches Material an sich genommen hatten, ohne dass es ihnen dabei auf den Besitz des inkriminierten Inhalts selbst ankam. Eltern können sich nach der Regelung z.B. strafbar machen, wenn sie entsprechende Fotos auf den Handys ihrer Kinder finden und an andere Eltern der Schulklasse zur Warnung oder Prüfung weiterschicken. Auch "Spaßvideos", die Kinder auf dem Schulhof teilen, können in den Anwendungsbereich fallen. Durch die Heraufstufung zum Verbrechen würde den Ermittlern auch ein flexibles Instrumentarium aus der Hand genommen, nämlich Verfahren in bestimmten Konstellationen auch einzustellen – ggf. gegen Auflagen (§§ 153, 153a Strafprozessordnung).

Inzwischen halten auch diverse Gerichte die Vorschrift des § 184b für verfassungswidrig. Zwei Amtsgerichte (AG), darunter das AG München , haben sie per Richtervorlage zur Prüfung dem Bundesverfassungsgericht (BVerfG) vorgelegt. Laut BVerfG halten sie "die im Gesetz vorgesehene Mindeststrafe von einem Jahr bei atypischen Grenzfällen, wie dem unbedachten Versand eines Screenshots eines Chats von Schülerinnen mit einer Nacktaufnahme einer Schülerin in der Elternchatgruppe der Klasse für eine unverhältnismäßige Sanktion". Die Vorschrift verletze das verfassungsrechtliche Übermaßverbot.

Nun hatten die Landesjustizminister:innen schon im November 2022 Bundesjustizminister Marco Buschmann (FDP) darum gebeten, die Verschärfung wieder rückgängig zu machen. Er soll einen Gesetzentwurf vorlegen, der für die Tatbestände des § 184b Absatz 1 StGB "entweder eine Herabstufung zum Vergehen oder eine Regelung für minder schwere Fälle vorsieht und die Mindeststrafe in § 184b Absatz 3 StGB im Hinblick auf die Bandbreite des möglichen Handlungsunrechts auf unter ein Jahr Freiheitsstrafe festlegt", wie es in dem damaligen Beschluss heißt.

Buschmanns Sorge vor politischer Diffamierung

Indes: Ob der Bundesjustizminister dieser Forderung allerdings nachkommt, ist noch immer nicht klar. Seit Monaten heißt es aus dem Ministerium, man prüfe gesetzgeberischen Handlungsbedarf. Verwunderlich, da dieser eigentlich längst feststeht. Und auch, nachdem sich nun offenbar auch die Fraktionen über eine Entschärfung des Tatbestandes einig sind, gibt es von Marco Buschmann noch keine klare Ansage. Das Bundesministerium der Justiz nehme die in jüngerer Zeit vermehrt geäußerten Bedenken gegen die Neufassung von § 184b StGB sehr ernst. "Man prüfe derzeit gesetzgeberischen Handlungsbedarf und mögliche Handlungsoptionen", so eine Sprecherin zu LTO am Montag. Es ist nahezu derselbe "Sprech" wie im November.

Womit Buschmanns Zurückhaltung zusammenhängt, darüber kann nur spekuliert werden. Bayern Justizminister Georg Eisenreich (CSU) hatte nach der letzten Justizministerkonferenz berichtet, dass Buschmann in der internen Runde auf das "politische Diffamierungspotential" bei diesem Thema hingewiesen habe. Nachvollziehbar, denn eine Botschaft "Ampel entschärft die Strafbarkeit bei Kinderpornografie" ist zumindest für den strafrechtlich nicht vorgebildeten Bürger erklärungsbedürftig.

SPD fordert Gesetzesvorschlag aus dem BMJ

Eine andere Erklärung für Buschmanns Zögern könnte aber auch sein, dass er bei dem heiklen Thema erst einmal die Position des stärksten Koalitionspartners SPD abwarten wollte. Schließlich waren es die Sozialdemokraten, die in der Großen Koalition die Änderungen gegen die Bedenken von FDP und Grünen verabschiedet hatten.

Gut möglich also, dass nach aktuellen Aussagen des parlamentarischen Geschäftsführers der SPD-Bundestagsfraktion, Johannes Fechner, auch der Bundesjustizminister bald beim unangenehmen Thema Kinderpornografie aus der Deckung kommt. Denn ausgerechnet die SPD setzt Buschmann nun unter Druck und fordern von ihm einen Gesetzesvorschlag:

"Staatsanwälte brauchen die Möglichkeit, bei Bagatellfällen von der Strafverfolgung absehen zu können. Heute binden Bagatellfälle viel Personal bei Polizei und Justiz, das dringend für die Verfolgung von schweren Sexualstraftaten benötigt wird. Um schwere Sexualstraftaten effektiver verfolgen zu können, sollten wir das Gesetz ändern. Dafür sehe ich Zuspruch in den Ampelfraktionen, weshalb Minister Buschmann rasch einen entsprechenden Gesetzesvorschlag vorlegen sollte", so Fechner auf LTO-Anfrage. Eine frühere Korrektur, so der SPD-Mann, habe zu GroKo-Zeiten die Union verhindert.

CDU-Rechtspolitiker und MdB Prof. Günter Krings wies diesen Vorwurf gegenüber LTO zurück: "Hinsichtlich des Strafrahmens betreffend Kinderpornografie hatte die Union sich für eine differenzierte Lösung ausgesprochen, nachdem der Vorschlag der damaligen Bundesjustizministerin Lambrecht von verschiedenen Sachverständigen in der Anhörung des Rechtsausschusses kritisiert worden war. Unser damaliger rechtspolitische Sprecher hatte Frau Lambrecht sogar einen schriftlichen Vorschlag übermittelt, der aber von ihr abgelehnt wurde." *

*Anmerkung der Redaktion: Unions-Replik wurde am 17.03.2023 (11.15 Uhr) ergänzt.

 

Zitiervorschlag

Kinderpornografie im StGB: Marco Buschmann schiebt Korrektur auf die lange Bank . In: Legal Tribune Online, 13.03.2023 , https://www.lto.de/persistent/a_id/51295/ (abgerufen am: 19.04.2024 )

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