Durchsuchung nach Blogpost über gekauften Titel: "Blogger-Büro geschützt wie Redaktionsräume"

Interview mit Florian Jeßberger

01.05.2013

Doktorarbeiten kosten Zeit und bieten Stoff für Plagiatsaffären, ein Titelkauf ist da der bequemere Weg zu akademischen Würden. Nachdem eine Bloggerin einen satirischen Beitrag über ihren "Dr. h.c. of Ministry" veröffentlicht hatte, ließ die Staatsanwaltschaft allerdings ihre Wohnung durchsuchen. Möglicherweise zu Recht, erklärt Strafrechtler Florian Jeßberger im LTO-Interview.

LTO: Die Bloggerin Eva Ihnenfeldt hat von ihren Kindern den Titel "Dr. h.c. of Ministry" geschenkt bekommen und darüber gebloggt. Daraufhin hat die Staatsanwaltschaft Lübeck wegen des Verdachts auf Titelmissbrauch die Geschäftsräume und die Wohnung der Frau durchsucht. Ist es verboten, einen solchen Ehrendoktor von einer Kirche aus den USA zu kaufen?

Jeßberger: Nein, der bloße Erwerb eines Titels ist nicht strafbar. In § 132a des Strafgesetzbuchs (StGB) wird nur das unbefugte Führen von Titeln mit Strafe bedroht.

LTO: Hätte sich die Bloggerin als "Dr. h.c. of Ministry" vorstellen dürfen? Die Miami Life Development Church verkauft diese Anrede und behauptet, es handle sich lediglich um eine kirchliche Würde.

Jeßberger: Bei einem "Dr. h.c." reicht der Zusatz "of Ministry" nicht aus, um die Bezeichnung prima facie als Unfug zu entlarven. Nach dem StGB darf niemand unbefugt akademische Grade führen. Dies gilt auch für Bezeichnungen, die echten Graden zum Verwechseln ähnlich sind. So soll das Vertrauen der Allgemeinheit in die Titel geschützt werden.

LTO: In ihrem Artikel hat Ihnenfeldt erklärt, sich "selbst die Krone aufzusetzen". Ihrem Titelverkäufer dankte sie dabei derart überschwänglich, dass kein Zweifel an der Ironie bestand. Ist das eine noch erlaubte Berichterstattung?

Jeßberger: Um den Titel im Sinne des StGB zu "führen", hätte sie ihn unter Umständen benutzen müssen, die geeignet sind, einen falschen Eindruck zu erwecken. Das ist bei der dem satirisch-kritischen Bereich zuzuordnenden Veröffentlichung in ihrem Blog nicht der Fall. Es steht da ja deutlich im Vordergrund, dass sie den Vorgang für eine Kuriosität hält. Jeder Leser konnte sofort erkennen, dass es der Verfasserin schlicht darum ging, die leider verbreitete Praxis des "Titelkaufs" aufs Korn zu nehmen.

"Wenn ein Staatsanwalt den Blog gelesen hat, wäre die Durchsuchung rechtswidrig"

LTO: Die Bloggerin hat es bei ihrem Beitrag nicht bewenden lassen, sondern die Verleihungsurkunde ihres Ehrentitels auch in den Geschäftsräumen ihrer Weiterbildungsagentur aufgehängt. Ist das strafbar?

Jeßberger: Um einen Titel zu führen, muss man nicht notwendig mit Dritten kommunizieren; es genügt, wenn Dritte die Möglichkeit haben, die Inanspruchnahme des Titels zur Kenntnis zu nehmen. In Räumen, in denen Publikumsverkehr herrscht, kann die Ausstellung einer Verleihungsurkunde an der Wand schon ausreichen, um eine Strafbarkeit zu begründen.

LTO: Durften deswegen die Wohnung und die Geschäftsräume durchsucht werden?

