Reform im Kapitalmarktrecht: Am Ende steht das Schämen

von Dr. Jan-Henning Wyen, LL. M. und Dr. Henrik Humrich, LL. M.

24.11.2015

2/2: Verstöße führen zu Rechtsverlusten – und infizieren andere Aktien

Die Rechtsfolgen eines Verstoßes gegen die Meldepflichten werden in zweifacher Weise erheblich ausgeweitet. Anders als bisher führen Verstöße gegen die Pflicht zur Meldung von Instrumenten dazu, dass der Meldepflichtige seine Rechte aus Aktien, die ihm neben den nicht gemeldeten Instrumenten gehören, verliert. Dieser Rechtsverlust betrifft unverändert sämtliche Rechte aus der Aktie, insbesondere Stimm- und Dividendenrecht. Die Aktie wird hierdurch zu einer Art leerem Papier.
Und mehr noch: Der Umfang der von einem Rechtsverlust infizierten Aktien hat sich vergrößert. Bei falscher oder unterlassener Stimmrechtsmitteilung sind – neben den eigenen Aktien – sämtliche Aktien, aus denen dem Aktionär Stimmrechte zuzurechnen sind, betroffen. Das hat zur Folge, dass ein Aktionär, der sich selbst ordnungsgemäß verhalten hat, seine Stimmrechte dennoch verlieren kann, weil ein Dritter seine Meldepflichten verletzt.

Das kann zum Beispiel bei einem so genannten Acting in Concert passieren. Wenn sich ein Aktionär etwa mit einem weiteren Aktionär über die Stimmabgabe in der Hauptversammlung abstimmt und jener weitere Aktionär gegen seine Meldepflichten verstößt, so verlieren beide Seiten ihre Stimmrechte, zumindest solange die versäumte Meldung noch nicht nachgeholt wurde.

Und was ist womöglich mit Schadensersatz?

Die Folgeprobleme liegen auf der Hand. Praktisch relevant dürfte vor allem die Frage werden, unter welchen Voraussetzungen ein Verstoß gegen Meldepflichten durch Dritte – etwa den weiteren Aktionär im vorstehend genannten Beispiel – Schadensersatzpflichten gegenüber einem Aktionär auslöst, dessen Aktien von dem Rechtsverlust betroffen sind.

Schwierig kann es zudem für die Emittenten werden, also die Unternehmen, deren Aktien von den Verstößen gegen die Meldepflichten betroffen sind. Der Leiter der Hauptversammlung des Emittenten hat zu beurteilen, welche Aktien von einem Rechtsverlust betroffen sind und damit keine Stimmrechte tragen. Die Neuregelung könnte daher Anfechtungsklägern in die Hände spielen, welche diese Unsicherheiten zum Anlass für Beschlussanfechtungen nehmen wollen.

Drastisch erweitert worden ist bei der Neuregelung auch der Rahmen der möglichen Bußgelder: Statt wie bislang bis zu einer Million Euro beträgt er nun bis zu zehn Millionen Euro oder fünf Prozent des Konzern-Jahresumsatzes, je nachdem welcher Betrag größer ist. Zusätzlich kann die Geldbuße das Doppelte des durch einen Verstoß erzielten wirtschaftlichen Vorteils umfassen.

Schließlich sieht das Gesetz eine öffentliche Bekanntmachung derjenigen Personen vor, die gegen das Gesetz verstoßen (Naming and Shaming), selbst wenn die zugrundeliegende Entscheidung der BaFin noch nicht bestands- oder rechtskräftig ist. Die dramatisch erweiterten Sanktionen dürften den Compliance-Aufwand der Kapitalmarktteilnehmer erheblich erhöhen.

Die Autoren Dr. Jan-Henning Wyen, LL.M. (Columbia) und Dr. Henrik Humrich, LL.M. (Harvard) sind Partner der Kanzlei Ego Humrich Wyen in München und u.a. auf Gesellschafts- und Kapitalmarkrecht spezialisiert.

Zitiervorschlag

Dr. Jan-Henning Wyen, LL. M. und Dr. Henrik Humrich, LL. M. , Reform im Kapitalmarktrecht: Am Ende steht das Schämen . In: Legal Tribune Online, 24.11.2015 , https://www.lto.de/persistent/a_id/17636/ (abgerufen am: 25.04.2024 )

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