Das Urheberrecht bietet keinen Schutz für KI-generierte Inhalte von ChatGPT, Midjourney & Co. Wie Kreative und Verwerter ihre KI-Erzeugnisse dennoch absichern und umgekehrt Werke vor KI schützen können, beantwortet Jan Bernd Nordemann.
Das Thema Urheberrecht und Künstliche Intelligenz (KI) ist in aller Munde. Die Debatte fokussiert sich bisher hauptsächlich auf Auswirkungen, die KI auf Kreative haben wird. Nur wenige Romanautoren verwerten ihren Roman aber selbst. Die meisten schalten einen Verleger ein, der den Roman vermarktet. Noch weniger Drehbuchautoren verfilmen ihre Werke selbst. Die Verfilmung übernimmt regelmäßig ein Filmproduzent, der die nicht unerheblichen Investitionen schultert. Gleiches gilt für von Computerspielautoren, die ihre Rechte an Spielehersteller geben.
Auch Verleger, Filmproduzenten, Spielehersteller und andere Verwerter sind deshalb von allen Fragen rund um KI und Urheberrecht betroffen – es kommt einiges auf sie zu.
Der Knackpunkt: Kein Urheberrechtsschutz für KI-Erzeugnisse
Für Verwerter gibt es beim Umgang mit KI im Kontext des Urheberrechts einiges zu beachten. Am wichtigsten ist für sie (wie auch für Urheber), dass im Regelfall nicht davon auszugehen ist, dass KI-generierten Erzeugnissen urheberrechtlicher Schutz zukommt.
Damit urheberrechtlicher Schutz entstehen kann, muss sich nämlich die Persönlichkeit eines Menschen im Erzeugnis widerspiegeln. Für KI-Erzeugnisse bedeutet das, dass ein hinreichender menschlicher Einfluss auf das konkrete KI-generierte Erzeugnis bestanden haben muss.
Prompter, also die Bediener generativer KI-Systeme, die der KI Handlungsanweisungen, - sogenannte Prompts - aufgeben, haben zwar zumindest theoretisch einen großen Einfluss auf das generierte KI-Erzeugnis. Wer zum Beispiel ChatGPT eine Rede zu bestimmten Stichwörtern schreiben lässt, gibt der KI zumindest die grobe Marschrichtung vor, wie und für wen sie den Text schreiben soll. Dennoch können dir Prompter die kreativen Eigenheiten dessen, was durch die KI erschaffen wird, nicht im Detail vorhersehen. Der Prompter liefert vielmehr die Idee, die die KI dem konkreten Erzeugnis zugrunde liegt.
Solange der Prompter also bloße Ideen eingibt, kann jedenfalls grundsätzlich kein urheberrechtlicher Schutz des KI-generierten Erzeugnisses für den Prompter bestehen, auch wenn sich das im Einzelfall sicherlich anders beurteilen lässt.
Wie können Verwerter KI-Erzeugnisse dann schützen?
Für Verwerter wird das zur Gretchenfrage. Denn weil im Regelfall kein urheberrechtlicher Schutz von KI-Erzeugnissen wie beispielsweise Bildern aus dem KI-Bildgenerator MidJourney besteht, müssen sie frühzeitig alternative Schutzkonzepte für ihre Inhalte erarbeiten. Der praktikabelste Ansatz ist, die Nutzung ihrer Inhalte von vornherein zu verhindern. Schließlich besteht ohne urheberrechtlichen Schutz auch ein Durchsetzungsdefizit. Das könnte beispielsweise durch technische Kopierschutzmechanismen realisiert werden.
Auf den zweiten Blick kommen die mit dem Urheberrecht verwandten Leistungsschutzrechte in Betracht, die das Urheberrechtsgesetz gewährt. Denn auch ohne echten urheberrechtlichen Schutz können Verwerter zum Beispiel immer noch ein Ausschließlichkeitsrecht am KI-Erzeugnis erlangen.
Infrage kommen beispielsweise das Leistungsschutzrecht für Filmhersteller oder für Musikproduzenten. Unklar ist insbesondere aber noch die Stellung von KI-generierten Erzeugnissen im Rahmen des neuen Presseverleger-Leistungsschutzrechts. Die Krux: Die Schutzdauer dieser Leistungsschutzrechte fällt typischerweise deutlich kürzer aus als der echte Urheberrechtsschutz.
Es sollte immer klar sein, welche Inhalte von KI stammen
Für Verwerter sollte außerdem wichtig sein, vertragliche Transparenzpflichten für Urheber in ihre Vertragsmuster für Nutzungsverträge einzuarbeiten. Denn sie müssen wissen, ob und inwieweit KI zur Generierung der kreativen Inhalte genutzt wurde. Denn nur so können sie beurteilen, ob einzelne Teile oder gar der komplette von ihnen genutzte Inhalt keinen urheberrechtlichen Schutz genießt.
