Mit einer neuen Verordnung will die EU-Kommission Verbrauchern den Zugriff auf abonnierte Online-Inhalte auch im Ausland ermöglichen. Was von den jetzt vorgestellten Plänen zu halten ist, erläutert Torsten Kraul.
Immer mehr Verbraucher beziehen über das Internet Filme, Serien oder Musik. Digitaler Content heißt dieses Angebot, dessen Gesamtumsatz in Deutschland jedes Jahr um rund eine Milliarde Euro ansteigt. Anbieter sind Videostreaming-Dienste wie Amazon Video, Netflix und die Mediatheken der Fernsehsender, Musikplattformen wie Spotify und Apple Music sowie etwa Skoobe als Abo-Modell für E-Books. Die Plattformen sind - aus lizenzrechtlichen Gründen sowie zur Angebots- und Preisdifferenzierung - üblicherweise als nationale Dienste konzipiert, d.h. Zugriff auf die Angebote haben Kunden aus Deutschland nur, solange sie sich im Inland aufhalten.
Zur Absicherung solcher territorialen Angebote gegen einen Zugriff vom Ausland aus setzen die Diensteanbieter Maßnahmen des Geoblockings ein. Dabei werden insbesondere ausländische IP-Adressen gesperrt und bei registrierungspflichtigen Diensten geprüft, ob eine inländische Adresse oder Zahlungsart vorliegt.
Der EU-Kommission sind derartige Sperren ein Dorn im Auge. Aus ihrer Sicht beschränkt das Geoblocking den Wettbewerb zwischen den europäischen Anbietern und die Wahlmöglichkeiten der Verbraucher. Vor diesem Hintergrund hat die Kommission ein Vorgehen gegen das Geoblocking als herausgehobenen Aspekt ihrer Strategie zur Vollendung des digitalen Binnenmarkts angekündigt. In einem ersten Schritt geht die Kommission nun den besonderen Teilaspekt der sogenannten Portabilität an: Durch Maßnahmen des Geoblockings werden Nutzer am Zugriff vom Ausland aus gehindert, etwa im Urlaub oder auf einer Geschäftsreise, auch wenn sie im Inland rechtmäßige Kunden sind, insbesondere für ein entsprechendes Abonnement bezahlt haben.
Auslandszugriff gilt als Inlandsnutzung
Dazu hat die EU-Kommission am 9. Dezember 2015 den Entwurf einer Verordnung veröffentlicht. Als solche soll sie ohne weiteren Umsetzungsakt in den Mitgliedsstaaten unmittelbar wirksam werden. Nach dem Entwurf soll Abonnenten während eines vorübergehenden Auslandsaufenthalts der Zugriff auf die Dienste ermöglicht werden. Der Clou dabei: Dies soll auch für bereits bestehende Vertragsverhältnisse und erworbene Rechte gelten.
Begünstigen will die Kommission ausdrücklich nur Verbraucher. Für die Anbieter digitaler Dienste ist das heikel. Eine trennscharfe Abgrenzung dürfte sie vor Schwierigkeiten stellen, denn die Verbrauchereigenschaft bestimmt sich nach dem Zweck der Nutzung des Dienstes für nicht-geschäftliche Belange. Nicht in den Genuss der Portabilität käme danach, wer eine Plattform beruflich, etwa als Filmkritiker nutzt.
Abonnenten sollen künftig so genannte lineare Dienste, etwa Pay-TV-Angebote, und On-Demand-Plattformen auch im Ausland nutzen können. Es kann sich sowohl um kostenpflichtige als auch um kostenfreie Dienste handeln. Voraussetzung ist aber stets, dass sich die Nutzer registriert haben. Portabilität wäre danach also beispielsweise den registrierten, nicht aber den unregistrierten Nutzern der Videoplattform Youtube zu ermöglichen.
Außerdem ist ein bestehender Vertrag mit dem Diensteanbieter in dem EU-Mitgliedsstaat erforderlich, in dem der Verbraucher seinen gewöhnlichen Aufenthalt (nicht zwingend seinen Wohnsitz) hat, und ein vorübergehender Aufenthalt in einem anderen Mitgliedsstaat. Zeitlich ist dieser allerdings nicht beschränkt, solange er nicht in einen gewöhnlichen Aufenthalt in diesem anderen Mitgliedsstaat übergeht.
Schließlich geht die Kommission in ihren Plänen auch auf Fragen der Lizensierung digitaler Inhalte ein, da die Lizenzen der Diensteanbieter häufig auf das Inland beschränkt sind. Um insofern einen Konflikt zu vermeiden, bestimmt der Verordnungsentwurf, dass die Ermöglichung der Portabilität im Ausland als inländische Nutzung gilt.
2/2: Folgen für Diensteanbieter und Lizenzgeber
Die Folgen der Verordnung sind schnell zu umreißen: Diensteanbieter müssen registrierte, inländische Kunden vom Geoblocking ausnehmen. Sie können ihr Angebot aber weiterhin auf inländische Kunden beschränken, indem sie nur diesen eine Registrierung ermöglichen. Insoweit sind Maßnahmen des Geoblockings weiterhin zulässig. Auch eine Beschränkung auf eine bestimmte Anzahl von Endgeräten bleibt möglich. In der Praxis dürfte die maßgebliche Änderung darin bestehen, dass der Zugriff von inner-europäischen IP-Adressen aus nicht mehr gesperrt werden wird.
Die geplanten Änderungen sollten Anbieter im Rahmen ihrer Content-Lizenzverträge berücksichtigen, denn auch bereits bestehende Vereinbarungen sollen von der Verordnung betroffen sein – und sei es in der Weise vorerst nur zu vereinbaren, dass die Verträge bei Inkrafttreten der Verordnung anzupassen sind. Auch der Umfang, in dem die inländische Kundeneigenschaft mit lediglich vorübergehendem Aufenthalt im Ausland zu prüfen ist, kann geregelt werden – etwa durch die Festlegung, dass die Prüfung bestimmter Merkmale wie einer inländischen Adresse und Zahlungsart ausreichend ist.
Möchte der Anbieter seinen Nutzern über die Regelungen der Verordnung hinaus Portabilität ermöglichen, etwa, weil eine Beschränkung auf Verbraucher für ihn faktisch kaum überprüfbar sein wird, so bedarf es einer entsprechenden Erweiterung des Lizenzgebiets. Grenzen für den Lizenzgeber folgen insoweit aus möglichen eigenen Beschränkungen des Lizenzgebiets sowie aus bereits vergebenen Exklusivrechten.
Auch wenn mit dem vorgelegten Entwurf die Diskussion im Detail erst eröffnet wird und daher noch Änderungen der Verordnung zu erwarten sind, scheint die EU-Kommission entschlossen zu sein, kurzfristig eine Regelung zur Portabilität zu erlassen.
Der Autor Dr. Torsten Kraul ist Rechtsanwalt bei Noerr LLP in Berlin. Er berät zu rechtlichen und strategischen Fragen bei operativen Projekten und M&A-Transaktionen in den Bereichen Online, IT, Technologie, Medien und Telekommunikation.
Dr. Torsten Kraul, EU-Kommission will Sperren bei Streaming Diensten aufheben: Mit Netflix und Spotify in den Urlaub . In: Legal Tribune Online, 23.12.2015 , https://www.lto.de/persistent/a_id/17947/ (abgerufen am: 20.04.2024 )
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