Versterben alleinlebende Menschen, bleibt ihre Mietwohnung oft lange ungenutzt. Erben müssen erst aufwendig ermittelt werden. Auf der JuMiKo sollen Änderungen im BGB angestoßen werden, damit der Wohnraum wieder schneller verfügbar wird.
Der Wohnungsmarkt in Deutschland ist bekanntlich angespannt, in vielen Städten ist verfügbarer Wohnraum knapp. Vor diesem Hintergrund regt Hamburgs Justizsenatorin Anna Gallina (Bündnis 90/Die Grünen) nun Änderungen im Mietrecht an, um in einer besonderen Fallkonstellation unnötigen Wohnungsleerstand zu vermeiden. Es geht um Fälle, in denen alleinstehende Mieter sterben und die Wohnung dann nach dem Tod monatelang leer steht. Etwa weil Angehörige fehlen bzw. Erben nicht bekannt sind. Angesichts des demografischen Wandels dürften derartige Fälle immer häufiger vorkommen.
Um hier nun Abhilfe zu schaffen und die Mietwohnungen wieder schneller dem Markt zuzuführen, hat Hamburg eine Beschlussvorlage vorbereitet, die auf der anstehenden Herbstkonferenz der Justizministerinnen und -minister (JuMiKo) am 7.November in Leipzig beraten und dann an die Bundesjustizministerin zwecks Prüfung weitergeleitet werden soll.
Ziel der Initiative ist es, Vermietern das Warten auf mögliche Erben zu ersparen und ihnen die Möglichkeit zu geben, selbst den Mietvertrag - gewissermaßen für die Erben – zu kündigen. "Wir brauchen klare und schnelle Verfahren, damit Vermieter und Vermieterinnen rechtssicher kündigen und neu vermieten können. Das entlastet die Gerichte und hilft, dringend benötigten Wohnraum wieder nutzbar zu machen – ohne die Rechte der Erbinnen und Erben zu verletzen“, erläutert Gallina gegenüber LTO.
Kostenintensiver Weg über Nachlasspflegschaft
Verstirbt eine Person, die eine Wohnung gemietet hatte, wird das Mietverhältnis dann gemäß § 564 Satz 1 BGB mit den Erben fortgesetzt, wenn keine Personen, die wie z.B. der Ehe- oder Lebenspartner oder andere Mieter nach § 563, 563a Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) in das Mietverhältnis eintreten könnten, vorhanden sind.
Allerdings: Sind die Erben nicht greifbar, kann es Monate dauern, bis die Wohnung vom Inventar geräumt ist und wieder vermietet werden kann. Weil eine eigenmächtige Räumung und Neuvermietung für sie nach geltender Rechtslage mit erheblichen Haftungsrisiken verbunden ist, beantragen Vermieter derzeit oft eine Nachlasspflegschaft nach § 1961 BGB allein zu dem Zweck, die Kündigung aussprechen und die Wohnung räumen lassen zu können. Eine Maßnahme, die nicht nur dauert, sondern auch die Justiz belastet.
Hamburg schlägt daher nun vor, dass der Vermieter künftig selbst für die Erben handeln soll, indem er für sie die Kündigung des Mietverhältnisses ausspricht, die Wohnung räumt, die darin befindlichen Gegenstände einlagert und ein Inventarverzeichnis anfertigt. Ausgeschlossen soll dieses Recht des Vermieters allerdings dann, wenn die Erben sich innerhalb von acht Wochen nach dem Erbfall melden und erklären, dass sie das Mietverhältnis fortsetzen oder die Räumung der Wohnung selbst durchführen möchten.
Zulässiges Insichgeschäft
Rechtstechnisch erwägt der Beschlussvorschlag dabei im Wesentlichen auf das Rechtsinstitut der Geschäftsführung ohne Auftrag (§§ 677ff. BGB) zurückzugreifen, das um den Aspekt einer Vertretungsmacht des Geschäftsführers erweitert werden soll. Darüber hinaus, so heißt es aus Hamburg, müsse der Vermieter von den Beschränkungen des für sogenannte Insichgeschäfte geltenden § 181 BGB befreit werden, damit er sowohl die Kündigung der Wohnung erklären als auch diese empfangen darf.
"Insgesamt soll die neu einzufügende gesetzliche Regelung sicherstellen, dass im Todesfall einer alleinigen Mietperson eine geordnete und rechtssichere Abwicklung des Mietverhältnisses möglich ist, ohne dass der Vermieter aufwendige Nachweise über die Erbenlage erbringen muss, solange keine Erben innerhalb der Frist aktiv werden", erläutert das Hamburger Justizressort gegenüber LTO.
