Druckversion
Donnerstag, 13.11.2025, 18:13 Uhr


Legal Tribune Online
Schriftgröße: abc | abc | abc
https://www.lto.de//recht/hintergruende/h/jura-fuer-nichtjuristen-von-christian-fahl-das-drama-des-unverstandenen-juristen
Fenster schließen
Artikel drucken
1880

"Jura für Nichtjuristen" von Christian Fahl: Das Drama des unverstandenen Juristen

von Martin Rath

07.11.2010

Nicht nur Anwälte stehen vor dem Problem, ihren Mandanten klar zu machen, worum es im Recht geht. Aufklärungsabsichten verfolgt auch ein neues Buch des Rostocker Juraprofessors Christian Fahl, das gegenüber älteren Werken einen seriöseren Eindruck hinterlassen könnte – leider auch einen weniger spannenden, meint Martin Rath und empfiehlt weihnachtlichen Verständigungszauber.

Anzeige

fahl titelbildNein, das hat Christian Fahls "Jura für Nichtjuristen" wirklich nicht verdient. Denn es sieht schon ein wenig verboten aus, was sich der Verlag C.H. Beck für dieses Buch hat einfallen lassen: Die akademischen Titel seines Autors prangen auf dem Titelbild, der Untertitel verspricht "unterhaltsame Lektionen" zum Thema.

Der erste Anschein sagt, dass hier schon wieder eines jener populär gemachten Bücher unters Volk gebracht werden soll, das lustige Gerichtspossen versammelt oder juristisches Standardwissen auf simple Art nacherzählt. Gegenwärtig ist Ralf Höcker vermutlich der prominenteste Vertreter dieser Literaturgattung – pardon: Professor Dr. iur. Ralf Höcker.

Die literarischen und intellektuellen Ansprüche, die Christian Fahl, Professor für Strafrecht und Rechtsphilosophie in Rostock, mit seinem Buch verfolgt, sind jedoch höhere: Über juristisches Fachwissen soll seriös aufgeklärt werden. Und das soll so unterhaltsam geschehen, dass Nicht-Juristen gerade noch gut motiviert durch die Lektüre kommen.

Die Aufklärung gelingt wohl recht gut, soweit das der Rezensent beurteilen kann. Was den Unterhaltungsanspruch betrifft, ohne den im medialen Dauerfeuerwerk die beste Aufklärungsabsicht nicht unters Volk kommt, sind Zweifel angebracht.

Methodisch, dogmatisch: gut

Was hat Fahl zu bieten? Zwei Lektionen im Zivilrecht, zwei im Strafrecht, je eine im Strafprozess-, im öffentlichen und im Völkerrecht – das entspricht in seiner Gewichtung zwar nicht ganz dem juristischen Lehrplan, erinnert aber doch stark ans akademische Pflichtprogramm. Doch sollte das den juristischen "Laien" von der Lektüre nicht abschrecken. Erzählerisch sind diese Lektionen nämlich weitaus geschickter angelegt, als das, was Juristen in Hörsälen geboten bekommen.

Ob Gerichte gegen Lärm helfen, mit dieser Frage beginnt Fahl beispielsweise seine Lektion zum öffentlichen Recht. Weil es sich bei dem konkreten Geräusch um Glockengeläut handelte, lassen sich daran natürlich wunderbare Rechtsprobleme anknüpfen – so eilt der Autor über das Problem des einstweiligen Rechtsschutzes zum Staatskirchenrecht, das berüchtigte Hamburger Stadtsiegel findet seinen Platz neben den "res sacrae".

Gerichtswege und Klageart, Beschwer, Begründetheit und Kollisionsprobleme, Schweinemast und Froschgequak – alles kommt auf den Leser zu, geschickt verbunden und, jedenfalls bei Geschmack an ein bisschen bildungsbürgerlichem Hautgout, sogar unterhaltsam erzählt.

Eine gute Portion juristischer Dogmatik wird so vermittelt, ein gymnasialer Grundkurs in Rechtskunde könnte mit diesen sieben Lektionen gut gespeist werden.

Unterhaltsame Aufklärung?

Würde Christian Fahls "Jura für Nichtjuristen" als Lehrmittel für den Gymnasialunterricht oder auch als Ferienlektüre für die Zeit zwischen Abitur und dem Antritt jedweden sozialwissenschaftlichen Studiums vermarktet, man dürfte es wohl loben. Ein solches Publikum sollte sich an der spürbaren Nähe zur Didaktik der universitären Juristenausbildung nicht stören.

