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Dopingbekämpfung im Sport: "Schon lange kein totes Recht mehr"

Interview mit Prof. Dr. Matthias Jahn

28.11.2012

Radsport

© VRD - Fotolia.com

Fünf Jahre nach dem Gesetz zur Verbesserung der Dopingbekämpfung im Sport zieht die Regierung eine positive Bilanz. Der Strafrechtler und wissenschaftliche Sachverständige des Evaluationsberichts Matthias Jahn erklärt im LTO-Interview, wieso es noch zu wenig spezifische Zahlen gibt, was die neuen Schwerpunktstaatsanwaltschaften leisten und warum schon der Erwerb von Dopingmitteln strafbar werden muss.

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LTO: Herr Professor Jahn, die federführenden Ministerien des Innern und für Gesundheit ziehen nach dem Evaluationsbericht zu fünf Jahren Gesetz zur Verbesserung der Bekämpfung des Doping im Sport (DBVG) ein grundsätzlich positives Fazit. Teilen Sie diese Auffassung? Wie geht es der Dopingbekämpfung in Deutschland?

Jahn: Ich habe die Evaluation im Auftrag der beiden Ministerien und des Deutschen Bundestages wissenschaftlich begleitet, will mich also mit einer eigenen Bewertung zurückhalten. Ich denke aber, die vorgelegten Zahlen zeigen, dass die Aktivitäten des Gesetzgebers gegriffen haben.

Selbst engagierte Kritiker der Anti-Doping-Regelungen im geltenden Strafrecht haben nach der Veröffentlichung des Berichts Ende Oktober eingeräumt, dass sie positiv überrascht waren und Erfolge in der Dopingverfolgung nur schwer bestreitbar sind.

"Nur zum Teil valide Vergleichszahlen"

LTO: Ihre Annahme, dass das Gesetz vom 1. November 2007 Doping tatsächlich effektiver bekämpft, stützen die Minister vor allem darauf, dass wesentlich mehr Ermittlungsverfahren durchgeführt würden, die Zahl der Strafurteile habe sich sogar fast verzwölffacht. Auf welche Zahlen nehmen diese Werte Bezug? Schließlich werden Dopingdelikte erst seit der Reform in der Polizeilichen Kriminalstatistik überhaupt als solche ausgewiesen.

Prof. Dr. Matthias JahnJahn: Ausgewertet wurden Zahlen aus der Praxis zu Ermittlungs- und Strafverfahren auf der Grundlage der einschlägigen Normen des Arzneimittelgesetzes. Dabei hat man sich vor allem auf Statistiken der Staatsanwaltschaften einschließlich der Zentralstellen zur Bekämpfung von Betäubungsmittelkriminalität, der Landesjustizverwaltungen und der Bundes- und Landespolizeibehörden gestützt, insbesondere solche des Bundeskriminalamts und des Zollkriminalamts.

Dazu traten dann noch einzelne Fallanalysen, zum Beispiel zu den Berührungspunkten von Dopingkriminalität und organisierter Bandenkriminalität, sowie Interviews mit Experten, etwa von der Schwerpunktstaatsanwaltschaft in München und der Generalstaatsanwaltschaft in Frankfurt am Main. Dieser Sachverstand hat uns gerade bei besonders interpretationsbedürftigen Zahlen sehr geholfen.

Zum Teil haben Sie aber leider Recht: Die landgerichtlichen Staatsanwaltschaften konnten häufig noch keine detaillierten Auskünfte geben, da eine gesonderte Strafverfolgungsstatistik für Doping-Verstöße entweder nicht geführt wurde oder in einzelnen Bundesländern, zum Beispiel in Berlin, erst so spät implementiert wurde, dass ein Durchschlagen auf das Zahlenwerk erst ab 2010 möglich war. Hier fordert der Evaluationsbericht deshalb weitere Anstrengungen, die übrigens technisch leicht umzusetzen sind.

