Offene Immobilienfonds stecken in der Krise; nun werfen Verbraucherschützer Banken sogar vor, die Krise einzelner Fonds selbst verursacht und Anleger falsch beraten zu haben. Stark in der Kritik ist dabei die Commerzbank, in Norddeutschland beschwerten sich bereits 800 Verbraucher. Alexander Knauss über neue Rechtsprobleme und das Ende der Sicherheit nach der Finanzkrise.
Lange Zeit galten offene Immobilienfonds als sichere Anlage, boten sie doch die Garantie von Immobilien bei (vermeintlich) jederzeitiger Möglichkeit zur Verflüssigung. Doch die Finanzkrise machte auch vor diesen Produkten nicht halt. Anleger kehrten zahlreichen Fonds in Scharen den Rücken, woraufhin bei einigen der Fonds die Anteilsrücknahme ausgesetzt wurde. Die verbliebenen Anleger kommen zur Zeit also nicht an ihr investiertes Kapital. Einziger Ausweg ist ein Verkauf der Anteile an der Börse, wobei jedoch Verluste von bis zu 30 Prozent und mehr keine Seltenheit sind. Anleger werfen Banken seitdem vor, über die Risiken des "Betongoldes" nicht hinreichend aufgeklärt zu haben.
Vor allem im Norden der Republik erheben Verbraucher nun schwere Vorwürfe, die auch rechtlich eine neue Qualität haben. Allein den norddeutschen Verbraucherzentralen liegen nach Medienberichten 800 Beschwerden von Verbrauchern vor, die sich von der Commerzbank mindestens falsch beraten fühlen. Die Verbraucherzentrale Schleswig-Holstein beschuldigt das Geldinstitut, den Exodus der Anleger aus einem Fonds (Premium Management Immobilien-Anlagen, PMIA) aus Eigennutz provoziert zu haben, um an ihrem Wechsel zu einem anderen hauseigenen Produkt Provisionen zu verdienen. Pikant ist dabei vor allem, dass es sich um eine Anlage handelt, welche die Bank speziell für ihre Kunden aufgelegt und vor allem älteren Kunden empfohlen haben soll.
Nach Einschätzung von Michael Herte von der Verbraucherzentrale Schleswig-Holstein haben die Anleger zudem einen überteuerten Ausgabeaufschlag von fünf Prozent gezahlt. Seit der Krise würden sie nur noch mit "spitzen Fingern" oder "nichtssagenden Briefen" ruhig gestellt, so der Verbraucherschützer. Dabei habe die Bank sehenden Auges den mit der Anlegerflucht verbundenen Liquiditätsengpass in Kauf genommen, der zur Aussetzung der Anteilsrücknahme führen musste. Für die im PMIA verbliebenen Anleger bewahrheitete sich der Satz "Den letzten beißen die Hunde." Denn aufgrund des plötzlichen Exodus der Anleger war die Fondsgesellschaft nicht mehr in der Lage, alle Rücknahmeverlangen zu erfüllen und musste die Rücknahme der Anteile aussetzen.
Der rechtliche Hintergrund: Man kann nicht immer einfach raus
Für offene Immobilienfonds gelten die Vorschriften des Investmentgesetzes (InvG). Dieses regelt die Rechte und Pflichten im so genannten Investmentdreieck zwischen der Kapitalanlagegesellschaft, die das Fondsvermögen bewirtschaftet, der so genannten Depotbank und schließlich den Anlegern.
Anleger offener Immobilienfonds können ihre Anteile in der Regel täglich zurückgeben und erhalten dann den Wert ihrer Anteile ausgezahlt. Die Anteilsrücknahme kann allerdings unter besonderen Umständen vorübergehend (bis zu zwei Jahre) ausgesetzt werden, zum Beispiel bei Liquiditätsengpässen. Hiermit schafft sich die Gesellschaft die Zeit, ohne Notverkäufe wieder liquide zu werden. Die Aussetzung der Anteilsrücknahme dient damit – auch wenn die Betroffenen dies vermutlich anders sehen dürften – vor allem dem Schutz der Anleger.