Unterdessen bewerten von LTO befragte Mietrechtler die Initiative Hamburgs unterschiedlich. Manche halten sie im Grundsatz für berechtigt. Zum Beispiel Prof. Dr. Arnold Lehmann-Richter, Professor für privates Wirtschaftsrecht an der Hochschule für Wirtschaft und Recht in Berlin: "Von diesem praktischen Problem hört man häufiger. In der Tat ist es so, dass Eigentümer/Verwalter, die sich hier rechtmäßig verhalten wollen, nur der Weg bleibt, einen Nachlasspfleger bestellen zu lassen, der dann für die Erben die Wohnung zurückgibt". Für die öffentliche Hand, so Lehmann-Richter, sei das kostenträchtig, weil es typischerweise um Fälle gehe, in denen keine Erbmasse vorhanden sei.
"Lösung eher im Erbrecht suchen"
Allerdings hat der Mietrechtler Zweifel, ob es so geht wie sich Hamburg das vorstellt: Diese Lösung habe für die Vermieter den Nachteil, dass (anders als bei der Nachlasspflegschaft) keine rechtsichere Vertragsbeendigung herbeigeführt werden könne. "Sie erscheint mir zudem rechtstechnisch merkwürdig. Denn eine Kündigung, die eine Vertragspartei als Vertreter der anderen Vertragspartei sich selbst gegenüber wirksam aussprechen kann, wäre ein rechtliches Novum." Lehmann-Richter plädiert daher dafür, eher im Erbrecht anzusetzen. "Konkret müsste man die Einsetzung eines Nachlasspflegers in diesen Fällen erleichtern, insbesondere die Amtsgerichte von der Pflicht der Erbensuche entbinden."
"In hohem Maße anerkennenswert" findet der Bielefelder Mietrechtler Prof. Martin Schwab Hamburgs Vorschlag. Er mahnt, dass bei der konkreten Ausgestaltung des Vorschlags einige Punkte sichergestellt werden müssten. Zum Beispiel, dass der Vermieter, der sich Zutritt zum Mietobjekt verschaffe und sich der Gegenstände des verstorbenen Mieters bemächtige, keine verbotene Eigenmacht im Sinne des § 858 BGB begehe. Ihm müsste der eigenmächtige Eingriff in den Erbenbesitz ausdrücklich erlaubt werden, so Schwab. "Was den anschließenden Umgang mit den Sachen des Mieters anbelangt, könnte auf das Recht der berechtigten Geschäftsführung ohne Auftrag verwiesen werden: Der Vermieter hat mit diesen Sachen pfleglich umzugehen (wie es dem mutmaßlichen Willen der Erben entspricht, § 677 BGB), die Sachen auf Verlangen an die Erben herauszugeben (§§ 681 S. 2, 667 BGB) und kann andererseits nach §§ 683, 670 BGB von den Erben die Kosten von Entrümpelung, Abtransport und Lagerung ersetzt verlangen."
Alternativ zum Hamburger Vorschlag kann sich Schwab auch eine ganz andere Lösung vorstellen, eine radikalere: So könne man das Mietverhältnis bereits kraft Gesetzes mit dem Tod des letzten verbliebenen Mieters enden zu lassen, also vom bisherigen Modell des § 564 BGB komplett abzurücken. "Die Erben des Mieters würden in diesem Fall weder in die Mieterstellung noch in den Erbenbesitz am Mietobjekt einrücken."
"Kein Anlass, Verwertungsmöglichkeiten für Vermieter weiter zu verbessern"
Schwerwiegende Bedenken an Hamburgs Initiative äußert dagegen der Berliner Zivilrechtler Prof. Florian Rödl gegenüber LTO. Schließlich werde eine Neuvermietung nur möglich, wenn der Vermieter nicht nur sich selbst gegenüber in fingierter Empfangsvertretung der Erben die Kündigung erkläre, sondern auch noch die Wohnung räumen und die Sachen der Erben einlagern könne. "Es scheint mir nicht vertretbar, einen entsprechenden Willen der Erben zu unterstellen bzw. gesetzlich zu fingieren."
Ergänzend weist Rödl darauf hin, dass die fingierte Empfangsvertretung dem Vermieter auch ohne Räumung erlauben würde, von den Erben für die womöglich auch lange Zeit nach dem Beendigungstermin höhere Zahlungen als die vereinbare Miete zu verlangen. "Sei es aus ungerechtfertigter Bereicherung (ortsübliche Vergleichsmiete) oder womöglich sogar Schadensersatz (Angebotsmiete)." Es gebe jedoch grundsätzlich keinen Anlass, die Verwertungsmöglichkeiten für Wohnraumvermieter weiter zu verbessern.
JuMiko-Vorschlag zu Wohnungsleerstand nach Tod des Mieters: . In: Legal Tribune Online, 29.10.2025 , https://www.lto.de/persistent/a_id/58495 (abgerufen am: 07.11.2025 )
Infos zum Zitiervorschlag