Reform des Insolvenzanfechtungsrechts: Jeden­falls keine Ver­sch­lech­te­rung

von Johannes Landry

11.04.2017

2/2: Konkretisierung des Bargeschäfts

Ein weiterer Kernpunkt ist die Konkretisierung des Bargeschäfts in § 142 InsO. Bisher galt, dass bei unmittelbarem und gleichwertigem Leistungsaustausch eine Anfechtung nur unter den Voraussetzungen der Vorsatzanfechtung möglich ist. Folgerichtig wurde diese Möglichkeit im selben Ausmaß weiter, in dem die Vorsatzanfechtung durch die Rechtsprechung von einem Ausnahme- zu einem Auffangtatbestand umgestaltet wurde.

Die Reform versucht dem nun entgegenzuwirken, indem die Anfechtung eines Bargeschäfts künftig nur unter der zusätzlichen Voraussetzung möglich ist, dass der Schuldner unlauter handelte und der Anfechtungsgegner dies erkannt hat. Nach der Gesetzesbegründung liegt ein unlauteres Handeln etwa bei der gezielten Benachteiligung von Gläubigern vor, also dann, wenn es dem Schuldner in erster Linie darauf ankommt, durch die Bedienung des Leistungsempfängers andere Gläubiger zu schädigen. Als weiteres Beispiel für eine Unlauterkeit nennt die Gesetzesbegründung den Fall, dass der Schuldner bei Kenntnis der eigenen Zahlungsunfähigkeit Vermögen für Leistungen verschleudert, die den Gläubigern unter keinem erdenklichen Gesichtspunkt nutzen können.

Unbestimmte Rechtsbegriffe und Klarstellung bei Arbeitslohn

Trotz dieser Beispiele ist der Begriff der Unlauterkeit ein unbestimmter. Die Erfahrungen der vergangenen Jahre lassen erwarten, dass die Rechtsprechung auch diesen Begriff eher zugunsten der Insolvenzverwalter interpretieren wird. Ob dies zur angestrebten Rechtssicherheit für den Wirtschaftsverkehr beiträgt, ist offen.

Darüber hinaus konkretisiert die Reform auch den Begriff der Unmittelbarkeit. Demnach ist ein Leistungsaustausch dann unmittelbar, wenn er nach den Gepflogenheiten des Geschäftsverkehrs in einem engen zeitlichen Zusammenhang erfolgt. Nur: Was sind Gepflogenheiten des Geschäftsverkehrs? Und welcher Geschäftsverkehr ist gemeint? Der allgemeine, der branchenspezifische oder der bisher zwischen diesen beiden Vertragspartnern übliche? Auch hier wird eine Ausfüllung des Begriffs wohl erst durch die Gerichte erfolgen. Rechtssicherheit wird so nicht erreicht.

Aber es gibt auch Positives: Für Arbeitnehmer ergeben sich deutliche Verbesserungen. Ein enger zeitlicher Zusammenhang und damit die Voraussetzungen für ein Bargeschäft sind gegeben, wenn der Arbeitgeber Gehalt maximal drei Monate nach der Arbeitsleistung zahlt. Hiermit ist die bisherige Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (BAG) in das Gesetz übernommen und zumindest für Arbeitnehmer an diesem Punkt Rechtssicherheit geschaffen worden.

Kein Spiel auf Zeit mehr durch Insolvenzverwalter

Uneingeschränkte Zustimmung verdient schließlich die Änderung der Verzinsungsregelung für Anfechtungsansprüche. Nach bisheriger Rechtslage waren Anfechtungsansprüche ab Eröffnung des Insolvenzverfahrens mit fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz zu verzinsen. Auf einen Verzug des Anfechtungsgegners kam es nicht an. Gerade in Niedrigzinsphasen bedeutete das für Insolvenzverwalter ein Geschenk. Sie konnten durch bloßes Abwarten bis kurz vor Eintritt der Verjährung die Insolvenzmasse mehren und wurden für eine möglichst späte Geltendmachung von Anfechtungsansprüchen belohnt. Für den Anfechtungsgegner hatte dies die ungerechtfertigte Konsequenz, dass er, ohne überhaupt von einem Anfechtungsanspruch zu wissen, für die gesamte Verjährungsfrist Zinsen bezahlen musste. Im Extremfall konnten dies bei Eröffnung des Insolvenzverfahrens im Januar knapp vier Jahre sein.

Nunmehr ist ausdrücklich geregelt, dass der Anfechtungsanspruch erst ab Verzug des Anfechtungsgegners zu verzinsen ist. Der Insolvenzverwalter muss also die Anfechtung frühzeitig geltend machen und den Anfechtungsgegner durch Mahnung oder Fristsetzung in Verzug setzen, um den Zinslauf in Gang zu setzen. Der Anfechtungsgegner gewinnt hierdurch Klarheit und kann sich früh mit dem Anspruch auseinandersetzen: Hält er ihn für berechtigt und zahlt er schnell an den Insolvenzverwalter, muss er keine oder kaum Zinsen zahlen. Sieht er sich zu Unrecht in Anspruch genommen, kann er sich wehren. Gewinnt er, muss er keine Zinsen zahlen. Verliert er, ist die Verzinsung gerechtfertigt.

Unterm Strich bringt die Reform einige graduelle Verbesserungen mit sich. Verschlechtern wird sie die Rechtslage jedenfalls nicht. Ein großer Wurf, der spürbar mehr Rechtssicherheit schafft, hätte indes anders ausgehen.

Der Autor Johannes Landry ist Rechtsanwalt und Partner der Kanzlei ARQIS in Düsseldorf. Er ist auf den Bereich Insolvenz und Sanierung spezialisiert und führt regelmäßig Anfechtungsprozesse für Insolvenzverwalter und für Anfechtungsgegner.

Zitiervorschlag

Johannes Landry, Reform des Insolvenzanfechtungsrechts: Jedenfalls keine Verschlechterung . In: Legal Tribune Online, 11.04.2017 , https://www.lto.de/persistent/a_id/22628/ (abgerufen am: 25.04.2024 )

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