Pikant im norddeutschen Fall ist die Doppelrolle der Bank: Denn die Commerzbank war nicht nur beratende Bank auf Seiten der Kunden, sondern zugleich auch Depotbank im Sinne des InvG.
Die Bank spielt auf zwei Seiten
Eine solche Depotbank hat aber nach dem InvG eine zentrale Funktion, denn sie hat weitreichende gesetzliche Kontrollfunktionen über die Investmentgesellschaft. Dabei ist sie gesetzlich verpflichtet, ausschließlich im Interesse der Anleger zu handeln (§ 22 Abs. 1 Satz 1 InvG). Bei Verletzung dieser Pflicht kommen Schadenersatzansprüche der Kunden in Betracht.
Damit stellt sich zwangsläufig die Frage, ob eine Bank, die als Depotbank verpflichtet ist, ausschließlich im Interesse der (bestehenden) Anleger zu handeln, gegen ebendiese Pflicht verstößt, wenn sie durch eine breit angelegte Empfehlung, bestimmte Fonds zu verlassen, einen Exodus der Anleger heraufbeschwört. Konsequenz für die in dem Fond verbleibenden Anleger kann dann nur eine Aussetzung der Anteilsrücknahme nach § 81 InvG sein.
Einschlägige Rechtsprechung hierzu existiert soweit ersichtlich nicht. Die Beantwortung dieser Frage wird davon abhängen, ob die Bank gute und vor allem sachliche Gründe hatte, den Anlegern einen Wechsel in andere Fonds zu empfehlen oder ob sie damit lediglich eigene Interessen verfolgte.
Ist das Geldinstitut – wie im Falle der Commerzbank – zugleich Depotbank und beratend gegenüber ihren Kunden tätig, liegt es auch nahe, dass Sonderwissen aus der Tätigkeit als Depotbank in die Beratung der Anleger zum Erwerb der Anteile einfließt oder jedenfalls einfließen müsste. Bei funktionaler Betrachtung wird die Depotbank bei der Beratung künftiger Anleger aber lediglich als einfacher Wertpapierdienstleister tätig, weil die Schutzpflichten aus § 22 InvG nur gegenüber bestehenden Anlegern bestehen. Auch Rechte und Pflichten der Institute dürften sich daher nur nach den allgemeinen Vorschriften zur Beratung richten.
Pflicht zur Aufklärung über das Risiko der Aussetzung?
Nicht nur im Fall der PMIA, sondern auch bei vielen anderen offenen Immobilienfonds, bei denen die Anteilsrücknahme ausgesetzt wurde, fühlen die Kunden sich nicht hinreichend über das Risiko aufgeklärt.
In der Regel wurde mit der Sicherheit der Anlage bei jederzeitiger Verfügbarkeit geworben. Das Risiko einer Aussetzung der Anteilsrücknahme schien über lange Zeit bloß theoretischer Natur.
Einer kürzlich veröffentlichten Entscheidung des Landgerichts Nürnberg-Fürth zufolge muss die Bank nicht unbedingt darauf hinweisen, dass es zu einer vorübergehenden Aussetzung der Anteilsrücknahme und einer Neubewertung des Fonds kommen kann. Einen solchen Hinweis müssen die Geldinstitute nach Ansicht der Nürnberger Richter jedenfalls nicht ohne Nachfrage und besonders hervorgehoben geben, wenn sich aus der Historie des Fonds und der wirtschaftlichen Lage keine Anhaltspunkte dafür ergeben, dass ein solcher Fall eintreten könnte (LG Nürnberg-Fürth, Urt. v. 19.01.2011, Az. 10 O 6490/10).
Im Umkehrschluss bestünde eine Aufklärungspflicht dann, wenn die ernsthafte Möglichkeit einer Aussetzung der Anteilsrücknahme besteht, also zum Beispiel der selbe Fonds in der Vergangenheit schon einmal ausgesetzt wurde. Nachdem in den letzten zwei Jahren zahlreiche dieser Anlagen in eine solche Bredouille kamen, wird man in Zukunft nur noch schwer von einem bloß theoretischen Risiko sprechen können, über das nicht aufgeklärt werden muss.
