Ikeahackers-Blog: Was Ikea von Jack Daniels lernen kann

von Oliver Löffel

25.06.2014

Abmahnungen haben einen schlechten Ruf. Schuld daran sind Anwälte, die wie im Fall Redtube massenhaft wegen offensichtlich unbegründeter Forderungen abmahnen oder ausschließlich ein Abmahngeschäft betreiben. Aber auch größere Markeninhaber und deren Anwälte lassen ab und an das erforderliche Fingerspitzengefühl vermissen – der Schaden für eine Marke kann dann groß sein, meint Oliver Löffel.

"Erschreckend wie aggressiv manche Unternehmen sind" twitterte eine Redakteurin der Wirtschaftswoche vergangene Woche und reagierte damit auf die Abmahnung der Betreiberin von ikeahackers.net durch einen Anwalt von Ikea. Auf der Seite zeigen Privatleute, was man mit Ikea-Produkten basteln kann. Der Name und die Marke Ikea müssten korrekt verwendet werden, erklärte das Unternehmen auf Nachfrage von Handelsblatt Online die Abmahnung.

Folge der Abmahnung war eine negative Berichterstattung in der internationalen Presse und ein gegen Ikea gerichteter globaler Shitstorm, das "Empörungsinstrument der Generation Twitter", wie der Juraprofessor Dirk Heckmann das Phänomen im Onlinemagazin The European beschrieb.

"Wer […] ohne Rücksicht auf Verluste seine Markenrechte durchsetzt, hat es nicht verdient, dass ich dort Kunde bin", merkte ein Nutzer auf der Facebook-Seite von Ikea an. Und der Kommunikationsexperte Daniel Fürg kommentiert den "Ikeafail" in seinem Blog mit den Worten: "Das wohl bisher gravierendste Negativbeispiel für Blogger Relations. Schlechter hätte man es nicht machen können." Das sind nur einige wenige Beispiele vergleichsweise zurückhaltender Meinungsäußerungen. Was können Anwälte und Unternehmen in Zeiten von Social Media und Shitstorms da besser machen?

Abmahnung nötig, um Markenrechte zu schützen?

Geht es um gewerbliche Schutzrechte, zum Beispiel um eine Markenverletzung, empfehlen Anwälte den von ihnen beratenen Schutzrechtsinhabern meist, dringend etwas zu unternehmen, und zwar mit gutem Grund: In der Regel müssen Markenverletzungen unterbunden werden, da andernfalls eine Verwässerung der Marke droht, die im schlimmsten Fall zum Verlust der Markenrechte führen kann.

Gute Anwälte wägen jedoch nicht nur die rechtlichen Risiken ab. Sie berücksichtigen im Rahmen ihrer Empfehlungen stets auch die tatsächlichen Risiken für Marke und Markeninhaber. "Wir müssen uns immer wieder daran erinnern, wie wir als Anwälte im Idealfall beraten sollten: nicht nur im Hinblick darauf, was juristisch möglich und korrekt ist, sondern auch, was wirtschaftlich sinnvoll erscheint", besser als es Anwalt Konstantin Mettenheimer einmal im Handelsblatt sagte, kann man nicht ausdrücken, wie ein Anwalt zuerst und zuletzt beraten sollte.

Das bedeutet auch, dass sich Unternehmen und deren externe Anwälte den Herausforderungen von Social Media stellen und sich fragen müssen, welche tatsächlichen Nachteile eine Abmahnung haben kann und ob im Einzelfall unbedingt abgemahnt werden muss. Es ist alles andere als wirtschaftlich sinnvoll, eine Markenverletzung abzumahnen und anschließend nach einer Welle der Empörung und negativer Presse die kostenpflichtige Abmahnung wieder zurückzunehmen, wie etwa der Outdoor-Ausrüster Jack Wolfskin und nun auch Ikea.

Markeninhaber zahlen mit Blick auf den Schaden, welcher einer Marke durch eine negative Presse oder einen Shitstorm im Internet droht, einen zu hohen Preis, wenn sie Markenrechte gegenüber Kleinunternehmen und Einzelpersonen mit einer Abmahnung durchsetzen, ohne die Sache zu Ende zu denken.

