Eine Blutgrätsche beim Fußball, ein regelwidriger Check von hinten in Richtung Bande beim Eishockey – Mannschaftswettkämpfe sind risikoreich. Schadensersatz müssen Berufssportler, die einen Mitspieler auf dem Feld verletzen, trotzdem nur in Ausnahmefällen zahlen. Warum das so ist und was der Betriebsfrieden und die gesetzliche Unfallversicherung damit zu tun haben, erklärt Konrad Leube.
Quer über das Eishockeyfeld hatte ihn sein Gegner verfolgt und ihn im Kampf um den Puck von schräg hinten kurz vor der Bande regelwidrig zu Fall gebracht. Die Folge: zwei Operationen an der linken Schulter, die Profi-Karriere für immer beendet.
Der ehemalige Eishockeyspieler aus der 2. Bundesliga verklagte seinen Gegner daraufhin auf Schmerzensgeld. Erfolglos. Der Außensenat des Oberlandesgerichts (OLG) Karlsruhe in Freiburg wies seine Klage ab (Urt. v. 27.09.2012, Az. 4 U 256/11).
Allerdings begründeten die Richter ihre Entscheidung nicht mit einem konkludent vereinbarten Haftungsausschluss wie er aus der Rechtsprechung bei Verletzungen von Amateur- und Freizeitsportlern bekannt ist. Sie verwiesen vielmehr auf das sozialrechtliche Haftungsprivileg der gesetzlichen Unfallversicherung – ein absolut neuer Weg.
Eishockeyfeld ist "gemeinsame Betriebsstätte"
Berufssportler stehen in einem Beschäftigungsverhältnis i.S.d. Sozialversicherung. Nicht mehr zum Kreis der Amateursportler zählt, wer mehr als 175 Euro monatlich verdient. Diese Entgeltgrenze haben die Spitzenverbände der Sozialversicherungen festgelegt. Die Verwaltungs-Berufsgenossenschaft (Hamburg) hat daher als zuständiger Unfallversicherungsträger für Sportvereine den Sturz des Eishockeyspielers als Arbeitsunfall anerkannt und ihn für die Folgen seiner Verletzung entschädigt.
Mit der gesetzlichen Unfallversicherung verbunden ist eine Beschränkung der zivilrechtlichen Haftung der Beschäftigten untereinander. Streitigkeiten innerhalb eines Betriebes sollen so vermieden und der Betriebsfrieden gewahrt werden. Aus denselben Gründen hat der Gesetzgeber die Haftungsbeschränkung auf Beschäftigte verschiedener Betriebe ausgedehnt, wenn diese auf einer gemeinsamen Betriebsstätte eng zusammenarbeiten. Dabei dachten die Parlamentarier an Baustellen, auf denen sich Handwerker verschiedener Unternehmen bei der Arbeit wechselseitig gefährden können.
Das OLG Karlsruhe stellte nun fest, auch ein Spielfeld ist für Berufssportler eine gemeinsame Betriebsstätte, so dass die gesetzliche Haftungsbeschränkung greift. Denn eine Betriebsstätte ist das räumliche Umfeld, in dem gearbeitet wird. Einen gemeinsamen Zweck müssen die dort tätigen Beschäftigten nicht ausüben. Das sportliche Gegeneinander-Spielen nach gemeinsamen Spielregeln genüge.
Keine Haftungsbeschränkung bei angekündigter Blutgrätsche
Ein Spieler haftet dagegen sehr wohl, wenn er seinen Gegner vorsätzlich verletzt, ernsthafte Blessuren also billigend in Kauf nimmt. Auf eine Haftungsbeschränkung kann er sich dann nicht berufen. Die Freiburger Richter sahen dafür keine Anhaltspunkte. Der Angriff auf den Kläger sei nicht grundlos gewesen, sondern aus dem Spiel heraus erfolgt. Anders beurteilte dasselbe Gericht am selben Tag eine Blutgrätsche, die ein Fußballspieler seinem Gegner zuvor angedroht hatte (Az. 9 U 162/11).
Auf den Amateursport ist diese Beschränkung der zivilrechtlichen Haftung nicht übertragbar. Dort gelten eigene Kriterien. Ein Anspruch auf Schadensersatz gegen einen Mitspieler setzt unter Laien ein regelwidriges Verhalten voraus. Für geringfügige Verstöße wie einem übereifrigen Körpereinsatz, Unüberlegtheit oder wettbewerbsbedingter Ermüdung muss allerdings nicht gehaftet werden. Ein Spiel im Grenzbereich zwischen kampfbetonter Härte und Unfairness kann einen Ersatzanspruch auch bei einem objektiven Regelverstoß nicht begründen (vgl. OLG Hamm, Urt. v. 04.07.2005, Az. 34 U 81/05).
Wenn am nächsten Sonntag ein Bundesligafußballer nach einem Foul verletzt vom Platz humpelt, kann sich der Zuschauer also damit trösten: Zum Glück gesetzlich unfallversichert.
Der Autor Dr. Konrad Leube war Lehrbeauftragter an der Universität Passau für Sozialrecht.
Kein Schmerzensgeld unter Berufssportlern: . In: Legal Tribune Online, 10.10.2012 , https://www.lto.de/persistent/a_id/7274 (abgerufen am: 09.12.2024 )
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