Die Koalitionsverhandlungen sind in der heißen Phase, die Union würde gerne das Informationsfreiheitsgesetz abschaffen. Das wäre ein großer Rückschritt, meint Friedrich Schoch. Im Gegenteil: Wir müssten längst ein Transparenzgesetz haben.
Das Informationsfreiheitsgesetz des Bundes (IFG) ist am 1. Januar 2006 in Kraft getreten. Es handelt sich um ein echtes Parlamentsgesetz: Das IFG basiert nicht auf einem Regierungsentwurf, sondern ist von Bundestagsabgeordneten erarbeitet worden. Am 1. Januar 2026 könnte man auf sein 20-jähriges Bestehen zurückblicken. Anlass, um Bilanz zu ziehen, gäbe es: Fortschritte bei der Verbesserung der Verwaltungstransparenz wären zu würdigen, nicht erfüllte Erwartungen müssten analysiert werden, Perspektiven für eine Fortentwicklung des Gesetzes wären zu entwickeln.
Stattdessen könnte das bestehende IFG durch den neu gewählten Bundestag aber abgeschafft werden. Im Rahmen der Koalitionsverhandlungen von CDU/CSU und SPD hat die Arbeitsgruppe neun "Bürokratieabbau, Staatsmodernisierung, Moderne Justiz" ein Papier vorgelegt, das die Forderung von CDU/CSU enthält, das jetzige IFG nicht länger beizubehalten.
Unter der Überschrift "Stärkung der repräsentativen Demokratie" ist notiert: "Wir wollen den Bundestag zu einem modernen Gesetzgebungsorgan weiterentwickeln. Der Bundestag muss die Regierung und die Verwaltung effektiv kontrollieren können. [Das Informationsfreiheitsgesetz in der bisherigen Form wollen wir hingegen abschaffen.]". Der Klammerzusatz markiert dabei die Forderung von CDU/CSU und bedeutet zugleich, dass die SPD ihr Einverständnis (noch) nicht erklärt hat. Könnte es also sein, dass das IFG kurz vor seinem zweiten "runden Geburtstag" abgeschafft wird?
Warum Deutschland das IFG dringend nötig hatte
Als das IFG am 1. Januar 2006 in Kraft getreten war, hatte die Bundesrepublik Deutschland einen im internationalen Vergleich erheblichen Entwicklungsrückstand bei der Verwaltungstransparenz aufgeholt. In den USA, in Frankreich, in den skandinavischen Ländern und in weiteren mehr als 50 Staaten gab es bereits Informationsfreiheitsgesetze. Derartige Gesetze räumen einer jeden Person ohne besondere Voraussetzungen (wie etwa ein "berechtigtes" oder "rechtliches Interesse") einen Anspruch gegen Behörden auf Zugang zu amtlichen Informationen ein. Das können zum Beispiel diverse Auskünfte, Akteneinsicht oder Informationszugang in sonstiger Weise sein.
Natürlich gilt das IFG nicht unbegrenzt: Geheimnisse des Staates und schützenswerte Interessen Dritter, etwa personenbezogene Daten, geistiges Eigentum oder Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse, sind vom Informationszugang grundsätzlich ausgenommen. Auf EU-Ebene wurde 2001 die sogenannte Transparenzverordnung erlassen. Danach sind nicht nur behördliche Informationen wie etwa Dokumente der EU-Kommission zugänglich, sondern auch amtliche Informationen des Rates und des Europäischen Parlaments. Auf EU-Ebene sind bestimmte öffentliche Belange und private Interessen ebenfalls geschützt.
Das IFG zielt darauf, die Transparenz des Handelns von Behörden des Bundes zu verbessern. Die Gesetzesbegründung bezeichnet die Transparenz als eine wichtige Voraussetzung für die effektive Wahrnehmung von Bürgerrechten, die Förderung der demokratischen Meinungs- und Willensbildung sowie die Kontrolle staatlichen Handelns, aber auch die Unterstützung der europäischen Integration. Die Rechtsprechung hat die Gesetzesziele mehrfach gewürdigt und betont die Stärkung demokratischer Rechte durch das IFG, darunter Teilhabe an der öffentlichen Meinungs- und Willensbildung, effektive Wahrnehmung von Bürgerrechten, und die Verbesserung der Kontrolle der Staatstätigkeit, beispielsweise Verwaltungskontrolle und Korruptionsbekämpfung. Die Gerichte heben zudem die Förderung der Akzeptanz staatlichen Handelns als guten Grund für das IFG hervor. Befürchtungen, das IFG werde die Verwaltung "lahmlegen", haben sich nachweislich nicht bewahrheitet.
