Der Dioxinskandal hat die Rufe lauter werden lassen, wonach der Staat wichtige Informationen etwa über Lebensmittelkontrollen der Allgemeinheit umfassend zugänglich machen soll. Tatsächlich bedarf es dazu nicht zwingend weiterer gesetzlicher Regelungen. Vielmehr könnte und sollte die Verwaltung von sich aus dem Grundsatz der Transparenz entsprechen, meint Dr. Carola Drechsler.
Verbraucherinformationsgesetz, Lebensmittel- und Futtermittelgesetzbuch, Informationsfreiheitsgesetze, Umweltinformationsgesetze - sie geben dem Verbraucher, dem Bürger einen voraussetzungslosen Anspruch auf Zugang zu den bei einer Behörde vorhandenen Informationen. Wer also weiß, welche Informationen bei einer staatlichen Stelle vorhanden sind und wo sie vorhanden sind, kann Auskünfte nach einem Antrag bei der zuständigen Behörde erhalten.
Mit diesen voraussetzungslosen und umfänglichen Informationszugangsrechten ist allerdings den Interessen von Verbrauchern und Bürgern nicht ausreichend Rechnung getragen. Schon seit 2006 fordern die Informationsfreiheitsbeauftragten der Länder die Behörden auf, aktiv bei ihnen vorhandene nicht geheimhaltungsbedürftige Informationen öffentlich zugänglich zu machen (Beschlüsse der Konferenz der Beauftragten für Informationsfreiheit vom 12. Dezember 2006 und vom 13. Dezember 2010, veröffentlicht unter www.datenschutz.de).
Nach der bestehenden Gesetzeslage muss ein Bürger wissen, bei welcher Behörde die für ihn relevanten Informationen vorhanden sein könnten. Er muss sich durch den Dschungel der förderalistischen Regelungen kämpfen, formal wirksame Anträge stellen, etwa einen Monat auf Bescheidung seines Begehrens warten und bei Erfolg mit der zuständigen Behörde diskutieren, in welcher Form dem Antrag entsprochen wird. Wird dieser abgelehnt, greift in den meisten Fällen die Möglichkeit des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens. Rechtlich ist dieses Verfahren nicht zu beanstanden.
Öffentlich finanzierte Informationen müssen auch öffentlich zugänglich sein
Allerdings wird die öffentliche Verwaltung dabei dem Anspruch auf Transparenz nicht hinreichend gerecht. Mit einer gesetzlich verankerten allgemeinen Informations- bzw. Veröffentlichungspflicht, wie sie § 40 Lebensmittel- und Futtermittelgesetzbuch vorsieht, könnte die Transparenz der öffentlichen Verwaltung wesentlich verbessert werden, indem dem Informationsanspruch der Bürger ohne größere Hürden entsprochen wird.
Aber auch ohne eine neue gesetzliche Grundlage ist Transparenz in der öffentlichen Verwaltung möglich. So forderten die Informationsfreiheitsbeauftragten die Behörden in zwei Entschließungen vom 13. Dezember 2010 auf, die vorhandenen Informationen, deren Erstellung öffentlich finanziert wurde, auch der Öffentlichkeit zugänglich zu machen.
Diese Forderung entspricht den Initiativen im Bereich "Open Data" und "Open Gouvernement". Was spricht dagegen, dass Behörden selbständig alle ihnen bekannten Informationen, Untersuchungs- und Forschungsergebnisse zugänglich machen? Zwar gibt es (noch) keine Rechtsgrundlage für die Veröffentlichung aller bei einer Behörde vorhandenen Informationen. Soweit diese jedoch keinen berechtigten Geheimhaltungsinteressen in Form von personenbezogenen Daten, Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen oder sonstigen Einschränkungsgründen unterliegen, sind die Behörden aber auch nicht verpflichtet, die bei ihnen vorhandenen Informationen geheim zu halten.
Andere Länder sind schon weiter
In Dänemark, Großbritannien und den USA bestehen bereits Internetplattformen, auf denen öffentliche Daten systematisch und verbraucherfreundlich aufbereitet veröffentlicht werden und somit dem Gedanken von "Open Data" entsprechen. In Dänemark werden nahezu alle Kontrollberichte von Lebensmittelkontrollen der Öffentlichkeit zugänglich gemacht und sorgen so für Transparenz. In der Slowakischen Republik müssen seit dem 1. Januar 2011 sämtliche Verträge zwischen dem Staat und Unternehmen im Internet publiziert werden. Ähnliche Ansätze finden sich im Informationsfreiheitsgesetz des Landes Berlin.
Hierzulande gibt es im Ergebnis zwar keinen allgemeinen gesetzlichen Anspruch auf die Veröffentlichung von Verbraucherinformationen, es besteht aber auch keine gesetzliche Geheimhaltungsverpflichtung des Staates. Die öffentliche Verwaltung der Zukunft sollte deshalb zugunsten ihrer Akzeptanz für umfassende Transparenz sorgen.
Dies kann mit der Verfügbarkeit aller öffentlichen Daten erreicht werden, die keinem berechtigten Geheimhaltungsbedarf unterliegen. Alle Informationen, deren Erhebung öffentlich mit Steuergeldern finanziert wurde, sollten auch öffentlich zugänglich, frei verwertbar und in kompatiblen Formaten verfügbar sein.
Dr. Carola Drechsler ist Referentin für Informationsfreiheit beim Unabhängigen Landeszentrum für Datenschutz und Informationsfreiheit in Schleswig-Holstein.
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Informationsfreiheit für Verbraucher: . In: Legal Tribune Online, 18.01.2011 , https://www.lto.de/persistent/a_id/2353 (abgerufen am: 12.12.2024 )
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