Ikea Deutschland hat es schon freundlicher geschafft

Wohlgemerkt, hier geht es nicht um Marken- und Produktpiraten, für welche eine Abmahnung an sich noch zu freundlich ist. Es geht auch nicht um die Frage, ob und wie Markeninhaber gegen andere größere Unternehmen vorgehen, sondern um Abmahnungen von Schutzrechtsinhabern gegenüber Einzelpersonen und Kleinunternehmen und die Frage, ob es Sinn macht, ein öffentliches David-gegen-Goliath-Szenario zu riskieren.

Aus Sicht eines Marketingexperten sind vermutlich zahlreiche Möglichkeiten denkbar, wie Ikea das Marketing, welches die Community der Ikeahacker für das Einrichtungsunternehmen macht, hätte nutzen können. Selbst wenn das Unternehmen den Blog so nicht akzeptieren mochte, hätte es erst einmal auf die Abmahnung verzichten können und sollen. Auch aus anwaltlicher Sicht sind diverse Alternativen zu der fraglichen Abmahnung und kaufmännische Lösungen denkbar, welche der Marke Ikea und dem Unternehmen ausreichend Schutz bieten. Ikea wäre gut beraten gewesen, mit der Betreiberin des Blogs zuerst das Gespräch zu suchen, wie ein vergleichbarer Fall aus dem Jahr 2007 zeigt: Seinerzeit hat es Ikea Deutschland freundlich und ohne Abmahnung geschafft, dass die Bastellseite ikeahacker.de eingestellt wird, wie der Blog Kriegs-recht.de berichtete und schon damals zutreffend prophezeite: "Ikeahacker wird mit Sicherheit nicht der letzte Fall seiner Art" sein.  

Alternativen zur Nullachtfünfzehn-Abmahnung

Manche Anwälte sprechen sich für eine Abmahnung aus, weil sie meinen, dass nur mit einer strafbewehrten Unterlassungserklärung die Gefahr einer Wiederholung der Rechtsverletzung ausgeräumt werden könne. Abgesehen davon, dass eine strafbewehrte Unterlassungserklärung keine Garantie gibt, dass die Verletzung nicht fortgesetzt wird, muss die Gegenüberlegung in jedem Einzelfall lauten: Zu welchem Preis wird eine Markenverletzung abgemahnt und eine strafbewehrte Unterlassungserklärung gefordert?

Insbesondere ein anwaltliches Abmahnschreiben, in dem hohe Streitwerte genannt und Anwaltskosten geltend gemacht werden, bietet häufig Angriffsfläche für eine negative Berichterstattung. Es existieren zahlreiche Optionen, wie Markeninhaber im Falle einer Markenverletzung erfolgreich reagieren können, statt ihre Anwälte eine Nullachtfünfzehn-Abmahnung versenden zu lassen. Ein gut formuliertes, freundliches Schreiben an den Markenverletzer, vom Markeninhaber selbst statt von seinem Anwalt versandt, tut es erfahrungsgemäß meist auch.

Ikea kann insoweit viel von Jack Daniels lernen: Als der Whiskey-Hersteller seine Marke durch eine Einzelperson verletzt sah, versandte das Unternehmen ein höfliches Schreiben an den Markenverletzer. Das Schreiben brachte nicht nur den von Jack Daniels gewünschten Erfolg und beendete die Rechtsverletzung. Das Unternehmen wurde für das freundliche Schreiben sogar noch gelobt.

Der Autor Oliver Löffel ist Fachanwalt für Gewerblichen Rechtsschutz und Partner bei der Kanzlei Löffel Abrar in Düsseldorf.

Zitiervorschlag

Oliver Löffel, Ikeahackers-Blog: Was Ikea von Jack Daniels lernen kann . In: Legal Tribune Online, 25.06.2014 , https://www.lto.de/persistent/a_id/12333/ (abgerufen am: 24.04.2024 )

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