Informationszugang zu vielen bedeutenden Themen
Die Legitimität der Herstellung von Verwaltungstransparenz erschließt sich unmittelbar bei einem Blick auf die Praxis. Das IFG hat dazu geführt, dass viele bedeutende Themen an die Öffentlichkeit gelangt sind: Zugang zu Informationen des Bundeskanzleramts über die "Rote Armee Fraktion" (RAF), Zugang zu den "Afghanistan-Papieren, Einsichtnahme in Protokolle der Bund-Länder-Konferenzen zur Corona-Pandemie, Zugang zum "Glyphosat-Gutachten", Zugang zu Reisekostenabrechnungen von Bundestagsabgeordneten, Offenlegung von Gutachten des Wissenschaftlichen Dienstes des Bundestags für Abgeordnete. In diesen und vielen anderen Fällen geht es um die Herstellung von Transparenz, die das Parlament nicht bewerkstelligen kann oder will.
Das IFG steht dabei in keinem Gegensatz zur parlamentarischen Kontrolle von Regierung und Verwaltung. Politisch ist die Kontrollfunktion im parlamentarischen Regierungssystem in erster Linie ohnehin der parlamentarischen Opposition überantwortet. Bereits 2011 hat das Bundesverwaltungsgericht entschieden, dass parlamentarische Kontrolle und Öffentlichkeitskontrolle nicht in einem Gegensatz zueinander stehen, sondern sich, im Gegenteil, ergänzen: Die parlamentarische Kontrolle der Regierung stelle den demokratischen Verantwortlichkeitszusammenhang gegenüber dem Repräsentativorgan her, schließe eine Kontrolle durch die öffentliche Meinung, die auf fundierte Informationen angewiesen sei, jedoch nicht aus; gerade der Bereich des Regierungshandelns solle zwecks Stärkung der demokratischen Beteiligungsrechte der Bürger vom IFG erfasst werden, denn das Recht der Bürger auf Teilhabe an der politischen Willensbildung äußere sich nicht nur in Wahlen, und die parlamentarische Kontrolle der Regierung werde durch die Inanspruchnahme des IFG in keiner Weise beeinträchtigt.
Abschaffung des IFG wäre ein großer Rückschritt
Die Abschaffung des IFG (und sei es auch nur "in der bisherigen Form", wie die Arbeitsgruppe neun beschreibt) wäre bezüglich der Transparenz von Regierung und Verwaltung auf Bundesebene ein Rückschritt nicht nur im Vergleich mit anderen Staaten und der EU, sondern auch innerhalb Deutschlands.
Auf der Ebene der Länder werden Informationsfreiheitsgesetze, die den Zugang zu amtlichen Informationen von Landes- und Kommunalbehörden regeln, zu Transparenzgesetzen fortentwickelt. Die Verwaltungstransparenz wird dadurch gestärkt, dass viele amtliche Informationen der Öffentlichkeit von Amts wegen zugänglich gemacht werden, sodass der Informationszugang insoweit nicht von einem Antrag abhängt. Daneben bleibt das Antragsverfahren für Informationen, die (noch) nicht von Amts wegen publik gemacht werden, bestehen. Vorreiter bei der Transparenzgesetzgebung sind Hamburg (2012) und Rheinland-Pfalz (2016). Thüringen hat sein IFG 2020 durch ein Transparenzgesetz abgelöst. Sachsen verfügte nicht über ein Landes-IFG und hat mit Wirkung zum 1. Januar 2023 gleich ein Transparenzgesetz in Kraft gesetzt.
Für den Bund war in der 20. Wahlperiode des Bundestags nach dem Koalitionsvertrag von SPD, Grünen und FDP die Weiterentwicklung des IFG zu einem Bundestransparenzgesetz vereinbart worden. Damit wäre der Anschluss an die zeitgemäße Rechtsentwicklung gefunden worden. Zu dem Erlass eines Bundestransparenzgesetzes ist es bekanntlich nicht gekommen. Falls sich eine neue Regierungskoalition auf Bundesebene für die 21. Wahlperiode des Bundestags dem Informationsfreiheitsrecht annehmen möchte, handelt sie nur dann auf der Höhe der Zeit, wenn sie in ihrem Koalitionsvertrag als rechtspolitisches Vorhaben die Ablösung des IFG durch ein Transparenzgesetz vereinbart. Es abzuschaffen, wäre nicht der zeitgemäße Weg.
Der Autor Prof. Dr. Friedrich Schoch ist Informationsrechtler an der Universität Freiburg und Autor des Standardkommentars zum IFG.
CDU/CSU und SPD denken über Abschaffung nach: . In: Legal Tribune Online, 27.03.2025 , https://www.lto.de/persistent/a_id/56890 (abgerufen am: 19.04.2025 )
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