Unnötige Bescheide, irrsinnige Berichtspflichten und das Beharren auf papierne Unterlagen verschlingen jedes Jahr Milliarden. Vor rund sieben Jahren richtete der Gesetzgeber daher den Normenkontrollrat ein, der die Bundesregierung beim Bürokratieabbau unterstützen soll. Am Mittwoch übergab das Gremium der Kanzlerin den Jahresbericht 2012 und stellte eine gemischte Bilanz aus.
Bürokratie ist ein handfester Kostenfaktor. Der Normenkontrollrat schätzt, dass Unternehmen bis 2006 jährlich rund 50 Milliarden Euro für das Ausfüllen von Anträgen, deren Überprüfung und die Archivierung von Akten ausgeben mussten.
Manche Vorschrift ist dabei so sinnentleert wie kontraproduktiv. Lange verschickte beispielsweise die Deutsche Rentenversicherung jährlich Millionen Bescheide, die lediglich besagten, dass sich gegenüber dem Vorjahr nichts verändert hatte. Ein Gesetz verpflichtete die Versicherung dazu. Und als wäre das nicht schon schlimm genug, legten einige Rentner gegen diese Bescheide auch noch Widerspruch ein. Sie hielten sie für einen EDV-Fehler und verursachten so weitere Kosten.
Wahnsinn wie diesen soll der Normenkontrollrat bekämpfen, den der Bundestag 2006 einsetzte. Bis jetzt hat das zehnköpfige Gremium, das sich unter anderem aus Unternehmern, Wissenschaftlern und Lokalpolitikern zusammensetzt, gut 2.000 Vorschriften auf ihre Sinnhaftigkeit überprüft.
Nur Stellungnahmen und Empfehlungen
Der organisatorisch beim Bundeskanzleramt angesiedelte, gleichwohl unabhängige Normenkontrollrat muss seit seiner Errichtung an allen Gesetzentwürfen der Bundesregierung beteiligt werden. Auch der Bundesrat und die Bundestagsfraktionen können für ihre Initiativen auf die Expertise des Normenkontrollrates zurückgreifen, was allerdings nur selten geschieht.
Bei der Erarbeitung von Gesetzesentwürfen müssen die Ministerien darstellen, wie viel Zeitaufwand und Kosten die neuen Handlungspflichten verursachen. Der Normenkontrollrat prüft anschließend, ob die Angaben nachvollziehbar und vollständig sind. Die Parlamentarier sollen so voraussehen können, welche wirtschaftlichen Folgen der Beschluss eines Gesetzentwurfs haben kann.
Außerdem überprüft das Gremium, ob die Regierung in ausreichendem Maße nach weniger bürokratischen Alternativen gesucht hat und macht Verbesserungsvorschläge. Zwar kann der Rat nur Stellungnahmen sowie Empfehlungen abgeben und kein Veto einlegen. Faktische Gestaltungsmacht schöpft er aber aus seiner gesetzlichen Verankerung und der engen Zusammenarbeit mit den Gesetzgebungsorganen.
Viel geschafft, viel zu tun
Der Normenkontrollrat erstattet der Bundesregierung außerdem jährlich Bericht über die Fortschritte beim Bürokratieabbau. Der am Mittwoch veröffentlichte Jahresbericht 2012 stellt eine gemischte Bilanz aus.
Der Gesetzgeber hat es geschafft, die Bürokratiekosten von 2006 bis jetzt immerhin um 22,5 Prozent zu senken. Jährlich werden mittlerweile 11 Milliarden Euro eingespart. Ein Erfolg, der sich sehen lässt und das anvisierte Ziel einer Senkung um 25 Prozent bis Ende 2011 nur geringfügig verfehlt.
Seit dem vergangenen Jahr überprüft der Normenkontrollrat aber nicht mehr nur die Kosten, die Unternehmen durch gesetzliche Informationspflichten entstehen, sondern den so genannten Erfüllungsaufwand. Dieser besteht aus sämtlichen Folgekosten, die der Gesetzgeber Unternehmen, Bürgern und Verwaltung aufbürdet. Insoweit fällt die Bilanz wesentlich differenzierter aus. So soll nach dem Jahressteuergesetz 2013 die Aufbewahrungszeit für Rechnungen verkürzt werden, wodurch jährlich 2,5 Milliarden Euro eingespart werden sollen. Ohne diese eine Maßnahme wäre der Erfüllungsaufwand jedoch um 1,1 Milliarden Euro angestiegen. Diese Entwicklung erfüllt den Normenkontrollrat mit Sorge.
Das Gremium bemängelt außerdem, dass das Engagement der Ressorts im Kampf gegen die Bürokratie spürbar nachgelassen habe. Gleichwohl blickt der Normenkontrollrat nicht ohne Zuversicht nach vorn: So könne beispielsweise das geplante E-Government-Gesetz, das den Einsatz von IT in der Bundesverwaltung fördern soll, den Weg frei machen für den Abbau von Bürokratiekosten.
Der Normenkontrollrat wird auch weiterhin kritisch die Gesetzgebung begleiten. Sein jährliches Budget von rund 600.000 Euro ist angesichts von eingesparten Bürokratiekosten in Höhe von mittlerweile jährlich 11 Milliarden Euro eine sinnvolle Investition.
Jens Kahrmann, Jahresbericht des nationalen Normenkontrollrates: . In: Legal Tribune Online, 10.10.2012 , https://www.lto.de/persistent/a_id/7286 (abgerufen am: 09.12.2024 )
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