Für ein breiteres Publikum dürfte das Buch ein bisschen zu sperrig, freundlicher formuliert: zu methodisch und zu seriös sein.

Um es mit der populären Konkurrenz zu vergleichen, die in puncto Methode und Gehalt auf gleicher Augenhöhe operiert: Uwe Wesels "Fast alles, was Recht ist", 1992 erstmals erschienen und derzeit in der achten Auflage auf dem Markt, hat den Anspruch, Nichtjuristen aufzuklären – und zwar, wie garstig, politisch. Es hebt an mit einer Kritik an der Sprache der Juristen.

Wesel führt das Recht immer wieder zurück auf die starken Triebfedern der menschlichen Gesellschaft: Macht, Geld, Fortpflanzung. Damit sind bei Wesel verbunden: Herrschaftskritik und der Hintergedanke, dass wir wohl nicht in der besten aller Welten leben.

Diesen Hintergedanken und seine anstrengenden Konsequenzen muss man nicht mögen, er macht Uwe Wesels "Fast alles, was Recht ist" im Vergleich zu Christian Fahls "Jura für Nichtjuristen" aber zum erkennbar spannenderen Buch.

Weihnachtsgabe von unverstandenen Juristen

Das Drama des unverstandenen Juristen kennt bekanntlich fast so viele Gesichter wie das sprichwörtliche Drama des begabten Kindes. Sechs, sieben Jahre lang hat der Jurist sich ausbilden lassen, die Initiationsrituale zweier Staatsexamen überstanden, spätestens dann ist er da – der Verdacht seiner Umwelt, er habe all die Jahre nur eines gelernt: einfache Konflikte des Lebens in einer labyrinthischen Sprache auszudrücken.

Dieses Unverständnis mag die studienfinanzierende Großmutter vortragen oder die mehr in Kunstgeschichte bewanderte Lebensgefährtin (m/w). Ihnen mag der schenkungswillige Jurist Christian Fahls "Jura für Nichtjuristen" unter den Baum legen – für bessere "Parallelwertungen in der Laiensphäre".

Wesels "Fast alles, was Recht ist", wäre dazu weniger zu empfehlen. Der unverstandene Jurist will sich ja vermutlich nicht auch noch in seiner Freizeit übers Recht streiten.

Schon gar nicht zu Weihnachten.

 

Literatur:

Uwe Wesel: "Fast alles, was Recht ist". Jura für Nicht-Juristen, Frankfurt am Main (Eichborn), 8. Auflage 2007, 430 Seiten, 24,95 Euro, ISBN 978-3-8218-4749-8

Martin Rath ist freier Lektor und Journalist in Köln.

  • Drucken
  • Senden
  • Zitieren
Zitiervorschlag

Martin Rath, "Jura für Nichtjuristen" von Christian Fahl: . In: Legal Tribune Online, 07.11.2010 , https://www.lto.de/persistent/a_id/1880 (abgerufen am: 13.11.2025 )

Infos zum Zitiervorschlag
  • Mehr zum Thema
    • Fachliteratur
    • Literatur
Mann an einem Bücherregal 09.07.2025
Grundrechte

OVG NRW schützt Autorenrechte:

Stadt­bücherei darf vor Buch­in­halten nicht warnen

Streit um Bücher mit brisanten Inhalten: Das Oberverwaltungsgericht schützt Autorenrechte und hebt eine Entscheidung der Vorinstanz auf. Eine Stadtbücherei muss auf negative Vorabbemerkungen zu einem Buch verzichten.

Artikel lesen
LTO erhält bei den B2B Media Days 2025 gleich zwei Auszeichnungen 23.05.2025
In eigener Sache

In eigener Sache:

LTO gewinnt Preise für besten Pod­cast und besten News­letter

Gleich in zwei Kategorien hat der Verein Deutsche Fachpresse LTO zum Sieger gekürt. Es gewannen der Podcast "Die Rechtslage" und der Newsletter "LTO Daily". Die Jury lobte, LTO mache Recht verständlich und bleibe dabei trotzdem präzise.

Artikel lesen
Das Bild zeigt eine Person, die an einer Umfrage auf einem Laptop teilnimmt, im Kontext der LTO-Leserumfrage 2025. 20.02.2025
In eigener Sache

LTO-Leserumfrage 2025:

Wir wollen es wissen

Die Zahlen, die LTO auswertet, sagen uns vieles, aber nicht alles. Deshalb fragen wir Sie: Warum lesen Sie LTO? Was ist Ihnen wichtig? Gibt es etwas, das Sie stört? Weil Ihre Zeit wertvoll ist, gibt es natürlich auch etwas zu gewinnen.

