Das Auto ist bekanntlich des Deutschen (Mannes) liebstes Kind: Ausdruck seines Stils und seiner Individualität. Das soll auch für das Kennzeichen gelten. Aber was, wenn dem Halter eine Zahlen- und Buchstabenkombination mit rechter Symbolik oder sonstige Geschmacklosigkeiten vorschweben? Adolf Rebler über Möglichkeiten, Grenzen und Sinn von Kennzeichenverboten.
Es muss ja nicht gleich das – natürlich auch auf dem Rückweg vom Standesamt verbotene – "Just Married" auf der Platine sein, oder ein personalisiertes Phantasie-Kennzeichen wie in den USA. Viele deutsche Autofahrerinnen und Autofahrer wünschen sich dennoch ihr persönliches Nummernschild. Dafür kann es viele Gründe geben: Praktische Erwägungen (um sich die Nummer leichter merken zu können), Nostalgie (das gleiche Kennzeichen wie beim ersten Auto), persönliche Verbundenheit (das Geburtsdatum des Partners oder Kindes, das eigene Hochzeitsdatum) oder einfach der Wunsch nach einem lustigen oder pfiffigen Kennzeichen, das sich (vermeintlich) von der Masse der anderen Fahrer abhebt.
Die Motive für ein "individuelles" Kfz-Kennzeichen sind vielfältig. Der Grund, warum es überhaupt Kfz-Kennzeichen gibt, ist dagegen recht banal: mit ihnen soll eine Identifizierung des Halters eines zulassungspflichtigen Fahrzeugs ermöglicht werden, § 8 Abs. 1 Satz 1 der Verordnung über die Zulassung von Fahrzeugen (FZV). Ebenso banal wie der Zweck ist der Aufbau des Kennzeichens: nach § 8 Abs. 1 Satz 2 FZV besteht es aus einem Unterscheidungszeichen (ein bis drei Buchstaben) für den Verwaltungsbezirk, in dem das Fahrzeug zugelassen ist, und aus einer auf das einzelne Fahrzeug bezogenen Erkennungsnummer (§ 8 Abs. 1 Satz 2 FZV). Die Unterscheidungszeichen reichen von A- Augsburg bis ZZ - Burgenlandkreis (Zeitz); dazwischen steht Hamburg mit "HH" (Hansestadt Hamburg), auch wenn hier bereits eine politisch ausgesprochen inkorrekte Deutung möglich wäre.
Aufbau und Gestaltungsmöglichkeiten beim Nummernschild
Bis zur Änderung der FZV am 1. November 2012 ergaben sich die Unterscheidungszeichen direkt aus der Verordnung (Anlage 1 zur FZV). Nun bestimmen die Länder selbst ihre Unterscheidungszeichen. Die Erkennungsnummer setzt sich zusammen aus Buchstaben und Zahlengruppen und bestimmt sich nach Anlage 2 zur FZV. Mit Ausnahme der Umlaute Ä, Ö und Ü können alle Buchstaben des Alphabets entweder allein oder als Paar von zwei Buchstaben in der Erkennungsnummer zugeteilt werden. Möglich sind hier Zahlen-Ziffern-Kombinationen von A1 bis ZZ 9999.
Die Nummernzuteilung bei der Zulassung erfolgt grundsätzlich in einem automatisierten Verfahren. Nach Eingabe des Kürzels "NZ" durch die Zulassungsbehörde spuckt der Computer eine Nummer aus, die die Frau oder der Mann am Schalter dann dem jeweiligen Fahrzeughalter zuweist. Doch hat der Staat durchaus auch ein gewisses Verständnis für die Marotten seiner Bürger: gegen eine Gebühr von 12,80 Euro kann sich jeder aus dem vorhandenen Pool sein Wunschkennzeichen aussuchen.
Doch die Zulassungsbehörden müssen nicht jede Kennzeichenkombination anbieten: welche "Nummernkreise" sie eröffnen, liegt in ihrem Ermessen. Ein Fahrzeughalter hat weder einen Anspruch auf Eröffnung eines Nummernkreises noch auf Zuteilung eines bestimmten Kennzeichens (Verwaltungsgericht des Saarlandes, Urt. v. 20.12.2010, Az 10 K 2004/10; Hess. Verwaltungsgerichtshof, Beschl. v. 01.10.1997, Az. 2 TG 3059/97).
Bestimmte Kombinationen führen die Zulassungsbehörden von vorneherein schon nicht mehr in ihrem Bestand, so beispielsweise gängige Abkürzungen mit nationalsozialistischem Hintergrund, etwa HJ ("Hitlerjugend"), KZ ("Konzentrationslager"), SA ("Sturmabteilung"), SS ("Schutzstaffel") oder NS ("Nationalsozialismus"). Nürnberg beispielsweise vergibt auch keine Kennzeichen mit den Buchstabenkombinationen N-PD und N-S.
Große Kreativität beim Ersinnen sittenwidriger Kennzeichen
Doch auch ohne diese Buchstabenkombinationen gibt es anscheinend genügend Gestaltungsspielraum für kreative Fahrzeughalter, die ihre rechte Gesinnung auch im Straßenverkehr dokumentieren wollen: von der Ziffer "88" (die "8" steht hier für den achten Buchstaben im Alphabet, das "H"- also "88" als Kürzel für "Heil Hitler"), über 204 (der 20. April war Hitlers Geburtstag), "18" (Adolf Hitler), "444" ("D" als der vierte Buchstabe im Alphabet, also "Deutschland den Deutschen") bis zu "28" (Blood & Honour"). Aber auch die linke Szene hat ihre Vorleiben: AC-AB beispielsweise steht als Kürzel für "All Cops are Bastards". Und ein in Düsseldorf wohnender "Ostalgiker" mag sich das (vergleichsweise harmlose) "D-DR…" wünschen.
