Am Montag launcht das Deutsche Institut für Menschenrechte eine neue Rechtsprechungsdatenbank. Sie fasst ausgewählte Entscheidungen des EGMR, des EuGH und anderer Gremien zusammen und ist frei zugänglich. Direktorin Beate Rudolf erklärt im Interview die Idee hinter dem Projekt und wie ius menschenrechte die rechtliche Praxis in Deutschland verändern soll.
LTO: Frau Professor Rudolf, Ihr Institut startet eine eigene Online-Datenbank, die ausschließlich Entscheidungen zum Thema Menschenrechte enthält. Warum halten Sie diese Zusammenstellung für erforderlich?
Rudolf: Mit ius menschenrechte lanciert das Institut die erste deutschsprachige Datenbank zur Rechtsprechung internationaler Gerichte und Gremien wie des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR), des Gerichtshofs der Europäischen Union (EuGH) und der UN-Fachausschüsse zu den Menschenrechtsabkommen.
Die Bedeutung der völker- und europarechtlich garantierten Menschenrechte und der diesbezüglichen Rechtsprechung für die deutsche Rechtspraxis wächst stetig. Für einen wirksamen Schutz der Menschenrechte in Deutschland ist es daher nötig, dass die Gerichte hierzulande diese internationalen Vorgaben in Urteils- und Beschwerdeverfahren verstärkt mit einbeziehen.
Die Datenbank gehört zum Themenschwerpunkt "Rechte haben – Recht bekommen", mit dem das Institut in den kommenden Jahren bundesweit Diskussionen anstoßen will. Der Zugang zum Recht ist ein Menschenrecht, genauso wie der zu Informationen über Rechte als wesentlicher Bestandteil davon. Mit der Datenbank wollen wir dazu beitragen, den Zugang zu menschenrechtlichen Informationen zu verbessern.
"ius menschenrechte schließt eine Lücke"
LTO: Was unterscheidet ius menschenrechte von bekannten juristischen Datenbanken und welchen Mehrwert bringt Ihr Projekt diesen gegenüber?
Rudolf: Wer zu Gerichts- und Beschwerdeverfahren im internationalen Menschenrechtsschutz recherchiert, wird in den großen kommerziellen Rechtsprechungsdatenbanken nicht oder nur ungenügend fündig, gerade wenn die Urteile nicht gegen Deutschland ergangen sind.
Diese Lücke schließt ius menschenrechte. Sie enthält ausschließlich Entscheidungen des EGMR, des EuGH und der UN-Fachausschüsse. Zwar handelt es sich überwiegend um Verfahren gegen andere Staaten, diese sind aber auch für die deutsche Rechtspraxis relevant. Eine solche Bündelung von menschenrechtsrelevanten Informationen, aufbereitet in deutscher Sprache gab es so noch nicht.
Zusätzlich erläutern die Zusammenfassungen auch den jeweiligen nationalen Verfahrensweg, der dem EGMR-Verfahren oder der Entscheidung des UN-Fachausschusses zugrunde liegt. Damit soll eine Brücke geschlagen werden zwischen nationaler und internationaler Rechtsprechung. Auch die Spruchkörper internationaler Gerichte und Ausschüsse sollen den nationalen Juristinnen und Juristen näher gebracht werden.
Datenbank ist für jeden frei zugänglich
LTO: Die Datenbank richtet sich also nur an Juristen?
Rudolf: ius menschenrechte spricht tatsächlich zunächst Anwältinnen und Anwälte sowie die Richterschaft an. Die Rechtsprechung des EGMR und des EuGH oder auch Entscheidungen der UN-Fachausschüsse können Ihnen als Auslegungsmaßstab und Rechtserkenntnisquelle in innerstaatlichen Verfahren dienen. Sie liefern wichtige Anhaltspunkte für die Interpretation und Anwendung menschenrechtlicher Normen.
Darüber hinaus richtet sich die Datenbank an juristisch tätige Verbände und Selbstorganisationen - nicht zuletzt, um sie darin zu stärken, internationale Gerichts- und Beschwerdeverfahren über den Einzelfall hinaus als strategische Prozessinstrumente zu nutzen.
Und schließlich möchten wir auch die interessierte Öffentlichkeit ansprechen. So ist ius menschenrechte für alle frei und kostenlos zugänglich und die aufgeführten Entscheidungen sind auf Deutsch zusammengefasst. Die Zusammenfassungen stehen in der barrierefreien Form HTML zur Verfügung, um den Zugang zum Recht auch für Menschen mit Behinderungen zu verbessern. Blinde zum Beispiel können sich die Urteile und Entscheidungen an ihrem PC mit Hilfe eines Screenreaders vorlesen lassen.
Institut erweitert und aktualisiert Datenbank kontinuierlich
LTO: Über welche Themenfelder können sich die Nutzer konkret informieren?
Rudolf: Die neue Datenbank enthält derzeit Urteile und Entscheidungen in den Themenfeldern Diskriminierungsschutz, geschlechtsspezifische Gewalt, Menschenhandel und Behinderung. Wir bauen die Datenbank kontinuierlich aus und wollen sie zudem um weitere Themen der Institutsarbeit erweitern, wie etwa Rassismus, Migration und Flucht.
LTO: Wer betreut die Datenbank und wer sichert ihre Aktualität?
Rudolf: Das Institut aktualisiert die Datenbank im Rahmen seiner fachlichen Arbeit, sobald neue relevante Entscheidungen ergehen.
LTO: Frau Professor Rudolf, ich danke Ihnen für das Interview.
Prof. Dr. Beate Rudolf ist Direktorin des Deutschen Instituts für Menschenrechte. Zuvor war sie Juniorprofessorin für Öffentliches Recht und Gleichstellungsrecht am Fachbereich Rechtswissenschaft der Freien Universität Berlin und leitete das Teilprojekt "Völkerrechtliche Vorgaben für Governance in schwachen und zerfallenden Staaten" im Sonderforschungsbereich "Governance in Räumen begrenzter Staatlichkeit".
Pia Lorenz, Kostenlose Datenbank ius menschenrechte geht online: . In: Legal Tribune Online, 15.12.2014 , https://www.lto.de/persistent/a_id/14112 (abgerufen am: 09.11.2024 )
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