Ferner erscheint eine Transparenz für den Verwerter auch deshalb als sinnvoll, um Haftungsrisiken zu erkennen. Beispielsweise sollte ein Filmproduzent, der hohe Summen in die Herstellung eines Filmes investiert, wissen, ob der Drehbuchautor KI für das Schreiben des Drehbuches genutzt hat. Denn KI produziert in gewissen Grenzen unvorhersehbaren Output, wozu unter Umständen auch Urheberrechtsverletzungen an Werken Dritter gehören können. Nur bei transparent gemachter KI-Nutzung können sich Verwerter überlegen, ob sie zur Risikominderung Maßnahmen ergreifen oder beispielsweise etwas für die Erfüllung gesetzlicher Auskunftspflichten beachten müssen.
Nutzung von urheberrechtlich geschützten Werken zum Training von KI
Der zweite urheberrechtliche Problemkomplex, den Verwerter durch den Einsatz von KI bewältigen müssen, ist das Training von KI-Systemen.
Die nach aktuellem Stand der Technik weiter vorherrschenden künstlichen neuronalen Netze, auf denen KI basiert, müssen mit einer großen Menge an Trainingsdaten gefüttert werden, bevor sie einsatzfähig sind. Die notwendigen Datensätze umfassen dabei auch urheberrechtlich geschützte Werke, die insbesondere aus frei verfügbaren Internetquellen mit Hilfe sogenannter Web-Crawler - ohne ausdrückliche Einwilligung der Betroffenen - heruntergeladen worden sind.
Ob Verwerter die Nutzung ihrer Werke durch Dritte für das Training von KI dulden müssen, hängt maßgeblich von der Anwendbarkeit der neuen urheberrechtlichen Schrankenbestimmung für Text und Data Mining (§ 44b UrhG) ab. Auch wenn noch nicht abschließend geklärt ist, ob das KI-Training tatsächlich hierunterfällt, spricht dafür doch einiges.
Wollen Verwerter die Nutzung ihrer Werke durch Dritte zum Training von KI verhindern, haben sie allerdings schon jetzt die Möglichkeit, einen Nutzungsvorbehalt zu erklären. Ist er entsprechend den gesetzlichen Anforderungen umgesetzt, beendet er rein rechtlich gesehen die Freistellungswirkung der Schrankenbestimmung. Wie das ggf. auch technisch umgesetzt werden kann, sodass die Crawler die Werke schon gar nicht erst zwecks KI-Training herunterladen, ist noch offen.
Knifflig wird es dann aber trotzdem, denn die Regelung setzt nicht voraus, dass die jeweils abgespeicherten Inhalte rechtmäßig im Internet abrufbar waren. Sind also die Werke Teil eines öffentlichen Trainingsdatensets geworden, können Dritte die Inhalte grundsätzlich wieder rechtmäßig zum Training einer KI herunterladen. Ist das von Verwertern nicht gewünscht, müssen sie deswegen frühzeitig gegen die Ersteller der Trainingsdatensätze vorgehen.
Eigene Inhalte für KI-Training nutzen
Ansonsten können auch Verwerter ein Interesse daran haben, selbst KI für ihre Zwecke zu entwickeln. Auch sie brauchen dafür viele Trainingsdaten. Da sie im Regelfall über ein großes Repertoire an urheberrechtlich geschützten Werken verfügen, stellt sich für sie die Frage, ob sie dieses Repertoire zum Training eigener KI verwenden dürfen. Entscheidend ist hierfür die konkrete Ausgestaltung der mit den Urhebern abgeschlossenen Nutzungsverträge.
In jedem Falle ist das KI-Training eine eigenständige Nutzungsart, die damit auch spezifisch lizenziert werden kann. Das ist für die Verwerter zunächst nicht vorteilhaft, denn Nutzungsrechte verbleiben grundsätzlich weitestgehend beim Urheber. Damit sie auf den Verwerter übergehen und er die Werke zum Training einer KI nutzen kann, müssen insofern konkrete Regelungen im Nutzungsvertrag getroffen worden sein.
Möglich ist aber auch, dass sich aus dem Vertragszweck eindeutig ergibt, dass das Training von KI von der Rechteeinräumung mitumfasst sein sollte. Haben sich Verwerter zudem ausdrücklich auch die Rechte an im Zeitpunkt des Vertrages noch nicht bekannten Nutzungsarten einräumen lassen, ist es wahrscheinlicher, dass sie ihr Repertoire auch zum Training von KI benutzen dürfen. Das hängt aber – wie üblich - vom berühmten Einzelfall ab.
Alles in allem gilt: KI bewegt das Urheberrecht nicht nur für Entwickler und Urheber. Auch für Verwerter geht der wachsende Einsatz von generativer KI mit einer langen urheberrechtlichen To-Do-Liste einher. Die hier vorgestellten Fragestellungen sind dabei nur die Spitze des Eisbergs. Allgemein gilt es, proaktiv und schnell zu handeln sowie die aktuellen urheberrechtlichen Entwicklungen im Detail im Blick zu behalten.
Der Autor Prof. Dr. Jan Bernd Nordemann ist Rechtsanwalt und u. a. spezialisiert im Urheber-, Marken- und Wettbewerbsrecht.
Urheberrecht in Zeiten von Künstlicher Intelligenz: . In: Legal Tribune Online, 11.05.2023 , https://www.lto.de/persistent/a_id/51746 (abgerufen am: 09.12.2024 )
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