Jeßberger: Die Staatsanwaltschaft kann grundsätzlich wegen jeder Straftat einen Durchsuchungsbeschluss beantragen, grundsätzlich also auch bei Verdacht des Missbrauchs von Titeln. Aber wenn der Staatsanwalt den Eintrag im Blog gelesen und auf dieser Grundlage eine Durchsuchung beantragt hätte, wäre das klar rechtswidrig. Denn für eine Durchsuchung braucht man zureichende tatsächliche Anhaltspunkte dafür, dass eine Straftat begangen worden ist, und der Artikel macht ja deutlich, dass die Frau nicht den Eindruck erwecken wollte, sie hätten einen akademischen Grad erworben – die Annahme eines strafbaren Verhaltens liegt also fern.

LTO: Das heißt, wer einen Titel kauft, muss befürchten, dass die Wohnung durchsucht wird, es sei denn, er schreibt einen Blogeintrag?

Jeßberger: Das ist richtig – jedenfalls dann, wenn sich aus dem Blogeintrag, wie hier, ergibt, dass der Titelkauf nur erfolgte, um sich über diese Praxis zu mokieren, und der Amtsrichter den Artikel gelesen hat. Dann darf er keinen Durchsuchungsbeschluss erlassen. Es fehlt dann an Anhaltspunkten für die Begehung einer Straftat.

"Durchsuchung wegen Titelmissbrauchs kann auch zulässig sein"

LTO: Die Staatsanwaltschaft hat erklärt, sie hätte gegen die Titelverkäufer ermittelt und sei dabei auf die Adresse von Erwerbern gestoßen.

Jeßberger: In diesem Fall, in dem nicht der Blogeintrag den Anlass für die Durchsuchung bildete, mag die Frage der Zulässigkeit der Durchsuchung anders zu beurteilen sein. Dann kann zwar die Schwelle des Tatverdachts genommen sein, aber bei Bagatelldelikten wie dem Missbrauch von Titeln ist eine Durchsuchung trotzdem oft unverhältnismäßig. Ausgeschlossen ist sie aber nicht.

LTO: Als Bloggerin ist Ihnenfeldt der Ansicht, ihre Geschäftsräume seien ein Redaktionsbüro und genössen deswegen einen besonderen Schutz, schließlich recherchiere sie dort für ihre Beiträge. Hat Sie damit Recht?

Jeßberger: Das hängt davon ab, wie intensiv sie die Räume zum Bloggen nutzt, ob sie mit ihrem Laptop auch manchmal zu Hause oder im Café sitzt, ob sie täglich bloggt oder nur eher sporadisch. Nicht jeder Raum, in dem einmal ein Interneteintrag verfasst wird, ist ein Redaktionsbüro.

LTO: Das heißt aber, eine bekannte Bloggerin ist genauso geschützt wie ein Journalist?

Jeßberger: Ja, jedenfalls für die Zulässigkeit einer Durchsuchung kann es keinen Unterschied machen, ob jemand jeden Tag einen Beitrag in einer Tageszeitung veröffentlicht oder im Internet. Aber selbst wenn es sich um Redaktionsräume handelt, gelten angesichts des besonderen verfassungsrechtlichen Schutzes der Presse nur höhere Anforderungen an die Verhältnismäßigkeit. Im Grundsatz erlaubt die Strafprozessordnung auch, dass Redaktionsräume durchsucht werden.

LTO: Herr Professor Jeßberger, herzlichen Dank für das Gespräch.

Prof. Dr. Florian Jeßberger ist Inhaber des Lehrstuhls für Strafrecht, Strafprozessrecht, Internationales Strafrecht und Juristische Zeitgeschichte an der Universität Hamburg. Er kommentiert den Straftatbestand des Titelmissbrauchs im von Satzger/Schmitt/Widmaier herausgegebenen StGB-Kommentar.

Das Interview führte Ludwig Hogrebe.

Zitiervorschlag

Florian Jeßberger, Durchsuchung nach Blogpost über gekauften Titel: "Blogger-Büro geschützt wie Redaktionsräume" . In: Legal Tribune Online, 01.05.2013 , https://www.lto.de/persistent/a_id/8647/ (abgerufen am: 19.04.2024 )

Infos zum Zitiervorschlag
Jetzt Pushnachrichten aktivieren

Pushverwaltung

Sie haben die Pushnachrichten abonniert.
Durch zusätzliche Filter können Sie Ihr Pushabo einschränken.

Filter öffnen
Rubriken
oder
Rechtsgebiete
Abbestellen