"Besitzkann ausreichen: Auch der Sportler selbst kann sich strafbar machen"

LTO: Welche der 2007 in Kraft getretenen Änderungen waren aus Ihrer Sicht die wichtigsten?

Jahn: Der Schwerpunkt lag auf der Eindämmung krimineller Strukturen, die vielfach international vernetzt und über Grenzen hinweg operieren. Das Gesetz verstärkte deshalb unter anderem die staatlichen Ermittlungsbefugnisse in Fällen des organisierten ungesetzlichen Handels mit Dopingmitteln.
Daneben wurde eine so genannte Besitzstrafbarkeit für den Umgang mit besonders gefährlichen Dopingmitteln in nicht geringer Menge eingeführt. Damit kann man nun auch den Sportler selbst zum Beschuldigten eines Strafverfahrens machen. In besonders schweren Fällen droht das Gesetz immerhin Freiheitsstrafen von bis zu zehn Jahren an.

LTO: Liegen denn insoweit schon Zahlen vor?

Jahn: Eines geht aus dem Report klar hervor: Im Evaluationszeitraum ist nicht nur die Zahl der Ermittlungsverfahren signifikant gestiegen, auch die Effektivität der Strafverfolgung im Ganzen hat sich drastisch verbessert, etwa was die Abschöpfung der Gewinne aus illegalem Dopinghandel angeht. Während bei den eingebundenen Staatsanwaltschaften noch in den Jahren 2007 und 2008 lediglich 280 Strafverfahren wegen banden- oder gewerbsmäßiger Dopingstraftaten und der nun neu geregelten Besitzstrafbarkeit geführt wurden, stieg diese Zahl bis 2011 kontinuierlich auf 1.592 an.
Innerhalb des Berichtszeitraums, das heißt in weniger als fünf Jahren, hat sich die Zahl der Verfahren also auf das 5,5-Fache erhöht. Allein bei der Münchener Schwerpunktstaatsanwaltschaft wurden 459 Doping-Verfahren geführt.

Schwerpunktstaatsanwaltschaften: "Aktive Ermittlungsarbeit, sensibilisierte Polizei"

LTO: Was berichten die Kollegen denn zum Beispiel bei der neu eingerichteten Schwerpunktstaatsanwaltschaft für Dopingstraftaten in München? Wie viele solcher spezialisierten Staatsanwaltschaften gibt es inzwischen?

Jahn: Mittlerweile gibt es neben der Münchener Schwerpunktstaatsanwaltschaft seit dem 1. April 2012 auch ein Pendant in Freiburg – das ist ein guter Anfang. Der faktische Schwerpunkt der staatsanwaltschaftlichen Ermittlungsverfahren der spezialisierten Strafverfolger in München liegt seit Aufnahme ihrer Tätigkeit zum 1. März 2009 im Bereich des illegalen Arzneimittelhandels und der damit einhergehenden Besitzfälle aus dem Umfeld des Bodybuilding und Kraftsports.

Dabei stiegen die Eingänge der AMG-Verfahren mit Dopingmittelbezug, insbesondere seit Beginn des Jahres 2011, rapide an. Diesen Zuwachs führen die Münchener Schwerpunktstaatsanwälte maßgeblich nicht nur auf die aktive Ermittlungsarbeit, sondern auch auf die von ihnen erreichte Sensibilisierung der bayerischen Polizeidienststellen zurück. Eine wesentliche Rolle spielt ihrer Ansicht nach auch, dass Aufgriffe von Dopingmittelhändlern oft zu umfangreichen Verfahrenskomplexen mit einer Vielzahl von Beschuldigten führten.

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  • Seite 1:

    Überraschende Erfolge, Strafbarkeit der Sportler und eine sensibilisierte Polizei

  • Seite 2:

    Strafbarkeit des Erwerbs, einheitliche Ermittlungsverfahren und ein nicht-totes Recht

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Matthias Jahn, Dopingbekämpfung im Sport: . In: Legal Tribune Online, 28.11.2012 , https://www.lto.de/persistent/a_id/7658 (abgerufen am: 06.11.2025 )

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