Der Verordnungsgeber versucht, sich dem zu erwehren: seit 1. November 2012 enthält die FZV in § 8 Abs. 1 Satz 3 FZV die Bestimmung, dass "die Zeichenkombination der Erkennungsnummer sowie die Kombination aus Unterscheidungszeichen und Erkennungsnummer…nicht gegen die guten Sitten verstoßen" dürfen. Ob die Schaffung dieser Vorschrift wirklich notwendig und sinnvoll war, kann man indes bezweifeln. Zunächst werden wohl nur wenige Verkehrsteilnehmer die politisch fragwürdigen Botschaften überhaupt verstehen. Und Deutungsmöglichkeiten bestehen sicher viele. So erkennt die Bundesregierung in ihrer Antwort an die Anfrage der Fraktion der LINKEN (BT-Drs. 18/685 v. 28.02.2014) an, dass sich "aufgrund der vielfältigen Buchstaben- und / oder Zahlenkombinationsmöglichkeiten [bei Kfz-Kennzeichen] Wörter und Begriffe ergeben, die politischen, institutionellen oder sonstigen Deutungen zugänglich sind."
2/2: Allzu restriktive Handhabung nicht sinnvoll
Die Bundesregierung habe sich dafür ausgesprochen, die Verwendung von Buchstabenkombinationen, die unerwünschte Wortkombinationen ergeben, zu vermeiden. Dabei sei jedoch zu beachten, dass die theoretischen Möglichkeiten vielfältig seien und auch das nötige Wissen über das vom Halter oder der Halterin Gewollte bei der Kennzeichenzuteilung vorhanden sein müsse. Deshalb sei es in der Praxis schwierig, von vornherein Buchstaben-Zahlenkombinationen zu definieren, die als Symbole unerwünschter Außendarstellung gewertet würden.
Ob der Verweis der FZV auf die "Sittenwidrigkeit" hier weiter hilft, ist durchaus fraglich: ein Verstoß gegen das "Anstandsgefühl aller billig und gerecht Denkenden" (so etwa Bundesgerichtshof, Urt. v. 29.09.1977, Az. III ZR 164/75) ist bereits im Zivilrecht bei dieser Generalklausel schwierig festzustellen. Strafbar ist eine Ziffer "28" oder "18" im Kennzeichen jedenfalls nicht. § 86a Strafgesetzbuch (StGB), der die Verwendung von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen unter Strafe stellt, greift nur bei Symbolen, die von einer verfassungswidrigen Organisation selbst benutzt wurden.
Dass ein Betrachter das Symbol wegen seines Sinngehaltes einer solchen Organisation zurechnet, reicht hierfür nicht aus. Doch schon die Praxis wird einer vollkommenen "Bereinigung" der Kennzeichen-Landschaft ein massives Hindernis entgegen setzen: so würden die Hamburger wohl nur ungern auf ihr bereits angesprochenes "HH" verzichten. Und auch die hohe und weiter anwachsende Zahl zulassungspflichtiger Fahrzeuge spricht gegen eine allzu restriktive Praxis bei der Vergabe von Kennzeichen.
Definitiv nicht mehr erlaubt: Reichsflagge auf dem Nummernschild
Manche Fahrzeughalter verzichten jedoch von vorneherein auf symbolhafte Zeichenkombinationen, und bringen ihre Gesinnung viel unmissverständlicher zum Ausdruck. Ein Mann aus dem Landkreis Oder-Spree etwa überklebte das "D" auf dem Euro-Feld seines Kennzeichens mit einer schwarz-weiß-roten Flagge und den Buchstaben "DR" ("Deutsches Reich"). In einem solchen Fall entspricht das Kennzeichen nicht länger dem Muster nach Anlage 4 der FZV, die Behörde kann nach § 5 FZV Entfernung des Aufklebers verlangen.
Mehr aber auch nicht. Zwar ist das Kfz-Kennzeichen zusammen mit dem Fahrzeug ein Beweiszeichen und damit ein Urkunde im Sinne des § 267 StGB. Eine Urkundenfälschung liegt damit vor, wenn Buchstaben oder Zahlen mit anderen Buchstaben oder Zahlen überklebt werden (BGH, Urt. v. 03.01.1989, Az. 1 StR 707/88), da sich hierdurch die Identität des Fahrzeugs ändert. Ein bloßes Überkleben mit der Folge, dass ein Teil der Urkunde nicht mehr lesbar ist, verstößt aber nicht gegen das Strafgesetzbuch- die Lesbarkeit der Urkunde muss nicht gewährleistet sein (BGH, Urt. v. 21.09.1999, Az. 4 StR 71/99). So bleibt es schwierig in der Kennzeichen-Landschaft – auch, wenn nicht alle Kennzeichen so erstrebenswert und zugleich harmlos sind wie "N-CC1701".
Der Autor Dr. Adolf Rebler ist Regierungsamtsrat der Regierung der Oberpfalz in Regensburg. Er ist Verfasser zahlreicher Veröffentlichungen insbesondere zum Verkehrsrecht.
Adolf Rebler, Verbotene Kennzeichen: HJ, KZ & Co: . In: Legal Tribune Online, 02.12.2014 , https://www.lto.de/persistent/a_id/13980/ (abgerufen am: 28.03.2024 )
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