Artikel lesen
Blick durch zwei Regale einer Bibliothek 03.02.2025
Fachliteratur

Tipps für Erstsemester:

Juris­ti­sche Texte lesen und ver­stehen

Viele verstehen zu Beginn des Jurastudiums nur Bahnhof, vor allem zur Hausarbeitenzeit: Gesetzestexte und Kommentare sind eben speziell und anders als das, was man bisher aus der Schule kannte. Hier ein paar Tipps für besseres Verständnis.

Artikel lesen
Hans Dieter Beck 2022 08.01.2025
Nachruf

Eine persönliche Erinnerung an Hans Dieter Beck:

Patri­arch alter Schule mit Weit­sicht

Am 3. Januar ist der Verleger Hans Dieter Beck im Alter von 92 Jahren in seinem Geburtsort München verstorben. Martin W. Huff, rund zehn Jahre im Verlag C. H. Beck tätig, erinnert sich an einen guten Juristen und eigenwilligen Verleger.

Artikel lesen
Frag den Grüneberg 08.01.2025
Künstliche Intelligenz

Anwalt testet "Frag den Grüneberg":

Hil­f­reich, aber aus­bau­fähig

Für 50 Euro verkauft der Beck-Verlag die KI-Anwendung "Frag den Grüneberg" zum gleichnamigen Kommentar. Wie gut das digitale Werkzeug im Anwaltsalltag unterstützt und ob es sein Geld wert ist, hat Carsten Schier getestet.

Artikel lesen
ads lto paragraph
lto karriere logo
ads career people

Wir haben die Top-Jobs für Jurist:innen

Jetzt registrieren
logo lto karriere
TopJOBS
Logo von REDEKER SELLNER DAHS
Re­fe­ren­da­rin­nen/​Re­fe­ren­da­re (m/​w/​d)

REDEKER SELLNER DAHS , Brüs­sel

Logo von HÄRTING Rechtsanwälte PartGmbB
Rechts­an­wäl­tin­nen / Rechts­an­wäl­te (m/w/d) mit Schwer­punkt IT-Recht oder...

HÄRTING Rechtsanwälte PartGmbB , Ber­lin

Logo von REDEKER SELLNER DAHS
Re­fe­ren­da­rin/​Re­fe­ren­dar (m/​w/​d) Bau­recht

REDEKER SELLNER DAHS , Bonn

Logo von CMS Deutschland
Rechts­an­wäl­­te (m/w/d) für den Be­reich Cor­po­ra­te / Ven­tu­re Ca­pi­tal –...

CMS Deutschland , Ber­lin

Logo von Bundesnetzagentur
VOLL­JU­RIST*IN (w/m/d)

Bundesnetzagentur , Mainz

Logo von BLD Bach Langheid Dallmayr Rechtsanwälte Partnerschaftsgesellschaft mbB
Rechts­an­walt (w/m/d) als Coun­sel für den Be­reich Ma­ri­ne

BLD Bach Langheid Dallmayr Rechtsanwälte Partnerschaftsgesellschaft mbB , Ham­burg

Logo von REDEKER SELLNER DAHS
Re­fe­ren­da­rin/​Re­fe­ren­dar (m/​w/​d) Straf­recht

REDEKER SELLNER DAHS , Bonn

Logo von Latham & Watkins LLP
Rechts­an­wält*in­nen Kar­tell- und In­ves­ti­ti­ons­kon­troll­recht (m/w/d)

Latham & Watkins LLP , Frank­furt am Main

Mehr Stellenanzeigen
logo lto events
Juristinnen netzwerken ... - After Work live in Leipzig

26.11.2025, Leipzig

§ 15 FAO - Prozessführung nach Aktenlage

20.11.2025, Hamburg

Zertifizierter Berater für Kryptowerte und Steuern (WIRE)

20.11.2025, Frankfurt am Main

Triff Möhrle Happ Luther an der Uni Göttingen

20.11.2025, Göttingen

Online-Seminar! § 15 FAO - Kranken- und Unfallversicherung - neue Entwicklungen

20.11.2025

Mehr Events
Copyright © Wolters Kluwer Deutschland GmbH