Der Gesetzgeber wird es richten?
Der Gesetzgeber hat auf die Aussetzungen der Anteilsrücknahme bei zahlreichen großen Immobilienfonds schon reagiert. Das kürzlich in Kraft getretene Anlegerschutz- und Funktionsverbesserungsgesetz (AnsFuG) schränkt die Möglichkeit ein, Fondsanteile stets zurückzugeben. Während ein Anleger Investmentanteile bisher jederzeit veräußern und den Gegenwert verlangen konnte, ist es nun möglich, in den Vertragsbedingungen des Fonds die Rücknahme der Anteile auf bestimmte Termine zu beschränken.
Diese Möglichkeit muss mindestens einmal jährlich eröffnet werden. In Zukunft können Anleger allerdings erst nach zwei Jahren überhaupt kündigen und müssen eine Rückgabefrist von 12 Monaten einhalten. Beide Einschränkungen gelten allerdings nicht für bis zu 30.000 Euro pro Halbjahr pro Anleger. Über die Börse kann der Anleger natürlich weiterhin seine Anteile jederzeit auch ohne Einhaltung von Fristen veräußern. Der Nachteil aber bleibt: Dabei kann es unter Umständen zu herben Verlusten kommen.
Das AnsFuG ändert zudem die Möglichkeit zur Aussetzung der Anteilsrücknahme. Die Rücknahme von Anteilen muss nun verweigert oder ausgesetzt werden, wenn die der Fondsgesellschaft zur Verfügung stehenden Mittel nicht ausreichen. Ist die Gesellschaft auch nach Ablauf von sechs Monaten seit dem Rücknahmeverlangen nicht liquide, ist das Sondervermögen zu verkaufen.
Der gesetzlichen Neuregelung gelingt ein Kompromiss. Sie sichert langfristige Investitionen auf Ebene der Gesellschaft einerseits und garantiert auf der anderen Seite, dass die Anleger kurzfristig Liquidität schaffen können.
Nochmals: Der Commerzbank-Fall
Der Gesetzgeber sollte allerdings überlegen, Depotbanktätigkeit und Beratungstätigkeit strikt zu trennen. Die Verquickung der Tätigkeit als Depotbank einerseits und Beraterbank andererseits führt zwangsläufig zu Interessenkollisionen, die unbedingt vermieden werden sollten. Solange es zulässig ist, dass eine Depotbank die von ihr verwahrten und zu beaufsichtigenden Fondsvermögen zugleich vertreibt, ist eine Kollision allerdings systemimmanent.
Die gerichtliche Beurteilung des Falles PMIA / Commerzbank verspricht spannend zu werden, könnte sie doch helfen, das Verhältnis zwischen Depotbanktätigkeit einerseits und Beratungstätigkeit andererseits sowie die Zurechnung des Sonderwissens einer Depotbank zu klären. Die ersten Gerichtsverfahren laufen bereits.
Eins ist klar: Während Anleger bislang nur in Ausnahmesituationen mit einer Aussetzung der Anteilsrücknahme rechnen mussten, sind ihre Rücknahmemöglichkeiten künftig deutlich eingeschränkt. Dies wirkt sich voraussichtlich nicht nur auf die nachträgliche Beurteilung des Beratungsverhaltens von Geldinstituten, sondern auch auf die zukünftige Attraktivität dieser Anlageform insgesamt aus. Es bleibt zu hoffen, dass die jüngsten Entwicklungen nicht zu einer Erstarrung des Marktes führen. Das Betongold wird in jedem Fall zähflüssiger.
Alexander Knauss ist Rechtsanwalt, Fachanwalt für Bank- und Kapitalmarktrecht und Partner der Sozietät MEYER-KÖRING Rechtsanwälte Steuerberater mit Büros in Bonn und Berlin.
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Alexander Knauss, Immobilienfonds: . In: Legal Tribune Online, 22.07.2011 , https://www.lto.de/persistent/a_id/3834 (abgerufen am: 09.12.2024 )
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